GASTBEITRAG

Von Bankern und Journalisten: Anfänge einer Beziehungsgeschichte

Börsen-Zeitung, 20.5.2017 Längst haben auch Finanzinstitute das Potenzial der sozialen Medien entdeckt und suchen es für ihre Unternehmensstrategie zu nutzen. Medien wie Facebook, Youtube, Twitter oder auch Apps eröffnen Banken völlig neue...

Von Bankern und Journalisten: Anfänge einer Beziehungsgeschichte

Längst haben auch Finanzinstitute das Potenzial der sozialen Medien entdeckt und suchen es für ihre Unternehmensstrategie zu nutzen. Medien wie Facebook, Youtube, Twitter oder auch Apps eröffnen Banken völlig neue Kommunikationskanäle zu ihren Kunden. Dass es bei der Öffentlichkeitsarbeit jedoch nicht nur auf zielgruppengerechte Medien, sondern auch auf den richtigen Umgang mit ihnen ankommt, ist kein neuartiges Phänomen und ebenso wenig eine junge Erkenntnis der Finanzinstitute. Grundlagen gelegtBereits im ausgehenden 19. Jahrhundert griff in den Direktorenzimmern der großen Bankhäuser die Einsicht Platz, dass für ein prosperierendes Bankgeschäft die richtigen Kontakte zur Presse und ihren Vertretern, den Journalisten, von eminenter Bedeutung seien. Das 19. Jahrhundert legte die Grundlagen für dieses Wechselverhältnis. Es brachte den Finanzsektor mit dem ersten Massenmedium überhaupt, der Presse, in Berührung und förderte eine Beziehung gegenseitigen Nutzens zwischen beiden Sphären, die, bald schon unauflösbar, bis in unsere Gegenwart fortwirkt.Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts steht sowohl mit Blick auf die Medien- als auch auf die Bankengeschichte für eine Zeit tiefgreifenden Wandels. Neben traditionsreiche Privatbankhäuser treten seit den 1850er Jahren kapitalstarke Kreditbanken und Universalbanken. Sie waren nicht nur Folge, sondern auch Motor einer fortschreitenden Marktvergesellschaftung, die immer mehr Menschen mit dem Banken- und Börsensektor in Berührung brachte und die in der Popularisierung des Aktienbesitzes und der “Demokratisierung der Staatsanleihe” (Hans Rosenberg) am Auffälligsten begegnet. Parallel zu dieser soziostrukturellen und institutionellen Veränderung des Finanzsektors entstand mit dem Aufkommen von Finanz- und Börsenzeitungen und der Einrichtung eigener Wirtschaftsteile in der Tagespresse zur gleichen Zeit erstmals in der Geschichte eine medienvermittelte, ortsungebundene Öffentlichkeit, in der finanziell relevante Ereignisse und Entwicklungen interpretiert und diskutiert wurden. Zur Jahrhundertwende lassen sich reichsweit bereits rund 40 auf das Börsen- und Finanzsegment spezialisierte Zeitungen und Zeitschriften nachweisen, darunter die Berliner Börsen-Zeitung (1855) und der Berliner Börsen-Courier (1868), um einige der Wichtigeren zu nennen. Hinzu kamen die stark rezipierten Wirtschaftsteile namhafter Tageszeitungen, so der Frankfurter Zeitung, der Vossischen Zeitung oder des Berliner Tageblatts. Mit ihren fachkundigen Kommentaren, tagesaktuellen Börsenberichten und telegraphischen Meldungen schufen Finanzjournalisten und Börsenreporter eigene “Medienwirklichkeiten”, die ihrerseits auf das “reale” Finanzmarktgeschehen zurückwirken konnten.Waren die Beziehungen zwischen dem Privatbankier Bleichröder und der Presse häufig noch sehr informeller Art – der Bankier empfing nur ausgewählte Journalisten und diese kamen nicht nur zum Zweck der Nachrichtenbeschaffung, sondern auch, um geschäftliche Angelegenheiten zu erörtern, da sie mitunter zugleich Geschäftskunden des Hauses waren -, so formalisierten sich diese Beziehungen mit den modernen Großbanken zum Ende des Jahrhunderts, bei denen Journalisten nicht mehr so sehr von privatem Wohlwollen des Bankiers abhängig waren. Anbahnung der KontakteDie Presse war um 1900 keine Bittstellerin mehr und