Aufsicht

Versicherer wollen Regulierung entschlacken

Die Versicherer in Deutschland ächzen unter einer hohen und immer weiter steigenden Regulierungslast. Dem will der Versichererverband GDV durch einen umfangreichen Forderungskatalog abhelfen. Die Regulierung soll schlanker werden, vor allem für kleine Versicherer mit wenigen Mitarbeitern.

Versicherer wollen Regulierung entschlacken

Versicherer wollen Regulierung entschlacken

Branchenverband GDV will unnötige Regeln abschaffen und Berichtspflichten reduzieren – Schutz für Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt

Unnötige Doppelarbeit, hohe Belastung durch Melde- und Berichtspflichten selbst für Versicherer mit einem Dutzend Mitarbeitern – da kommt viel zusammen, was der Branche sauer aufstößt. Und sie sieht auch einen breiten Konsens, Unternehmen zu entlasten, heißt es beim Versichererverband GDV. So habe EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verkündet, entsprechende Belastungen um 25% senken zu wollen, und zwar ausdrücklich auch über die gerade vergangene Legislaturperiode des EU-Parlaments hinaus.

Impulse für das EU-Parlament

Der GDV hat jetzt unter dem Motto „Plädoyer für eine Trendwende“ ein Papier mit Empfehlungen für eine effiziente Regulierung vorgelegt. „Damit wollen wir Impulse für das gerade neu gewählte EU-Parlament geben“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir wollen die Regulierung besser machen und Europa insgesamt stärken.“

An den Anfang setzen die Versicherer ein Belastungsmoratorium. Damit soll der Trend der zunehmenden Regulierungsdichte gestoppt werden, wie es in dem Positionspapier des GDV heißt. In dieser Zeit sollen die bestehende Regulierung überprüft und keine zusätzlichen Berichts- und Meldepflichten geschaffen werden.

Zwei kurzfristige Maßnahmen

Asmussen stellt zwei kurzfristige Maßnahmen ins Zentrum. Zuerst geht es um European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die die Inhalte der Nachhaltigkeitsberichterstattung über die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) regeln. „Gemäß diesen sektorübergreifenden Standards muss erstmals 2025 für 2024 berichtet werden. Wir wissen daher noch nicht, wie die wirken.“

Der GDV fordert aber auch eine Verschlankung der Nachhaltigkeitsberichte. Diese werden mit 170 bis 800 Datenpunkten und vielen qualitativen Ausführungen sehr umfangreich ausfallen. Immerhin könnten übermäßige Berichtspflichten mit der unternehmensindividuellen Wesentlichkeitsanalyse eingeschränkt werden. Die im Rahmen der SFDR vorgeschriebenen standardisierten Produktinformationsblätter sollten, fordert der GDV, nur mehr ESG-Kernaussagen enthalten und damit verbraucherfreundlich werden.

Sektorspezifische Standards stoppen

Parallel zu den sektorübergreifenden ESRS wurde allerdings schon die European Financial Reporting Advisory Group (Efrag) beauftragt, sich mit sektorspezifischen Standards zu befassen. „Besser wäre es, hier abzuwarten, wie sich die sektorübergreifenden Standards auf die Unternehmensberichterstattung auswirken. Erst wenn sich dann ein Bedarf an Konkretisierungen oder Erweiterungen ergibt, sollte der Auftrag für sektorspezifische Standards erteilt werden“, fordert Asmussen.

Solvenzbericht SFCR abschaffen

Als zweiten Punkt, der sich kurzfristig umsetzen lasse, nennt der GDV-Hauptgeschäftsführer die Solvency and Financial Condition Reports (SFCR), die jährlich im Rahmen von Solvency II erstellt werden müssen. Sie richten sich an die Öffentlichkeit, also Analysten, Journalisten und auch Verbraucher. „Nach unseren Erhebungen wird der Bericht im Durchschnitt monatlich neunmal pro Unternehmen von deren Homepages abgerufen. Das ist angesichts des Aufwandes zur Erstellung dieser Berichte nicht zielführend.“

Daher fordert der GDV, die SFCR abzuschaffen und durch adressatenorientierte Formate zu ersetzen. Professionelle Nutzer könnten umfassende quantitative Daten nutzen, die bereits jetzt im Anhang der SFCR-Berichte veröffentlicht werden. Für die breite Öffentlichkeit wären Angaben zur Kapitalausstattung (Solvenz) und wenige andere Kennzahlen auf der Website des jeweiligen Unternehmens vollkommen ausreichend, findet der Verband. Eine grundsätzliche Trennung zwischen den an Versicherungsnehmer und an die Fachöffentlichkeit gerichteten Teilen des SFCR sieht die infolge des Reviews überarbeitete und vom EU-Parlament im April 2024 beschlossene Solvency-II-Rahmenrichtlinie allerdings schon vor.

Doppelarbeiten vermeiden

Vermeidbare Doppelarbeiten verortet der GDV auch bei Klimarisiken. Ein Ergebnis des Reviews von Solvency II war, dass zukünftig die Klimafolgeabschätzung in die unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Orsa) integriert werden muss. Für den deutschen Markt hat das die BaFin schon jetzt vorgeschrieben. „Diese Regelung halten wir auch für richtig.“

Ein weiteres Ergebnis des Reviews ist die Pflicht für Unternehmen, Pläne für den Umgang mit Klimarisiken zu erstellen. „Das überschneidet sich aber mit dem Orsa-Prozess. Wir sind dafür, die Klimafolgeabschätzung im Orsa zu implementieren.“

Ein „ganz dickes Brett“

Als „ganz dickes Brett“ bezeichnet Asmussen den Schutz kleiner und mittelgroßer Unternehmen. Gemäß Bilanzrichtlinie sind große Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Um als großes Unternehmen zu gelten, müssen zwei von drei Kriterien erfüllt sein: Bilanzsumme (über 25 Mill. Euro), Umsatz (Beitragseinnahmen über 50 Mill. Euro) und Mitarbeiterzahl (über 250). „Die allermeisten Versicherer erfüllen die Kriterien Bilanzsumme und Umsatz – auch die, die nur ganz wenige Mitarbeiter haben.“ Der Verband fordert daher Anpassungen. „Ein Weg wäre, dass ein Unternehmen erst als großer Versicherer gilt, wenn es alle drei Kriterien erfüllt.“ Dies erfordere aber eine längere Diskussion, da die Bilanzrichtlinie geändert werden müsste.

Erleichterungen für kleine Firmen

Kleine und nicht-komplexe Unternehmen (SNCU) erhalten nach dem Solvency-II-Review einige Erleichterungen. So müssen sie in ihren Nachhaltigkeitsberichten weniger Kennzahlen ausweisen. „Dieser proportionale Ansatz sollte auch auf andere Regulierungen wie zum Beispiel zur digitalen operationalen Resilienz (Dora) angewendet werden.“ Es gehe dabei um Erleichterungen, also nicht darum, sie von der Regulierung ganz auszunehmen, betonte Asmussen.

Versicherer leiden unter einer immer weiter anschwellenden Regulierungsflut. Dem will der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entgegentreten und hat ein Positionspapier vorgelegt, das der Börsen-Zeitung vorab vorlag. Gefordert wird zuerst eine zweijährige Regulierungspause.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.