Von 10 auf 863 Firmen in 25 Jahren
Londons Alternative Investment Market (AIM) war immer auch für Negativschlagzeilen gut. Doch anders als der Neue Markt der Deutschen Börse ist das Segment 25 Jahre alt geworden. Seiner Funktion als Eigenkapitalquelle für Wachstumsunternehmen kommt es auch während der Coronakrise nach.hip London – Das Londoner Wachstumssegment AIM (Alternative Investment Market) hat sich schneller als der FTSE 100 und der FTSE All Share von dem Kursrutsch erholt, den die Coronavirus-Pandemie an den Finanzmärkten auslöste. Das sorgt für gute Stimmung, wenn die London Stock Exchange Group diese Woche sein 25-jähriges Bestehen feiert. Der Neue Markt brachte es dagegen auf lediglich sechs Jahre. Zur guten Kursentwicklung trugen Firmen bei, die an der Entwicklung von Coronavirus-Tests oder Therapien für Covid-19 arbeiten. Novacyt haben sich seit Jahresbeginn mehr als verzehnfacht. Zudem trieben Goldminengesellschaften wie Greatland Gold den Markt nach oben, war das Edelmetall in der Krise doch stark nachgefragt.An Skandalen herrschte in der AIM-Geschichte kein Mangel. Zum 20. Jubiläum des Marktsegments erinnerte David Lenigas, Chairman von UK Oil & Gas Investments (UKOG), an seine dunklen Seiten, indem er einen großen Ölfund in der Nähe des Londoner Flughafens Gatwick verkündete. Vielen Anlegern dürfte Langbar International im Gedächtnis geblieben sein. Das 2003 an die Börse gebrachte Investmentvehikel brach zwei Jahre später zusammen, als sich herausstellte, dass es die vermeintlichen Assets gar nicht gab. Wilder WestenLange galt der AIM als Wildwest-Segment. Roel Campos, ein Kommissionsmitglied der US-Börsenaufsicht SEC, sorgte einst mit der Bemerkung für Aufruhr, dass es sich beim AIM um ein “Kasino” handele. 30 % der dort notierten Firmen gebe es nach einem Jahr nicht mehr. “Das fühlt sich für mich wie ein Kasino an, und ich glaube, dass Investoren es als solches behandeln werden”, sagte Campos damals. Eine Studie von Absolventen der Manchester Business School kam danach zu dem Ergebnis, dass sich die Überlebensquote der AIM-Firmen in den drei Jahren nach dem Börsengang nicht wesentlich von der nordamerikanischer Gesellschaften unterscheidet.Mittlerweile hat das Segment deutlich an Ansehen gewonnen. In den 25 Jahren seines Bestehens waren mehr als 3 800 Firmen dort gelistet, die bei ihren Börsengängen insgesamt 45,4 Mrd. Pfund einsammelten. Bei weiteren Kapitalmaßnahmen kamen weitere 72,4 Mrd. Pfund zusammen. Derzeit sind 863 Firmen am AIM notiert. Die Wirtschaftsprüfer von Grant Thornton schätzen ihren Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt des vergangenen Jahres auf 33,5 Mrd. Pfund. Wie aus einer vom Börsenbetreiber LSEG in Auftrag gegebenen Studie hervorgeht, beschäftigen sie mehr als 430 000 Menschen. Die von den Firmen gezahlten Steuern beziffern die Verfasser mit 3,2 Mrd. Pfund. Nimmt man die indirekten Beschäftigungseffekte wie die Auswirkungen auf Zulieferer und die von den Mitarbeitern ausgegebenen Löhne und Gehälter mit dazu, kommen sie auf mehr als 900 000 Stellen und einen Beitrag zum BIP von 67,2 Mrd. Pfund.Vor 25 Jahren ging das Segment mit gerade einmal zehn Unternehmen an den Start. Von den 121 Börsenneulingen des Jahres 1995 sind nur noch 14 Firmen am AIM notiert (siehe Tabelle).Zu den bekannteren Namen am Marktsegment gehören der Online-Modehändler Asos (ursprünglich: As Seen On Screen), der Getränkehersteller Fever-Tree und Domino’s Pizza. Geht es nach der Kursentwicklung, ist der Broker Numis die größte Erfolgsgeschichte.