Vom Banker zum Technologieunternehmer
Von Bernd Wittkowski, FrankfurtEs ist 11:30 Uhr, die 49. Etage des gerade an den südkoreanischen Samsung-Konzern verkauften Commerzbank-Turms ist ausgebucht, aber keineswegs überbucht. Manche Medienvertreter sind extra etwas früher gekommen, um einen Platz zu ergattern, schließlich ist es der erste wirklich große Auftritt des seit dem 1. Mai amtierenden Vorstandsvorsitzenden Martin Zielke vor der Presse, sieht man einmal von einer vergleichsweise angenehmen Veranstaltung anlässlich der Verlängerung der Partnerschaft mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), einer Diskussion auf einem Bankenkongress und einem Sommerfest ab. Und heute geht es ja um was. Mit bitterernster MieneDoch der Andrang ist letztlich nicht größer als bei anderen Wirtschaftspressekonferenzen der “Bank an Ihrer Seite”, sei es zur Vorlage der Bilanz oder aus Anlass von Kapitalmaßnahmen oder früheren Strategieänderungen oder Umstrukturierungen. Das alles ist ja längst Routine beim zweitgrößten deutschen Geldkonzern. Und obendrein lenkt an diesem Tag auch noch die größte deutsche Bank einen erheblichen Teil des Medieninteresses auf sich. Bei den Blauen scheint für manche Zeitungen an diesem Tag mehr Fantasie drin zu sein, obwohl doch seit Monaten darüber spekuliert wurde, welche Strategie der Commerzbank-Vorstand unter seinem neuen CEO denn nun beschließen werde. Aber wesentliche Eckdaten waren ja nach einer internen Kommunikationspanne der Bank schon tags zuvor veröffentlicht worden. Also sind es schließlich nur die üblichen fünf Dutzend von der schreibenden Zunft sowie eine Reihe von Kamerateams und Fotografen, die sich versammelt haben, als es endlich losgeht.Zielke, mit Finanzvorstand Stephan Engels im Schlepptau – die anderen Vorstandsmitglieder sind nicht dabei -, betritt den Saal auf die Minute pünktlich mit einem Gesichtsausdruck, der dem Umstand geschuldet ist, dass er gleich den Abbau von brutto bis zu 9 600 Vollzeitstellen – bei McKinsey gehen neuerdings sogar 20 % – bis zum Jahr 2020 verkünden wird: Seine Miene ist bitterernst. Es bedarf des guten Zuredens der Fotografen, dass sich der 53-jährige Bankchef dann doch ein zaghaftes Lächeln entlocken lässt. Die folgenden 105 Minuten inklusive einer intensiven Frage-Antwort-Runde absolviert Zielke dann aber unverkrampft, phasenweise trotz der wenig erfreulichen Nachrichtenlage sogar betont locker und mit fortschreitender Dauer der Pressekonferenz zunehmend souverän; er verhaspelt sich kaum einmal. Den Konferenzmarathon während der Suche nach der neuen Strategie bis hin zur Aufsichtsratssitzung, der hinter ihm liegt, merkt man ihm nicht an.Aber sind wir hier überhaupt noch bei der Commerzbank, wie wir sie bisher kannten, oder schon bei einem überdimensioniert wirkenden Fintech? Allein in seiner einleitenden Rede nimmt Zielke siebenmal das Wort “Technologieunternehmen” in den Mund, sechsmal in Verbindung mit dem Adjektiv “digital”. “Die Commerzbank wird zu einem digitalen Technologieunternehmen”, “Wir werden die Möglichkeit der Digitalisierung nutzen und als digitales Technologieunternehmen alle relevanten Prozesse der Bank automatisieren”, “Alles, was in der Bank digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert werden” – so geht das in einem fort, auch in der sich anschließenden Diskussion.Von “Transformation” ist viel die Rede, das strategische Programm heißt selbstredend “Commerzbank 4.0”, und natürlich darf in diesen Zeiten des Umbruchs auch der “Digital Campus” als “Motor für den Umbau” nicht fehlen. Prozesse werden revolutioniert, “Journey-Teams” zusammengestellt, um Prozesse neu zu entwickeln und – na klar – zu digitalisieren, der Campus-Ansatz und agiles Arbeiten würden die “Time-to-Market”, also die Einführungszyklen, signifikant verkürzen. Man merkt, die Mackies haben ganze Arbeit geleistet und auch reichlich Beratersprech für die Präsentation der neuen Strategie vorgelegt. “Vorwärtsstrategie”Logischerweise versucht Zielke, Aufbruchstimmung zu verbreiten – in einem Haus, in dem an weiten Teilen der Basis angesichts des bevorstehenden personellen Kahlschlags und eingedenk der schon vorangegangenen Restrukturierungsrunden eher Endzeitstimmung herrscht. Doch er beharrt darauf: Bei der grundlegenden und – vor allem was die Arbeitsplätze angeht – tiefgreifenden Erneuerung der Bank gehe es um eine “Vorwärtsstrategie”, das Wachstumskonzept sei sehr konsistent, die Commerzbank habe beste Chancen, von den sich jetzt wirklich ändernden Spielregeln des Bankenmarktes zu profitieren. Dass die Investoren davon anscheinend noch nicht so recht überzeugt sind, lässt Zielke kalt. Marktreaktionen solle man nicht zu ernst nehmen, und für kluge Anleger biete die Commerzbank-Aktie doch im Moment “super Kaufkurse”.