Öffentlichkeit zu einer Zeitforderung geworden, der sich kaum ein Unternehmen verschließen konnte. Diesen Erfordernissen der pressemedialen Moderne begegneten Finanzinstitute schließlich auf organisationsstruktureller Ebene mit der Einrichtung sogenannter “Volkswirtschaftlicher Büros” zur Jahrhundertwende. Sie waren nicht nur mit der systematischen Auswertung der Presse betraut, sondern entwarfen auch Pressemitteilungen (Waschzettel), anfangs meist nur im Zusammenhang mit der Neuemission eines Wertpapieres, oder verfassten Repliken auf fehlerhafte bzw. falsche Pressemeldungen – sie können damit als Vorläufer der modernen PR-Abteilungen gesehen werden, wie sie für das 20. Jahrhundert kennzeichnend werden sollten.Neben diesen neu geschaffenen Institutionen im Bankbetrieb waren es vor allem auch Normvorstellungen, die die Beziehungen von Bankern und Journalisten strukturierten. Noch bis in die 1870er Jahre schien kaum jemand Anstoß daran genommen zu haben, dass Vertreter der Presse zugleich in Börsengeschäfte verwickelt waren, dass sie bisweilen von Bankhäusern im Zuge einer Neuemission Beteiligungen erhielten und sie damit zu Besitzern jener Wertpapiere wurden, über deren Solidität sie im redaktionellen Teil der Zeitung ihr Urteil abzugeben hatten.Nach dem Börsenkrach von 1873, der auch als eine Folge solcher, für das Anleger- und Leserpublikum gefährlicher Interessenverschränkungen wahrgenommen wurde, setzte erstmals eine öffentliche Sensibilisierung ein, mit der die Frage verknüpft war, wie ein ethisch korrektes Verhalten im Interaktionsfeld von Journalismus und Finanzsektor auszusehen hatte. Bereits das Reichsbörsengesetz von 1896 hatte Zahlungen von Finanzinstituten an Journalisten verboten, die “in auffälligem Missverhältnis zu der Leistung” standen (§ 78) – eine, aufgrund ihrer Dehnbarkeit gleichwohl wenig praktikable Bestimmung. Berufsethos formulierenNach 1900 machten sich Journalisten schließlich in Vereinsresolutionen an die Kodifizierung eines finanzjournalistischen Berufsethos, der für alle Standeskollegen Verbindlichkeit beanspruchte und es mit der “Standesehre der Presse” als unvereinbar ansah, wenn sich Journalisten, “unter dem Vorwand eines Honorars von den Banken, deren Emissionen sie zu kritisieren haben, kleine oder große Beträge bezahlen lassen”. Eine Professionalisierung der Beziehungen von Presse und Finanzsektor setzte ein, in deren Verlauf Finanzjournalisten einen “code of ethics” ausbildeten, den fortan auch Finanzinstitute im Umgang mit ihnen zu berücksichtigen hatten. Diesen Weg einer “freiwilligen Selbstkontrolle” setzte die Presse bis ins 21. Jahrhundert fort.Kein Journalist, so will es die Leitlinie zur Finanzberichterstattung, die der Deutsche Presserat 2006 verabschiedete, darf Berichte über Wertpapiere publizieren in der Absicht, sich durch die Kursentwicklung zu bereichern, noch darf er Wertpapiere kaufen oder verkaufen, über die er in den vergangenen zwei Wochen geschrieben hat oder in den folgenden zwei Wochen etwas zu veröffentlichen gedenkt. Während die Reputation des Finanzjournalismus bereits seit den Jahren um 1900 mit der moralischen Integrität seiner Vertreter steht und fällt, ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts auch auf Seiten der Finanzinstitute ein Umgang mit der Presse zur Gewohnheit geworden, der von Respekt und Anerkennung zeugt. Er erscheint heute zugleich als Teil einer Unternehmensstrategie, die moralisches Verhalten als einen zentralen Faktor der Außendarstellung begriffen hat und sich, so das Kalkül des Unternehmens, einst auszahlen wird.—-Robert Radu bearbeitete dieses Thema für die Eugen-Gutmann-Gesellschaft e.V., die Historische Gesellschaft der Commerzbank.—-Robert Radu, Historiker an der Universität Stavanger