IM GESPRÄCH: KLAUS ROBERT BIERMANN

"Viel zu hoch"

Headhunter diagnostiziert überhöhte Vergütungen im Finanzsektor

"Viel zu hoch"

Von Bernd Neubacher, FrankfurtWeite Teile des Finanzdienstleistungssektors sind überbezahlt. Diese Ansicht vertritt der Headhunter Klaus Robert Biermann, Gründer des auf den Finanzsektor spezialisierten Personalberatungsunternehmens BiermannNeff, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Die gesamte Industrie hat, bis auf Back-Office- und Retailbereiche, wahrscheinlich ein Gehaltsniveau, das im Verhältnis immer noch 20 % zu hoch ist”, erklärt er auf die Frage, wie stark die Vergütungen sinken müssen, um ein Niveau zu erreichen, auf dem sich nachhaltig wirtschaften ließe. Im oberen Management seien dabei “punktuell bestimmt noch größere Kürzungen möglich”, wenn auch nicht durchsetzbar, meint Biermann. Massive Gehaltssteigerungen”Wir möchten nicht von pauschal extrem hohen Gehältern sprechen”, betont er: “Es ist aber klar festzuhalten, dass in diversen Bereichen die Gehälter im Verhältnis zu dem, was die Banken und auch die Assetmanager an Ertrag generieren, zu hoch sind.” Dies gelte für das Investment Banking und für gewisse Bereiche des Assetmanagements, ebenso genannt werden müsse aber der Bereich Legal, Compliance, Audit & Risk Management.Der gesamte Legal-, Compliance- und Audit-Bereich habe in den zurückliegenden Jahren massive Gehaltssteigerungen erfahren, führt Biermann ins Feld. Die Party sei aber auch in diesem Segment bald vorbei. “Entweder erfolgt dieses Ende sukzessive über die nächsten Jahre, und wir pendeln uns wieder auf einem gesunden und normalen Niveau ein, oder es wird Massenentlassungen und als letzte Konsequenz Insolvenzen geben”, prognostiziert er. Die Kosten dieser Bereiche seien für die Banken zu einer erheblichen und kaum noch stemmbaren Belastung geworden. Hohe Kosten, kaum GewinnDie Deutsche Bank etwa hat im vorvergangenen Jahr, für welches sie zum dritten Mal in Folge einen Nettoverlust auswies, einen Vergütungsaufwand von insgesamt 12,253 Mrd. Euro verbucht bei 97 535 Mitarbeitern. Das entspricht pro Nase knapp 126 000 Euro, wobei die Spanne freilich vom Tarifangestellten bis hin zum Einkommensmillionär reicht. Die Commerzbank kam 2017 auf einen Personalaufwand von 3,6 Mrd. Euro für 49 417 Mitarbeiter, was pro Kopf knapp 73 000 Euro entsprach. Vor Steuern erzielte die Bank ein Ergebnis von 495 Mill. Euro, je Beschäftigtem also rund 10 000 Euro.Als Hauptproblem neben einem Mangel an Ertragsbasis macht Biermann dabei “den engen Rahmen, den das deutsche Arbeitsrecht” setze, aus: “Diese Industrie kann sich nicht wirklich neu erfinden”, konstatiert der Manager, dessen vor zehn Jahren gegründetes Unternehmen Finanzdienstleister im deutschsprachigen Raum, in Benelux sowie in Skandinavien berät. Es werde “nichts Neues gewagt und zu wenig investiert”.So seien Abfindungen und Zahlungen noch immer zu hoch. Vor diesem Hintergrund hält Biermann einen Zusammenschluss von Commerzbank und Deutsche Bank nur für möglich, falls “der deutsche Staat Sonderlösungen anbieten würde – was wir uns kaum vorstellen können”. Verfechter einer Fusion der beiden deutschen Großbanken argumentieren allerdings mit umfangreichen Kostensynergien auch durch Stellenabbau.Von seiner Kritik aus nimmt Biermann ausdrücklich den Bereich der Angestellten im Retail Banking und Back sowie Middle Office. Ihn müsse man außen vor lassen: “Hier sind die Gehälter keineswegs zu hoch – und zum nicht überhöhten Gehalt paart sich die Gefahr, dass diese Bereiche von der Digitalisierung am härtesten getroffen werden.” Im Senior Management sieht der Headhunter dagegen “zahlreiche Beispiele, bei denen die Gehälter im Vergleich zu den Angestellten einfach zu hoch sind und ein gesundes Maß überschritten ist”.Biermanns Angaben zufolge sind im Falle von Stellenstreichungen Abfindungen in Höhe von ein bis zwei Monatsgehältern pro Jahr Betriebszugehörigkeit gang und gäbe. Zumindest im Falle ohnehin hoch vergüteter Banker gehöre solches Anspruchsdenken abgeschafft: “Den tieferen Sinn und Zweck von Abfindungen für Angestellte oder Vorstände, die mehr als sechs Monate Kündigungsfrist oder Festverträge haben und mehr als 200 000 Euro verdienen, können wir nicht nachvollziehen”, erklärt er. Kein Zeichen gesetztEs müsse aber auch beachtet werden, woher diese Entwicklung komme, gibt Biermann zu bedenken. So habe die Deutsche Bank in ihrer Gehaltspolitik in den vergangenen zwei oder drei Jahren “für uns keine entscheidenden Fehler” gemacht. Fehler seien vielmehr nach der Finanzkrise und in den ersten Jahren der hohen Verluste und Abschreibungen begangen worden. “Man hätte neben den oftmals fürstlichen Fixgehältern Bonuszahlungen durchaus versprechen können – allerdings hätten diese erst mit der Rückkehr in eine Gewinnzone zur Auszahlung kommen dürfen”, sagt er. Eine entsprechende Geschäftspolitik hätte auch den Kunden gegenüber ein Zeichen gesetzt.Externe Partner, Kanzleien, Berater und die großen Prüfgesellschaften werden sich Biermann zufolge ebenso an andere Vergütungsniveaus gewöhnen müssen. “Es muss die Frage erlaubt sein, wo in Zukunft die Erträge für die Paläste der Anwaltskanzleien an der Taunusanlage herkommen sollen”, sagt Biermann in Anspielung auf Bürogebäude an der Frankfurter Wallanlage. In diesem Bereich seien die Honorare und Gehälter “absolut viel zu hoch”.”Das deutsche Problem der letzten Jahre” erkennt er auch mit Blick auf den Brexit. “Wir kümmern uns viel zu wenig um die Infrastruktur und entsprechende Rahmenbedingungen.” Bisher hätten Luxemburg und Dublin profitiert, Frankfurt auch in gewissem Maße. Die Chancen aber seien bei Weitem nicht genutzt worden. Mitte Dezember hat die Bundesregierung mit einer Lockerung des Kündigungsschutzes für hoch bezahlte Bankangestellte Ernst gemacht. Das “Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über steuerliche Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs, Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union” sieht vor, dass Risikoträger, deren Fixvergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung von aktuell mindestens 234 000 Euro übersteigt, beim Kündigungsschutz leitenden Angestellten gleichzustellen sind.