Genossenschaftsverband

Volksbanken werden mit Geld überflutet

Weil die Pandemie Reisen und größere Anschaffungen unmöglich macht, karren die Kunden ihr Geld in großen Mengen zu den Banken. Die Volks- und Raiffeisenbanken fordern daher einen größeren Freibetrag bei der EZB.

Volksbanken werden mit Geld überflutet

sto Frankfurt

Die Volks- und Raiffeisenbanken sind im vergangenen Jahr wegen der fehlenden Konsummöglichkeiten angesichts der Pandemie von neuen Kundengeldern schier überflutet worden. Es habe einen „beispiellosen Einlagenzustrom“ gegeben, berichtete Ingmar Rega, Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbands – Verband der Regionen, bei einem Pressegespräch zur Vorstellung der Geschäftszahlen 2020. Der Verband vertritt und prüft nahezu alle Volks- und Raiffeisen hierzulande, mit Ausnahme der Institute in Bayern, Baden-Württemberg und der Region Weser-Ems.

Die kumulierten Einlagen der zuletzt 349 Banken kletterten angesichts des Sprungs der Sparquote auf 16% um 8,9% auf 384,9 Mrd. Euro. Demgegenüber legten die Kredite nur um 6,4% auf 332,9 Mrd. Euro zu. „Die durch die massiven Einlagenzuwächse entstehende Überschussliquidität stellt eine große betriebswirtschaftliche Herausforderung dar. Sie bei der Notenbank zu parken, kostet Strafzinsen. Sie anderweitig rentierlich und gleichzeitig sicher anzulegen, wird immer schwieriger“, unterstrich Siegfried Mehring, stellvertretender Vorstandsvorsitzender.

Folgen für die Kreditvergabe

Zugleich liefen bei den Instituten im Verbandsgebiet viele langfristige, hochverzinste Anleihen aus, die nur durch niedriger verzinste Anleihen ersetzt werden konnten. Ebenso endeten auch ältere Kredite mit langen Laufzeiten wie Hypotheken, die höhere Zinseinnahmen brachten als die nun neuen Darlehen. „Wenn die Banken den Negativzins nicht in der Breite an ihre Kunden weitergeben wollen, könnte sich das früher oder später auf die Kreditvergabe auswirken“, warnte Mehring. „Eine Erhöhung der Freibeträge bei der Zahlung der Strafzinsen auf Einlagen bei der Notenbank halten wir für dringend geboten.“

Die täglich fälligen Gelder nahmen um 14% auf 280 Mrd. Euro zu. Der Anteil dieser Gelder, etwa auf Tagesgeldkonten, sprang von 69,4 auf 72,7%. „Es werden immer höhere Geldvermögensanteile dauerhaft zwischengeparkt. Das ist keine Strategie für die Altersvorsorge“, stellte Rega fest. Es gebe aber erste Anzeichen eines Umdenkens der Sparer. Die Zahl der Wertpapieraufträge legte um beeindruckende 85% auf 3,1 Millionen zu. Die Zahl der neuen Depots wuchs um 41% auf 55936, wodurch die Gesamtzahl der Depots um 1,5% auf 634377 zunahm. Rega vermutet junge Anleger dahinter, die das Wertpapiersparen für sich entdecken.

Eine weitere Auswirkung der Corona-Pandemie zeigte sich in einer steigenden Risikovorsorge für Kredite, die allerdings angesichts der staatlichen Stützungsmaßnahmen moderat ausfiel, zumal es in den Vorjahren lange Zeit niedrige Vorsorgen oder sogar Auflösungen gegeben hatte. Während somit das Ergebnis vor Bewertung von 4,1 auf 4,2 Mrd. Euro stieg, lag es nach Bewertung nur noch bei 3,9 Mrd. Euro gegenüber 4,5 Mrd. Euro zuvor. Hintergrund ist bei dieser Bewegung aber auch, dass es 2019 durch den Kursaufschwung an den Börsen eine Zuschreibung bei Wertpapieren gegeben hatte, die nunmehr 2020 ausblieb. Wertpapiere wie Kredite wirken sich im Bewertungsergebnis aus. Das Bewertungsergebnis erreichte −0,06% der durchschnittlichen Bilanzsumme, die von 1,3 Mrd. auf 1,5 Mrd. Euro durch 11 (i.V. 21) Fusionen zulegte. Dies sei aber keine Trendwende, für 2021 seien bereits 16 Zusammenschlüsse angekündigt, betonte Rega.

Mit Blick nach vorn machen sich die Bankvorstände im Verbandsgebiet keine großen Sorgen um ausfallende Kredite: Nur für ganz wenige Firmenkunden wird ein starker Lockdown-Effekt erwartet. 39% der vom Verband befragten Vorstände gaben den Anteil der stark betroffenen Firmenkunden mit unter 5% an, 35% zwischen 6 und 10%. Auch sind sie optimistisch, dass mit Beginn der zweiten Jahreshälfte 2021 oder spätestens Anfang 2022 die Konjunktur wieder anzieht.

Immer weniger in der Filiale

Die Pandemie wirkte sich sichtbar auf das Kundenverhalten aus, die – auch aufgrund vorübergehend ge­schlossener Filialen – sehr selten in die Geschäftsstellen gingen und stattdessen die digitalen Möglich­keiten bei den Bankgeschäften für sich nutzten. Die Kundenquote mit Filialnutzung fiel von einem Viertel auf ein Fünftel. Stattdessen nutzen im­mer mehr Kunden für Bera­tungsgespräche digital-persönliche Zugangswege, wie fast alle Bankvorstände bei der Umfrage des Verbands berich­teten.

Da der Zulauf in die Filialen schon vor Corona immer geringer wurde, ging die Zahl der personenbesetzten Filialen um 9,4% auf 4089 zurück. Durch Corona wird sich dieser Trend absehbar aber nicht beschleunigen. In diesem und nächsten Jahr wollen mit 36% weniger Banken als zuvor Filialen zusammenlegen. Mehr als die Hälfte von ihnen verneint, dass es eine Folge von Corona ist, sondern langfristig geplant war.

Genossenschaftsverband
Kennzahlen
in Mrd. Euro20202019
Einlagen384,9353,3
Kredite332,9312,8
Eigenkapital45,142,2
Bilanzsumme535,8484,5
Institute (Anzahl)349360
Mitglieder (Anzahl in Mill.)7,47,3
Filialen ohne SB (Anzahl)40894514
Mitarbeiter (Anzahl)6835870080
Börsen-Zeitung