Westliche Gesellschaften

„Vertrauensverlust rüttelt an Stabilität“

Wiederherstellung von Vertrauen: Das ist für den Allianz-Vorstandsvorsitzenden Oliver Bäte eine Kernaufgabe auch in der deutschen Gesellschaft.

„Vertrauensverlust rüttelt an Stabilität“

mic

Wiederherstellung von Vertrauen: Das ist für den Allianz-Vorstandsvorsitzenden Oliver Bäte eine Kernaufgabe auch in der deutschen Gesellschaft. Sein Plädoyer anlässlich der abschließenden Feier des 70. Jubiläums der Börsen-Zeitung fand einen kongenialen Rahmen: 180 Vorstandsvorsitzende, Finanzvorstände, Pressesprecher, Berater, Aufsichtsräte und Journalisten zeigten im Innenhof der Bayerischen Landesbank in München, wie konstruktiv und teils eben auch vertraut der Finanzplatz miteinander um­gehen kann.

In der Gesellschaft allerdings sei eher Misstrauen zum Standard geworden, konstatierte Bäte. Dies hätten in einer Studie, die die Allianz und die Kommunikationsberatung Edelmann veröffentlichten, sechs von zehn Befragten erklärt. Nur jeder Zweite vertraue noch Staatsoberhäuptern und Journalisten: „Dies ist dramatisch, weil dieser Vertrauensverlust an der Stabilität unserer Gesellschaft rüttelt.“ Das zeige nicht nur der Sturm auf das US-Kapitol. In Deutschland sei man davon überrascht worden, dass Leute versucht hätten, in den Reichstag zu gelangen: „Polarisierung ist das Mittel vieler geworden, egal ob im Journalismus oder in der Politik.“

Dass dies nicht das richtige Mittel sei, habe er mit seiner Familie am Beispiel Argentinien erlebt. Es sei im Jahr 1908 das wirtschaftlich erfolgreichste Land der Welt gewesen, und zwar sowohl absolut gemessen als auch am Vermögen pro Einwohner. Es habe ein Jahrhundert mit durchschnittlich 1,5 Prozentpunkten weniger Wirtschaftswachstum als in den Vereinigten Staaten gedauert, um das Land zugrunde zu richten: „Heute ist es eine Ruine.“

Woher dies komme? In den 70er Jahren habe die Regierung unter der Familie Perón das Vertrauen in Demokratie so erschüttert, dass es nur noch nach unten gegangen sei. Wie der Fall Venezuela zeige, könne dies sogar schneller ablaufen.

Bäte widersprach der Einschätzung, so etwas könne in Deutschland nie passieren. Schließlich sei das durchschnittliche Bildungsniveau in Argentinien in den 1970er Jahren gemessen an Schul- bzw. Hochschulabschlüssen höher gewesen als hierzulande: „Mit dummen Menschen hat dies also nichts zu tun.“

Bäte betonte, vielmehr brauchten Gesellschaften Vertrauen in ihre Institutionen. Eine Zeitung wie die Börsen-Zeitung sei daher viel mehr wert, als klare Analysen zur Verfügung zu stellen. „Sie haben meines Erachtens eine Systemstabilitätsaufgabe“, erklärte er gewandt an die Adresse von Mirjam Pütz, Vorsitzende der Geschäftsführung der – die Börsen-Zeitung herausgebenden – WM Gruppe sowie an die Adresse des Börsen-Zeitungs-Herausgebers und WM-Gruppe-Beiratsvorsitzenden Ernst Padberg. Er wolle es nicht überzeichnen, aber es sei wichtig, über diese Funktion in Ruhe nachzudenken, sagte Bäte. Es gehe nicht darum, nett oder kritiklos zu sein, sondern vielmehr um Kompetenz.