"Vierte Säule der Bankenunion"
Luis de Guindos, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), will die europäischen Finanzmärkte mit einem Rahmenwerk stärker integrieren. Staatssekretär Jörg Kukies ruft dazu auf, in der Diskussion über die Bankenunion nun auch die Fragmentierung im Bank- und Finanzmarkt zu berücksichtigen,Von Dietegen Müller, Frankfurt Auf einer Konferenz der Finanzmarktlobby Afme in Frankfurt hat am Donnerstag Luis de Guindos, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), verlangt, die europäischen Finanzmärkte besser zu integrieren und krisenfester zu machen, unabhängig vom Brexit. Der Brexit führe zu einer “Reorganisation” des europäischen Finanzmarkts und zur Herausbildung verschiedener spezialisierter Finanzzentren auf dem Kontinent. Das EU-Projekt der Kapitalmarktunion solle diese “Transition” mit einem “Rahmenwerk” unterstützen, das einen integrierten Markt hervorbringe und eine Fragmentierung verhindere.De Guindos betonte, große grenzüberschreitende Banken sowie die grenzüberschreitende Diversifikation von Assets in der Eurozone würden die Wahrscheinlichkeit von Kapitalflucht und den Nexus zwischen Banken und Staaten verringern. Er rief dazu auf, die Bankenunion und insbesondere die umstrittene europäische Einlagensicherung (Edis) voranzubringen. Der ehemalige Lehman-Manager pochte auch auf die Schaffung sogenannter europäischer “Safe Assets” (Esbies). Es gebe keine Währungsunion, in der regionale Assets als sichere Assets betrachtet würden. Diese Lücke könne mit einem “homogenen Produkt mit hoher Qualität und bedeutender Größe” geschlossen werden, das als Benchmark für die Anleger diene. Dieses Produkt solle so gestaltet sein, dass es Anreize für eine solide Haushaltspolitik setze.Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, zeigte sich auf der Konferenz offen für bestimmte Vorschläge. Die Stimmung sei “ganz positiv” gegenüber der Bankenunion und der Kapitalmarktunion eingestellt. Er verwies auf den gemeinsamen Vorstoß von Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, um die strategische Bedeutung der Kapitalmarktunion in der nächsten EU-Kommission “zu priorisieren”. Es gebe hier eine beachtliche Zahl an Unterstützern. Es müssten auch Regeln verändert werden, wenn diese die Beteiligung von Investoren erschwerten. Die schwierigsten, aber wichtigsten ungelösten Themen lägen im Steuer- und Insolvenzrecht. Kukies unterstützte den “sehr vernünftigen” Vorschlag der EU-Kommission, der “sanft” vom Einstimmigkeitsprinzip zum qualifizierten Majoritätsprinzip bei bestimmten Abstimmungen über Steuergesetze führe, etwa wenn es um Kooperation gehe. Das Einstimmigkeitsprinzip führt regelmäßig zu Blockaden. Kukies betonte, Deutschland habe die Haltung geändert und habe gegenüber dem entsprechenden Vorschlag der Kommission eine “sehr offene und konstruktive Haltung”, anders als noch vor einigen Jahren. Es dürften aber wohl im Kreis der EU-Finanzminister nur 7 von 28 für eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip sein. Fahrplan 2016 überholtMit Blick auf die Bankenunion sagte Kukies, man müsse von dem 2016 beschlossenen Umsetzungsfahrplan und von der etwas unproduktiven Debatte wegkommen, ob nun zuerst die europäische Einlagensicherung eingeführt werde und erst dann geklärt werde, wie Risiken aus Staatsschulden regulatorisch behandelt würden (RTSE), oder umgekehrt. Die Frage sei vielmehr, ob das Statement von 2016 überhaupt umfassend genug sei und ob nicht in Europa über die Frage des “Steady State” – also einer Art Fließgleichgewicht – nachzudenken sei. Es gehe auch um die Frage der Fragmentierung des europäischen Bankenmarkts und um die Segmentierung der Märkte sowie um “Ringfencing”, also die Tatsache, dass in Bankgruppen die Konzerntöchter eigene Mittel vorhalten müssen.Alle Fragen zu Fragmentierung oder Segmentierung seien sozusagen eine Art “vierte Säule der Bankenunion”, die integriert werden müsse. Jeder EU-Mitgliedstaat habe “rote Linien”, wie der “klassische deutsche Widerstand gegen Edis”. Die gute Nachricht sei, das beim Denken über den “Steady State” auch über “rote Linien” nachgedacht werden könne und womöglich eine Verschiebung hin zu einem besseren Gesamtgleichgewicht möglich werde.Zum Vorschlag der Safe Assets sagte Kukies, in der Bundesregierung gebe es dazu keine Einigkeit. Seine persönliche Meinung sei, dass es in Deutschland keine Offenheit gegenüber Assets gebe, die Risiken vergemeinschaften würden.