IM GESPRÄCH: LARS HENNER SANTELMANN

Volkswagen will eine starke EU-Bank bauen

Ergebnis von VW Financial Services soll nun "merklich" über Vorjahr liegen - Kundenbindung mit digitalen Diensten stärken

Volkswagen will eine starke EU-Bank bauen

VW Financial Services, der Finanzdienstleister des VW Konzerns, hebt für das laufende Jahr den Ausblick an und erwartet ein “merklich” über dem Vorjahr liegendes Ergebnis. Die zuvor verkündete Neuaufstellung diene nicht nur der Reduzierung des Umfangs der Aufsicht durch die EZB, sondern solle die Komplexität des Unternehmens deutlich vereinfachen, unterstreicht der Vorstand.Von Karin Böhmert, FrankfurtVW Financial Services hebt die Ergebnisprognose für 2016 an, nachdem auch das dritte Quartal gut gelaufen sei, wie der Vorstand des Finanzdienstleisters im Gespräch mit der Börsen-Zeitung unterstreicht. Hieß es bisher, das Ergebnis liege mindestens über dem Vorjahr, so soll es nun “merklich” darüber liegen, unterstreicht Finanzvorstand Frank Fiedler.Die Vertragszugänge waren im dritten Quartal weiter um 13,7 % gestiegen (vgl. BZ vom 1. November). In der Refinanzierung, wo die Abgasproblematik des Mutterkonzerns VW zu höheren Sätzen geführt hatte, hätten sich die Spreads wieder eingeengt. Das Portfolio sei gut gelaufen, und die Risikokosten hätten einen historischen Tiefstand erreicht, sagte Fiedler.Tags zuvor hatte die VW Financial Services AG (VW FS AG) angekündigt, ihr gesamtes europäisches Bankgeschäft in ihrer Tochter VW Bank GmbH zu bündeln, die dann abgespalten werden und direkt unter den Mutterkonzern VW AG schlüpfen soll. Die Maßnahmen sollen Ende 2017 abgeschlossen sein.Der Finanzdienstleister, der mit seinen umfangreichen Finanzierungs-, Versicherungs- und Dienstleistungsaktivitäten als Absatzförderer des Autokonzerns fungiert, verfolgt damit gleich mehrere Ziele. “Wir wollen damit die Komplexität reduzieren, das Bankgeschäft stärken und unsere ambitionierten Wachstumsziele vorantreiben”, unterstreicht Lars Henner Santelmann, Vorstandsvorsitzender der VW FS AG. Reduzierte RegulierungInfolge der Neuaufstellung reduziert sich auch der Aufwand für die europäische Bankenaufsicht durch die EZB. Bisher unterliegen alle weltweiten Aktivitäten der VW Financial Services AG sowohl der EZB-Aufsicht als auch den jeweiligen nationalen Regulierern wie etwa in Brasilien, Mexiko oder China, wodurch es zu einer doppelten Regulierung kommt. Künftig beaufsichtigt die EZB nur noch das Kredit- und Einlagengeschäft der VW Bank im Europäischen Wirtschaftsraum EWR (siehe Grafik). Dadurch erhöhe sich auch die von der Aufsicht gewünschte Transparenz erheblich, betont Fiedler.In die Bank mit ihrem Heimatmarkt Deutschland sollen neben den bisher neun europäischen Standorten (Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien) alle anderen des EWR-Raums umgehängt werden, darunter Polen, Slowenien oder Belgien. In den jeweiligen Ländern sollen alle Einheiten, die unter verschiedenen juristischen Strukturen laufen wie etwa Joint Ventures, in jeweils eine nationale Filiale umgewandelt werden. Bilanzsumme wächst”Wir packen alles in die Bank, was mit europäischem Bankgeschäft zu tun hat. Am Ende liegen alle Finanzierungsverträge in Europa in der Bank”, erläutert Risikovorstand Michael Reinhart. “Mit dieser Struktur bauen wir eine starke EU-Bank.” Entsprechend wächst die Bank deutlich. Die Bilanzsumme von zurzeit rund 55 Mrd. Euro werde dadurch auf etwa 80 Mrd. Euro wachsen, so Reinhart. Die Bilanzsumme der VW FS AG von rund 120 Mrd. Euro (Ende 2015) dürfte entsprechend schrumpfen.Zudem soll aus der FS AG Eigenkapital in die Bank umgehoben werden, deren harte Kapitalquote (CET 1) dadurch von 12,5 % auf 14 % steige und somit auch die künftigen höheren aufsichtsrechtlichen Anforderungen gut erfülle, wie Reinhart erläutert. Die Bank behalte ihr eigenes Rating, das zwei Notches über dem des Autokonzerns liegt, so Finanzvorstand Fiedler. Derzeit würden die Ratingagenturen die neue Bilanz im Hinblick auf eine mögliche Änderung des Ratings infolge der neuen Struktur bewerten. Als reger Emittent von Commercial Paper, Asset-Backed Securities oder Anleihen würden sowohl die Bank als auch die FS AG weiterhin separat auftreten.Die Neuaufstellung sei ein “Meilenstein” und werde vom Betriebsrat positiv begleitet, unterstreicht Betriebsratsvorsitzender Waldemar Drosdziok, der das rasante Wachstum des Finanzdienstleisters seit 1987 im Betriebsrat begleitet. Die neue Struktur erhöhe die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und sichere damit die Beschäftigung insbesondere auch am Heimatstandort Braunschweig. HochfrequenzangeboteDer Finanzdienstleister will aber nicht nur das europäische Bankgeschäft mit der neuen Struktur stärken, sondern hat nach wie vor ambitionierte Wachstumsziele. So soll der Vertragsbestand, der Ende September bei 17,85 Millionen Verträgen lag, bis 2025 auf 30 Millionen steigen, wie Vorstandschef Santelmann bekräftigt. Dazu sollen auch neue Geschäftsbereiche aufgebaut werden. Angreifen will der Finanzdienstleister dabei mit neuen Mobilitätsdiensten auf digitaler Basis rund ums Parken und Tanken. Über eine App sollen freie Parkplätze gefunden oder Parkgebühren bezahlt werden können. Als Provider von Tankleistungen will VW Financial Services Karten anbieten und über diese die gesamte Abwicklung der Rechnungen etwa für Spediteure übernehmen. Mit diesen “Hochfrequenzangeboten”, so Santelmann, will der Finanzdienstleister, der seine Kunden bei Finanzierungen sonst nur alle paar Jahre trifft, die Kundenbindung stärken.Die VW Financial Services AG ist Teil der VW Finanzdienstleistungen, die wiederum ein Geschäftsbereich des Autokonzerns VW sind. Die Finanzdienstleistungsgesellschaften in den USA, Kanada, Argentinien und Spanien sind nicht Teil der FS AG, sondern des Bereichs Finanzdienstleistungen.Entsprechend weisen die VW Finanzdienstleistungen eine höhere Bilanzsumme von 157,9 Mrd. Euro, ein operatives Ergebnis von 1,9 Mrd. Euro und einen Bestand von rund 16,6 Millionen Verträgen per Ende 2015 aus.—– Wertberichtigt Seite 8