WIRECARD BEANTRAGT INSOLVENZ

Vom Hoffnungsträger zum Firmenabwickler

CEO Freis arbeitet dem Sachverständigen Jaffé zu

Vom Hoffnungsträger zum Firmenabwickler

Von Stefan Kroneck, MünchenEs gibt hochinteressante und herausfordernde Berufstätigkeiten, um die deren Träger nicht beneidet werden, obwohl diese – je nach Einzelfall – dafür sehr gut dotiert werden. Dazu gehört zum Beispiel das Amt des SPD-Parteivorsitzenden. Der frühere Chef der Sozialdemokraten in der Bundesrepublik, Franz Müntefering (80), bezeichnete es einst als “das schönste Amt neben dem Papst”. Damals meinte er das zynisch angesichts der Dauerkrise der Partei.Grund zum Zynismus in eigener Sache hätte auch James Freis, der erst seit einer Woche Wirecard als CEO führt. Der Bekanntheitsgrad des Zahlungsabwicklers dürfte infolge des mutmaßlichen Bilanzbetrugs mittlerweile in Deutschland den Spitzenwert von 100 % erreicht haben. Das Dax-Mitglied dominiert seit Tagen die Schlagzeilen in den Wirtschaftsnachrichten.Gestern war für das Unternehmen wieder so ein Tag, diesmal ein ganz besonderer. Denn das von Wirecard beantragte Insolvenzverfahren wird voraussichtlich das Ende einer Firma einleiten, die vor 21 Jahren als Fintech an den Start gegangenen war. Achillesferse ComplianceHinter der eingeleiteten Insolvenz steckt vor allem Freis. Der Amerikaner trat das Amt vom gescheiterten Langzeitvorstandsvorsitzenden Markus Braun (51) Ende voriger Woche an. Der 49-jährige Jurist und Wirtschaftswissenschaftler wurde also sozusagen über Nacht Chef eines Unternehmens, das er zuvor eigentlich nur selbst aus den Nachrichten kannte. Im Frühjahr bestellte ihn der als Aufräumer angetretene Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann (54) für das eigens neu geschaffene Amt des Compliance-Chefs im Vorstand. Freis, der zuletzt für die Deutsche Börse arbeitete, war also ursprünglich dafür vorgesehen, bei Wirecard schärfer für Recht und Ordnung mittels Einhaltung von Vorschriften zu sorgen. Im Unternehmen war Letzteres eine entscheidende Schwachstelle. Denn – wie sich jetzt herausstellte – Wirecard war derart schwach auf diesem Gebiet aufgestellt, dass es vermutlich gewieften Leuten mit krimineller Energie gelingen konnte, eine lange Zeit umfangreich zu Lasten des Unternehmens und seiner Eigentümer, den Aktionären, zu betrügen. Wirecard täuschte dadurch die Anleger, die Öffentlichkeit und manipulierte den Markt, wie die Strafermittler glauben.Seiner eigentlichen Bestimmung kann der Manager mit Spitzenausbildung (Harvard University) und Spitzenreferenzen (Federal Reserve, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) nicht mehr nachkommen. Als Hoffnungsträger angetreten, musste auch er sich rasch der Kraft des Faktischen beugen. Denn die Lage von Wirecard ist offensichtlich so katastrophal, dass Freis gar keine positive Fortführungsprognose mehr abgeben konnte. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass Wirecard in Eigenregie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens weitermachen kann. Freis wird voraussichtlich zusammen mit den vom Amtsgericht München bestellten Sachverständigen, dem Insolvenzexperten Michael Jaffé, ein Konzept entwerfen, um aus der Insolvenzmasse die Gläubiger zu befriedigen. Freis arbeitet nun dem Abwickler Jaffé zu. Mehr bleibt für ihn bei Wirecard nicht mehr zu tun.