Versicherer warnen vor Preisexplosion
Versicherer warnen vor Preisexplosion
Kosten für Wohngebäudeversicherungen könnten sich binnen zehn Jahren verdoppeln – Mehr Prävention gefordert
ak Düsseldorf
Die deutschen Versicherer warnen vor explodierenden Kosten für die Wohngebäudeversicherung. Mit einer Pflichtversicherung für Hausbesitzer gegen Elementarschäden allein sei es nicht getan, hieß es am Mittwoch in Berlin. „Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung nicht konsequent umsetzen, könnte es in Deutschland nach unseren Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, vor Journalisten. Der Branchenverband skizzierte am Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz noch einmal seine Vorschläge für eine künftige effektivere Versicherung von privaten Immobilien gegen Extremwetter.
Auf dem Tisch liegt ein Opt-out-Modell, das die Assekuranz favorisiert. Danach würden Neuverträge in der Wohngebäudeversicherung nur noch mit der sogenannten Elementargefahrendeckung angeboten. Die Bestandsverträge aller Gesellschaften würden zu einem Stichtag umgestellt, so dass sie dann den Elementarschutz enthalten. Wer das nicht wolle, müsse aktiv widersprechen. In der Politik gibt es mehr Sympathien für eine Pflichtversicherung. Der Bundesrat hatte sich im Frühjahr für die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadendeckung ausgesprochen. „Wir unterstützen keine reine Pflichtversicherung, sondern wir unterstützen eine Pflicht, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, machte Asmussen den Standpunkt des GDV deutlich.
Am Donnerstag dürften sich die Regierungschefinnen und -chefs der Länder mit den Folgen des Ahr-Hochwassers im Juli 2021 und einer möglichen Pflichtversicherung befassen – sofern angesichts drängender anderer Themen noch Zeit dafür bleibt. Um die Dringlichkeit des Handelns zu unterstreichen, verwies der GDV-Hauptgeschäftsführer auf den aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats, wonach der Klimawandel schon jetzt zu häufigeren und schwereren Extremwetterereignissen geführt habe. Auch in Deutschland müsse man sich daher auf weitere Naturkatastrophen wie Überflutungen, Stürme, Hagel, Tornados und Dürre einstellen. „Ohne Gegenmaßnahmen, ohne Prävention wird sich diese Entwicklung unmittelbar in den Versicherungsprämien widerspiegeln“, erklärte Asmussen. Jeder Versicherer müsse prüfen, ob er die steigenden Extremwetterschäden langfristig weiter versichern kann. Das habe auch aufsichtsrechtliche Gründe, denn Versicherer müssen die Stabilität ihres Unternehmens sicherstellen. Einige Versicherer könnten früher oder später dazu gezwungen sein, das Geschäft aufzugeben, weil sie die entsprechenden Risiken nicht mehr tragen können.
Mit Blick auf extreme Naturkatastrophen und Grenzen privater Versicherungskapazitäten spricht sich der GDV für eine sogenannte Stop-Loss-Regelung aus. Bei dieser öffentlich-privaten Partnerschaft würde der Staat ab einer vorher definierten Grenze die Schäden übernehmen. „Wir sprechen hier von Ausnahme-Katastrophen mit einem Schadenvolumen deutlich über 30 Mrd. Euro“, sagte Matthias Kleuker, Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Risikoschutz und im Hauptberuf Vorstandschef des Versicherers LVM. Die Ahrtal-Flut von 2021, mit Schäden von 8,5 Mrd. Euro die bislang schwerste und teuerste Naturkatastrophe für die deutschen Versicherer, wäre also kein Fall für die Stop-Loss-Regelung gewesen. „Andere Länder haben solche Partnerschaften, etwa Frankreich, Belgien und Großbritannien“, sagte Asmussen. „Wir halten das für eine gute Lösung auch für Deutschland.“
Die Preise für Wohngebäudeversicherungen steigen jedoch nicht nur durch die zunehmenden Klimaschäden. Maßgeblich für die ganz aktuellen zweistelligen Beitragserhöhungen ist der Baupreisindex, an den die Verträge gekoppelt sind. Er hatte inflationsbedingt 2022 um mehr als 17% zugelegt. Die Wohngebäudeversicherung schreibt aggregiert Verlust. Die Schaden-Kosten-Quote der Sparte lag im vergangenen Jahr bei 106%, nachdem sie 2021 durch die Katastrophe an Ahr und Erft mit 139% tiefrot ausgefallen war.