LEITARTIKEL

Vertrauensbildung geht anders

Das passt wie die Faust aufs Auge. In Brüssel diskutierten in der vorigen Woche die Finanzminister über die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung. Sie wollen die europäische Bankenunion voranbringen. Unterdessen schob in Frankfurt die...

Vertrauensbildung geht anders

Das passt wie die Faust aufs Auge. In Brüssel diskutierten in der vorigen Woche die Finanzminister über die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung. Sie wollen die europäische Bankenunion voranbringen. Unterdessen schob in Frankfurt die EZB-Bankenaufsicht die angekündigte strengere Behandlung der maroden Kredite – unstrittig eine der entscheidenden Voraussetzungen für die Schaffung eines European Deposit Insurance Scheme (Edis) – auf politischen Druck aus Italien auf die lange Bank. Vertrauensbildung geht anders.Nicht genug damit, dass die Sparer durch die bizarre Geldpolitik der EZB enteignet werden. Zu allem Überfluss sollen nach dem Willen von EU-Kommission und EZB Banken und Sparkassen auf Dauer mit den national aufgebauten Sicherheitsreserven, dem Vertrauenskapital ihrer Einleger, grenzüberschreitend füreinander haften. Was insoweit nicht unbedingt schlüssig ist, als auf staatlicher Ebene die Nichtbeistandsklausel für Euroland laut EU-Vertrag eine Haftung der Gemeinschaft oder einzelner Länder für Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedstaates ausschließt, wenigstens theoretisch. Doch selbst wenn man die Vollendung der Bankenunion durch eine zentralisierte Einlagensicherung als ein Element einer Absicherung der Wirtschafts- und Währungsunion für notwendig hielte: Von der Etablierung der dafür unabdingbaren Grundlagen ist Euroland Lichtjahre entfernt.Nicht von ungefähr steht die Bundesregierung bislang auf der Bremse. Der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier hat die Bedingungen aufgezählt, die erfüllt sein müssen, damit Edis überhaupt aus der Taufe gehoben werden kann. Neben der überfälligen Harmonisierung des Insolvenzrechts muss vor allem das Problem der notleidenden Kredite gelöst werden, deren zwischen Nord- und Südeuropa höchst ungleich verteiltes Volumen je nach Abgrenzung auf 800 Mrd. bis nahezu 1 Bill. Euro veranschlagt wird. Das Ziel einer “Haftungsgemeinschaft” als Endstufe kam Altmaier freilich schon recht flüssig über die Lippen. Als sei diese Frage längst ausdiskutiert, scheint das Ob einer Vergemeinschaftung kein Thema mehr zu sein, es geht nur noch um das Wie. Die Gefahr liegt auf der Hand, dass der neue europapolitische Wind in Paris ebenso wie ansatzweise in Berlin – siehe das Sondierungspapier der möglichen Partner einer großen Koalition – sachlich fundierte Einwände einfach hinwegweht.Teilen der deutschen Kreditwirtschaft schwant mit Blick auf die begonnenen Verhandlungen zwischen Union und SPD schon, dass die geschlossene Front von Banken- und Sparkassenverbänden und Bundesregierung Risse bekommen könnte. Zwischen den drei Säulen der Branche wurden zuletzt mindestens Nuancierungen erkennbar. Einen gemeinsamen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sachen Edis schrieben kurz nach ihrem jeweiligen Amtsantritt Anfang Januar der neue Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis, und die neue Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak. Sie warnten nachdrücklich vor Zugeständnissen in Richtung einer Zwangsvergemeinschaftung der Einlagensicherung. Beide sehen mit der Institutssicherung sogar die Funktionsfähigkeit der dezentralen kreditwirtschaftlichen Verbünde als Ganzes in ihrer Existenz gefährdet.Die Unterschrift des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), der sich jüngst mit einem Positionspapier für grundlegende Reformen in den Eurostaaten und auf Gemeinschaftsebene ins Zeug legte, sucht man auf dem Brief vergebens. Auch bei einer Zeitungsanzeige, mit der sich dieser Tage neben BVR und DSGV ein sehr breites Bündnis der mittelständischen Wirtschaft der Kritik an einer unausgegorenen Vergemeinschaftung des Sparerschutzes anschloss, machten die privaten Banken nicht mit. Im Oktober waren sich alle Spitzenverbände der Banken und Sparkassen noch einig gewesen. Gemeinsam warnten sie damals vor dem “Einstieg in ein System der unbegrenzten Haftung unter Banken innerhalb der Länder der Bankenunion”.Vor allem die EU-Kommission ist offenbar entschlossen, sich nicht beirren zu lassen. Sie setzt dabei falsche Prioritäten und ignoriert die bewährte Arbeit bestehender nationaler Schutzsysteme inklusive der deutschen Institutssicherung. Gibt die Bundesregierung im aktuellen europapolitischen Überschwang ihren Widerstand gegen eine voreilige Zentralisierung der Einlagensicherung auf, werden Risiko und Haftung auch beim Sparerschutz eklatant auseinanderfallen. Ein Vertrauensschaden der Sparer wäre programmiert. So entstehen Finanzkrisen.——–Von Bernd WittkowskiMit einer unausgegorenen Zentralisierung der Einlagensicherung begibt sich Europa auch beim Sparerschutz auf den Weg zu einer Haftungsgemeinschaft.——-