Von der Notenbank zur Förderbank und zurück
Von Bernd Wittkowski, FrankfurtDen 25. Mai sollten sich alle, die zum einen an der finanziellen Zusammenarbeit Deutschlands mit Entwicklungs- und Schwellenländern und zum anderen ganz allgemein an Banken- und Notenbankpolitik interessiert sind, schon mal rot im Kalender markieren. An jenem Montag werden KfW-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Joachim Nagel und Christiane Laibach, die Vorsitzende der Geschäftsführung der KfW-Tochter DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, den Medien über die Entwicklungszusammenarbeit im vorigen Jahr berichten und einen Ausblick nicht zuletzt mit Fokus auf die Folgen der Corona-Pandemie für Entwicklungsländer geben. Das ist schon wegen dieser Themen per se ein absolut spannender Termin – umso mehr, als die Bundesregierung, wie dieser Tage zu lesen war, die Entwicklungszusammenarbeit neu ausrichten und sich aus einer Reihe von Ländern zurückziehen will. Vertrag gerade verlängertDas Pressegespräch dürfte aber darüber hinaus auch deswegen von besonderem Interesse sein, weil es eine der letzten Gelegenheiten sein wird, Joachim Nagel in seiner heutigen Funktion zu erleben, wenn auch nur in einer Telefonkonferenz. Denn das ehemalige Vorstandsmitglied der Bundesbank wird das von Bund und Ländern getragene Förderinstitut Ende Oktober nach nur vier Jahren, die ersten zwölf Monate davon als Generalbevollmächtigter, schon wieder verlassen, um in die Welt der Notenbanken zurückzukehren.Das kommt schon insofern überraschend, als der KfW-Verwaltungsrat den Vertrag mit dem 53-jährigen Nagel erst im Dezember um fünf Jahre bis Ende Oktober 2025 verlängert hatte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz als damaliger Verwaltungsratsvorsitzender und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier als sein Vize (inzwischen haben beide die Rollen bei der KfW turnusmäßig getauscht) hatten Nagel bei der Gelegenheit bescheinigt, in seiner Verantwortung für internationale Finanzierung (Förderung von Entwicklungs- und Schwellenländern sowie Export- und Projektfinanzierung) erfolgreich wichtige Projekte und Initiativen vorangetrieben zu haben. Beispiele sind die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit Afrika, der Ausbau der Export- und Projektfinanzierung sowie die Erhöhung der Transparenz vor allem bei Umwelt- und Sozialstandards.Doch in Nagels Adern fließt ganz offensichtlich so viel Notenbankerblut, dass er – wiewohl bei der KfW mit seinen Aufgaben erkennbar alles andere als unglücklich – einem für ihn überaus verlockenden Angebot einfach nicht widerstehen konnte. Nach Informationen der Börsen-Zeitung wurde der Verwaltungsrat der KfW darüber informiert, dass Nagel zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) nach Basel wechseln möchte. Bei der “Bank der Zentralbanken” soll er als Deputy Head of Banking Mitglied des Executive Board werden. An der Spitze der Bankenabteilung steht seit Mai 2013 der Österreicher Peter Zöllner (62). Den Vorsitz des BIZ-Verwaltungsrats hat übrigens kein Geringerer als Bundesbankpräsident Jens Weidmann inne, mit dem Nagel seit langem auf derselben Wellenlänge funkt.Für die KfW, in der sich das bevorstehende Ausscheiden des Vorstandsmitglieds am Mittwoch offenbar noch nicht groß herumgesprochen hatte, bedeutet der Weggang Nagels einen herben Verlust. Der gebürtige Karlsruher, dem 2017 von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in seiner Heimatstadt in Würdigung seines Wirkens als Lehrbeauftragter (Schwerpunkt “Geld und Währung”) eine Honorarprofessur verliehen wurde, war bei der Frankfurter Förderbank nicht nur als Koryphäe in einer großen Bandbreite von Bank- und Kapitalmarktthemen, sondern auch dank seiner sozialen Kompetenz “angekommen”. Er erfreut sich einer allseits dementsprechend hohen Wertschätzung.Nagels fünf Vorstandskollegen bei der KfW dürften mithin, ebenso wie Bund und Länder als Eigentümer der Bank, seinen Wechsel in höchstem Maße bedauern, wobei sich gegen die tief im Herzen sitzende Maxime “Einmal Notenbanker, immer Notenbanker” argumentativ wohl wenig ausrichten lässt und man ihm seine zweifellos spannende neue Aufgabe gewiss auch gönnen wird. Nicht von ungefähr gehörte Nagel im Auftrag des Bundesfinanzministeriums als Vertreter Deutschlands einer hochrangig besetzten internationalen Expertengruppe an, die im vorigen Jahr einen Bericht zur Weiterentwicklung der europäischen Kapitalmarktunion vorgelegt hat.Formal muss noch der Präsidialausschuss des KfW-Verwaltungsrats der Aufhebung des bereits geschlossenen neuen Vertrags mit Nagel zustimmen. Es ist indes kaum anzunehmen, dass man ihm, der früher schon in anderen Gremien der BIZ mitgewirkt hat, Steine in den Weg legen wird. Zumal es ja auch eine Ehre für Deutschland bedeutet, mit einer so erfahrenen und anerkannten Autorität im Management der Baseler Institution vertreten zu sein. Reihe von MandatenNagel, dessen Berufsweg nach Abschluss des Studiums als Diplom-Volkswirt und der Promotion, jeweils an der TH Karlsruhe, 1999 bei der Bundesbank begonnen hat (wo er dann 2010 als Leiter des Zentralbereichs Märkte den Aufstieg in den Vorstand schaffte), nimmt eine Reihe von Mandaten und Ehrenämtern wahr. In der KfW-Gruppe ist er Aufsichtsratsvorsitzender des Projekt- und Exportfinanzierers KfW Ipex-Bank und Erster stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der DEG. Extern gehört er unter anderem dem Aufsichtsrat der Deutschen Börse an und ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins sowie Erster Vorsitzender des Diskussionskreises Monetärer Workshop.