Vom IR-Manager zum Sales Representative
Vor ziemlich genau neun Jahren hat der Co-Autor dieses Beitrags an gleicher Stelle den Investor-Relations-Verantwortlichen in den Rang des stellvertretenden CFO geschrieben. Es kam anders. Die Auswirkungen der gerade überwundenen Finanz- und Wirtschaftskrise und die mithin zu beobachtenden Kurs- und Bewertungsrückgänge haben auf Seiten der Finanzvorstände und Vorstandsvorsitzenden zu einer Desillusionierung geführt: mit guter Investor Relations (IR) allein lässt sich das Wertpotenzial der eigenen Aktie nicht schnell genug heben. Folglich haben sich die Anforderungen, die viele Unternehmen an ihre Investor-Relations-Abteilung stellen, auf die Erfüllung von Pflichtaufgaben und die Rolle gleich eines Polizisten zum Regeln des Verkehrs mit Investoren, Aktionären und Analysten beschränkt. “Know Your Customer”Diese Entwicklung ist nachvollziehbar. Allerdings wird sie dem potenziell hohen Stellenwert von Investor Relations nicht gerecht. Gute Investor Relations mit strategischer Kompetenz ausgestattet, kann nachhaltig die Richtung weisen zu einer optimalen Unternehmensaufstellung und -ausrichtung sowie dazu beitragen, die unterschiedlichen Interessen verschiedener Anspruchsgruppen auszugleichen. Dabei steht nicht nur die grobe Unterteilung der Interessen von Aktionären und Investoren auf der einen Seite sowie der Beschäftigten, der Politik und letztlich der Gesellschaft auf der anderen. Schon die Interessen der Anspruchsgruppe “Kapitalmarkt” sind bei weitem nicht homogen und erfordern ein feinfühliges Management durch die Unternehmen.Das setzt jedoch neben der strategischen Kompetenz in Investor Relations eines klar voraus: “Know Your Customer”. Es war schon immer wichtig für die Investor-Relations-Verantwortlichen ihre Zielgruppen in der Kommunikation genau zu kennen. Selbstverständlich wollte man wissen, wem man in One-on-One gegenübersitzt, erst recht, wenn der Vorstand dabei ist und die knapp bemessene Zeit möglichst effizient genutzt werden sollte. Wer kennt nicht die für den IRler unangenehme Situation, wenn der eigene Vorstand offensichtlich einer Schar Praktikanten und Junior-Buy-Side-Analysten vorgesetzt wird, damit die “mal etwas über die Firma lernen” mögen. Peinlich. Da reicht es eben nicht, wenn man zu einer der besten Adressen in die City oder nach Mayfair reist. Hinter der Fassade der Kapitalanlagegesellschaft sollte man schon wissen, mit welcher Person man spricht, Praktikant oder Portfoliomanager.Aber die zeitaufwendige und besondere Kompetenz der Beziehungspflege fordernde Aufgabe ist in der Vergangenheit allzu gerne an die Intermediäre abgedrückt worden, vermutlich ist das heute noch so. Klinkenputzen ist nicht strategisch. Oder doch? Die Broker als Intermediäre haben den Unternehmen diese Aufgabe allzu gerne abgenommen. Sie haben den Zugang zu den Investoren als Vermittler von Wertpapiergeschäften, sie kennen ihre Zielgruppe ganz genau und wissen, was und wen sie wollen, welches Unternehmen und welchen Vorstand.Also liefert der Broker – Emittenten werden geködert mit super access zu Top-Investoren, angenehmem Limousinenservice und extravagantem Essen und Locations. Wenn dann IR sagt, ich möchte die und die Adresse sehen, kein Problem: zur Not macht es der Praktikant des Fonds, weil der Portfoliomanager kurzfristig verhindert war. Strategisch ist es, aus dem Asset der guten Kontakte zu den Investoren den höchsten Nutzen zu ziehen. Für die Broker ist das Profit, für das Unternehmen wäre das eine dem eigenen Geschäftsmodell und den eigenen Vorstellungen angemessene Aktionärsstruktur.Die Praktikantenerfahrung passiert dem guten IR-Manager wohl nur einmal in der Karriere, zumindest mit dem gleichen Broker. Aber das reicht. Spätestens dann wird man wohl mit dem Aufbau einer eigenen Investorendatenbank beginnen. Das ist die Grundvoraussetzung für die gezielte Investorenansprache. Mehr nicht. Was es dann braucht, um Investoren von der eigenen Aktie zu überzeugen, ist deren permanente Bearbeitung und kontinuierliche Beziehungspflege. Das ist vor allem zeitintensiv und bedarf der besonderen Fähigkeit, Menschen zu überzeugen und an sich zu binden.Ein