FONDS UND ETF

"Viele Investoren steigen jetzt wieder ein"

Interview mit Sean Taylor

"Viele Investoren steigen jetzt wieder ein"

Sean Taylor, Fondsmanager, CIO APAC und Leiter Emerging Markets Aktien bei der DWSHerr Taylor, warum war 2018 entgegen mancher Erwartung so ein schlechtes Jahr für die Emerging Markets? Überraschend war die deutliche Wachstumsverlangsamung Chinas ab den Monaten Mai und Juni 2018 infolge des sich verschärfenden Handelskonflikts. Dies noch vor dem Hintergrund, dass die Schwellenländer 2017 an den Märkten gut gelaufen sind und folglich zum Jahreswechsel 2017/18 hoch bewertet waren. Hinzu kamen Probleme in mehreren Schwellenländern wie Argentinien, Venezuela oder der Türkei. Das waren zwar isolierte, vornehmlich diese Länder betreffende Ereignisse, doch haben Investoren Schwellenländer dadurch pauschal abgewertet.Und wie stellt sich nun aktuell die Situation der Schwellenländer dar?Aus unserer Sicht gibt es fünf Gründe, die jetzt für Investments in den Emerging Markets sprechen. Erstens der Schwenk der Fed von Zinserhöhung auf Hold. Wir erwarten in diesem Jahr nur noch einen Zinsschritt der Fed. Das ist gut für die Emerging Markets, denen nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Verschuldung in Dollar steigende US-Leitzinsen wehtun.Hinzu kommt die Dollarschwäche?Genau, das ist der zweite Punkt. 2018 hat ein starker Dollar für Gegenwind an den Schwellenländern gesorgt. Dies fällt nun weg.Und was ist der dritte Grund?Wir glauben, dass es im Handelskonflikt zwischen den USA und China zu einem Kompromiss kommen wird. Zum Beispiel, dass China mehr Agrargüter aus den USA importieren und sich stärker gegenüber den USA öffnen wird.China ist also ein Schlüsselmarkt für die Schwellenländer?Ja, allein aufgrund seiner Größe und der engen wirtschaftlichen Verflechtung in Asien. Wir erwarten, dass die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr mit einer Rate von etwa 6 % wachsen wird. Vor allem dürfte China in den kommenden Monaten durch Stimulierungsmaßnahmen nebst Steuersenkungen sein überdurchschnittlich hohes Wachstum sichern. Das ist unser viertes Argument für eine Anlage in den Schwellenländern.Was kommt noch hinzu?Fünftens glauben wir, dass die Investoren, wenn sie ihren globalen Risk-off-Modus erst einmal abgelegt haben, wieder zu einer realistischeren Einschätzung der Schwellenländer gelangen werden und diese nicht mehr in Bausch und Bogen verdammen. Jedes Land ist differenziert zu sehen. Und in vielen Schwellenländern bessern sich gerade die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.Wie sind eigentlich die Emerging Markets auf der Aktienseite bewertet?Insgesamt sind eine Menge schlechter Nachrichten bei den Schwellenländern bereits eingepreist. Sie sind deutlich günstiger bewertet als vor Jahresfrist und fast so günstig wie zu Zeiten der Finanzkrise. Natürlich sind sie – gemessen nach den gängigen Kriterien wie Kurs-Gewinn-Verhältnis etc. – sehr viel günstiger zu haben als US-Aktien. Aber das ist häufig so. Für Aktien aus den Schwellenländern spricht vor allem ihr Gewinnmomentum. Wir erwarten für 2019 ein Ertragswachstum von etwa 5 % und für 2020 eines im zweistelligen Prozentbereich.Welche Länder bevorzugen Sie an den Aktienmärkten?In Asien China und Thailand, in Osteuropa Russland, und in Lateinamerika gefällt uns weiterhin Brasilien.Und welche würden Sie eher meiden?Aufgrund der Schwäche bei Halbleitern sind wir vorsichtig bei Investments in Südkorea. Auch könnte die Zurückhaltung bei Apple-Produkten Zulieferer aus Taiwan treffen. Zudem sind wir von Mexiko nicht überzeugt.Und auf der Anleihenseite?Da bieten viele Emerging Markets noch attraktive überdurchschnittlich hohe Renditen. Hier favorisieren wir Länder wie Brasilien oder Indonesien.Welche Sektoren bevorzugen Sie?Aufgrund des starken Wachstums vieler Länder setzen wir besonders auf heimische Sektoren wie zum Beispiel Financials oder Energie. Technologiewerte haben wir insgesamt leicht untergewichtet. Und was ist mit den großen chinesischen Internetwerten wir Alibaba oder Tencent?Dies haben ein großes Gewicht im MSCI Emerging Markets Index. In unserem Schwellenländerfonds halten wir auch große Positionen, haben diese Titel aber niedriger als den Index gewichtet. Diese Werte waren nach einer phänomenalen Aufwärtsbewegung vor Jahresfrist viel zu teuer. Dies hat sich inzwischen gegeben. Wie lautet Ihr Fazit?Aktuell liegt ein besonders guter Zeitpunkt vor, um in die Emerging Markets mittelfristig, d.h. über drei bis fünf Jahre einzusteigen. Die Bewertung ist günstig, die zu erzielenden Renditen sind hoch, und diese Länder haben eine junge Bevölkerung und wachsen weitaus schneller als die etablierten Märkte. Viele Investoren steigen gerade jetzt wieder ein.Das Interview führte Werner Rüppel.