Vertrag für Deutsche-Bank-Vize Garth Ritchie lässt auf sich warten
Von Bernd Neubacher, FrankfurtBei der Deutschen Bank machen Spekulationen über die Zukunft des Vize-CEO und Investment-Banking-Chefs Garth Ritchie die Runde. Einerseits ist aus der Bank zu hören, der Australier stehe offenbar vor dem Abschied. Andererseits wird dies an anderer Stelle stark relativiert. Tatsache ist: Bisher hat sich der Aufsichtsrat Zeit gelassen, Ritchies Vertrag zu verlängern. Sein Arbeitspapier läuft Ende Dezember, also in viereinhalb Monaten, aus. Usus in der Branche ist eine Verlängerung spätestens ein halbes Jahr vor Vertragsablauf. Man sei in Gesprächen, müsse aber nichts überstürzen, ist aus der Bank zu hören. Dies kann alles bedeuten: dass es bei den sich hinziehenden Verhandlungen um eine Verlängerung der Tätigkeit geht, ebenso aber, dass sich die Gespräche um einen neuen Zuschnitt der Aufgaben Ritchies oder aber allein noch um die Modalitäten einer Trennung drehen. Möglicherweise arbeitet Ritchie auch auf Bewährung: Mit Ex-Merrill-Lynch-Chef John Thain ist Ende Mai ein Investmentbanker in den Aufsichtsrat eingezogen, der auch personell eigene Vorstellungen von den Notwendigkeiten des Geschäfts haben könnte. Zudem mandatierte die Deutsche Bank jüngst Anteilseigner Cerberus als Berater. Bei Leuten mit Einblick in die Bank hat sich jedenfalls die Erwartung verfestigt, dass sich in der Investmentbank des Instituts etwas tut. Vereinzelt heißt es schon, Ritchie wirke amtsmüde und entscheidungsschwach – dies kann allerdings auch nur die übliche üble Nachrede sein, die in großen Unternehmen mit ausbaufähiger Mitarbeiterzufriedenheit schon einmal vorkommt, oder auch Beleg für Reibungsverluste sein, die Konzerne während eines Umbaus haben. Die Deutsche Bank äußert sich auf Anfrage nicht zur Personalie. Das erste Mal ist es nicht, dass der Manager für Spekulationen sorgt. Dem “Wall Street Journal” zufolge hatte das Vorstandsmitglied schon vor dem jüngsten Führungswechsel in der Bank mit seinem Weggang geliebäugelt, nur um kurz darauf neben Personalvorstand Karl von Rohr als Konzernvizechef berufen zu werden. Indem die Bank Ritchie damals hielt, verhinderte sie, über Nacht ohne Chef der Kernsparte Investment Banking dazustehen, schließlich nahm Marcus Schenck, neben Ritchie Co-Leiter der Unternehmens- und Investmentbank, mit dem damaligen CEO John Cryan seinen Hut. Keine ArgumenteRitchie, Jahrgang 1968, war Anfang 2016 in den Vorstand eingezogen. Der Absolvent der südafrikanischen University of Port Elizabeth war nach Tätigkeiten für Fergusson Brothers sowie für die First National Bank of South Africa 1996 in die Deutsche Bank eingetreten und dort 2009 als Co-Head of Equities berufen worden, ein Jahr später als alleiniger Chef des Aktiengeschäfts. Argumente für eine Vertragsverlängerung mit Ritchie liefert die operative Entwicklung weder im Aktienhandel noch im Investment Banking. Während die Bank im ersten Halbjahr konzernweit 3 % weniger eingenommen hat als vor Jahresfrist, sind die Erträge im Investment Banking um 7 % eingebrochen, im Handel mit Aktien fielen sie dabei um 15 % auf 1,111 Mrd. Euro und im Emissionsgeschäft mit Dividendentiteln gar um 32 % auf 183 Mill. Euro. Im ersten Halbjahr 2011, kurz nachdem Ritchie vollständig das Ruder im Aktiengeschäft übernommen hatte, waren im Sales & Trading von Dividendentiteln noch rund 1,5 Mrd. und im Aktienemissionsgeschäft 425 Mill. zusammengekommen. Damals herrschte zwar ein anderes Marktumfeld als heutzutage. Unbestritten ist freilich ebenso, dass die Deutsche Bank im Aktiengeschäft seit Jahren Marktanteile verliert. Anfang 2016 hatte der damalige CEO John Cryan daher angekündigt, im Aktienbereich “in Research und in Sales zu investieren”. Allerdings hat diese Bilanz die Bank nicht davon abgehalten, Ritchie im April als Konzernvizechef zu installieren. Vorstandschef Christian Sewing baut im großen Stil um. Ende Juli rekrutierte er den Co-Leiter des Bereichs Global Capital Markets in der Unternehmens- und Investmentbank, Alexander von zur Mühlen, als “strategischen Berater”. Ende April hatte die Bank über Einschnitte im von Ritchie geleiteten Investment Banking informiert und angekündigt, sie werde sich im Beratungs- und Finanzierungsgeschäft aus bestimmten Sektoren zurückziehen, das Zinsgeschäft in den USA deutlich verkleinern und das weltweite Aktiengeschäft genau prüfen. Kurz darauf kündigte sie den Abbau von rund 25 % der Stellen im Aktiengeschäft sowie von konzernweit über 7 000 von 97 000 Vollzeitstellen an.