guter IR-Manager wird sich mehr zum Vertriebler, zum KeyAccount-Manager, ja und ein Stück weit zur Rampensau entwickeln müssen. Ob die dafür erforderlichen Fähigkeiten immer so leicht zu vereinbaren sind mit den sonstigen Anforderungen an Investor Relations, darf bezweifelt werden. Dies gilt umso mehr, als die rechtlichen Anforderungen an IR gestiegen sind bei gleichzeitig zumindest gefühlter reduzierter Relevanz auf Seiten der Unternehmen. Allein das Abspulen des Pflichtprogramms – Hauptversammlung, Geschäftsbericht, Zwischenberichte, Präsentationen, Meldepflichten, Internes Reporting, und, und, und – hält eine IR-Abteilung gut auf Trab, insbesondere, wenn es sich um One-Man- oder One-Woman-Shows handelt.Es hätte schon vor der Implementierung von Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive II) einer stärkeren Ausrichtung von Investor Relations auf die Vertriebsfunktion bedurft. Aber die Annehmlichkeiten der Mittelsmänner und -frauen waren zu verlockend. Die bereitgestellten Vertriebsservices waren vermeintlich kostenlos. Warum dafür zahlen, wenn ein anderer die Rechnung übernimmt ? Das hat Abhängigkeiten geschaffen. Entzug tut schwer. Dafür sorgt nun aber der Regulator. Dabei wird das Geschäftsmodell der Broker von zwei Seiten angegriffen. Unmittelbar über die verlangte Trennung von Koppelgeschäften wie Corporate Access, Company Research und Brokerage. Mittelbar, und wahrscheinlich viel wirkungsvoller, sind auch die Kapitalanlagegesellschaften gehalten, compliancetechnisch zu dokumentieren, warum und unter welcher Vermittlung (Vergütung!) sie Zugang zu Unternehmen haben.Sind bestimmte Broker nicht auf der Vertrags- und Vergütungsliste eines Fonds, kann der Broker für einen Emittenten kein Meeting zu diesem Fonds vermitteln. Das führt letztlich zu einer starken Selektierung, wenn nicht Umgehung der Brokerfunktion auf Seiten der Investoren. Dadurch hat Mifid II den Bedarf der Customer-Relationship-Management-Aufgabe auf Emittentenseite erst so richtig offengelegt. In den Vertrieb investierenDer vertriebsorientierte IR-Manager wird in Zukunft mitnichten auf Brokerage und Research verzichten müssen. Allein werden Unternehmen in die Vertriebswerkzeuge investieren müssen, wollen sie ihre Investor-Relations-Funktion so ausstatten, dass sie auf eine optimale Aktionärsstruktur und permanenten sowie effizienten Zugang zu Eigenkapital hinwirken können. Vertriebskosten in diesem Sinne sind genauso Transaktionskosten für die Emittenten wie Ausgaben für Börsenzulassung, Publizitätsfolgepflichten und Ähnliches.Insofern sollten sich Emittenten nicht scheuen, in die Vertriebsfunktion ihrer Investor-Relations-Aktivitäten zu investieren. Dazu zählt der personelle Aufbau der IR-Abteilung, in jedem Fall die Anreicherung der Kompetenzen um Sales. Größere IR-Teams setzen sich dann aus IR-Sales-Reps zusammen, die Investoren und Research gemäß einem strategischen Ansatz aktiv steuern. Sie lassen sich nicht mehr vom Broker steuern.Kleinere IR-Teams steuern externe Vertriebler – und davon gibt es reichlich gute am Markt – genauso wie sie externes (Bezahlt)-Research organisieren. Und auch davon gibt es reichlich gutes. Auch wenn bezahltes Research bei vielen Emittenten noch auf Ablehnung stößt – war ja immer umsonst -, wird es keinen Weg da herum geben. Warum auch? Auf der Kreditseite zahlen Emittenten auch für Research und Benotung. Bezahltes Equity Research ist nicht pfui, sondern nötig, weil es potenziellen Investoren die wichtigen Finanzdaten aus Geschäfts- und Zwischenberichten in ein einheitliches, gewohntes Format überführt und diese Spread Sheets dauerhaft gepflegt werden. Gute IR nicht am Kurs messenUnd wenn schon der IR-Manager zum Sales Representative (Sales Rep) wird, dann gebt ihm oder ihr eine Quote! Verbreiterung der Aktionärsbasis durch Gewinnung von X neuen Aktionären oder Ausweitung beziehungsweise Rückführung einer bestimmten Aktionärsgruppe auf Y % des Free Floats sind beispielhaft mögliche Zielparameter. Spätestens dann wird gute IR nicht mehr nur an der Aktienkursentwicklung gemessen. Lucia Mathée, Inhaberin der MATHEE GmbH und Gundolf Moritz, Inhaber der Mirnock Consulting GmbH