IM GESPRÄCH: MARK KLEIN, ERGO

Von Ökosystemen und Jürgen Drews

Digitalchef der Munich Re-Tochter geht zielgerichtet vor - Nach Mobilität rückt Rechtsschutz ins Visier

Von Ökosystemen und Jürgen Drews

Digitalchef Mark Klein setzt bei der Ergo auf den Aufbau von Ökosystemen. Nach dem Thema Mobilität – der Versicherer hat sich unter anderem an einem Milliarden-Start-up in den USA beteiligt – denkt Klein über einen neuen Fokus auf Rechtsschutz nach. Auch Digitalversicherer Nexible soll sich ausdehnen.Von Antje Kullrich, DüsseldorfDie komplexe IT im eigenen Haus bereitet Generationen von Ergo-Managern seit fast zwei Jahrzehnten Kopfzerbrechen, doch in Sachen Digitalisierung will die Munich-Re-Tochter ihre Schwerfälligkeit loswerden. Der Mann, der es richten soll, hatte vor fünf Jahren noch herzlich wenig Ahnung von der Assekuranz. Mark Klein hatte als Berater, Venture-Investor und Telekom-Manager Karriere gemacht und zuletzt T-Mobile in den Niederlanden geführt. Dann holte ihn Ergo-Chef Markus Rieß im Herbst 2016 nach Düsseldorf.Die vor knapp drei Jahren vorgestellte Digitalstrategie gewinnt allmählich Konturen. Die Ergo geht fokussierter vor als andere Versicherer und beschäftigt sich inhaltlich vor allem mit einem Bereich: Mark Klein hat sich auf das Thema Mobilität gestürzt und baut gerade ein Netzwerk – im Digitaldeutsch: Ökosystem – auf. In den vergangenen Monaten ist es beträchtlich gewachsen. Dazu gehören nicht nur Partnerschaften, sondern auch Kapitalbeteiligungen. Im November investierte Ergo in das US-Start-up Ridecell, das eine Plattform für Carsharing-Anbieter zur Verwaltung ihrer Geschäfte gebaut hat. Bei Ridecell tummeln sich eine Reihe weiterer prominenter Investoren wie die Deutsche Bahn, LG, Sony oder BNP Paribas.Anfang 2019 stieg der Versicherer auch bei Fair.com ein, die bereits mit mehr als 1 Mrd. Dollar bewertet wird. Das Start-up bietet flexibles Leasing von Gebrauchtwagen an, Mitgründer ist der ehemalige BMW- und Tesla-Manager Georg Bauer. Wenn das bisher in den USA tätige Unternehmen wie geplant nach Europa kommt, ist Ergo Versicherungspartner. Partner Ford, Volvo, BMW”Weitere Beteiligungen sind möglich”, sagt Mark Klein im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Mit 100 Mill. Euro ist der Ergo-Corporate-Venture-Fonds im vergangenen Jahr ausgestattet worden. Kooperationen existieren außerdem mit Ford, Volvo und seit kurzem auch mit BMW für eine On-Demand-Versicherung, wenn Autofahrer auf Rennstrecken wie dem Nürburgring fahren wollen.Die Ergo gehört nicht zu den größten Kfz-Versicherern in Deutschland, doch das ist für Klein kein Problem. Mobilität sei ein Bereich, in dem sich gerade sehr viel verändere und auch die Rolle von Versicherern neu definiert werde. Hier sehe die Ergo für sich Chancen.Klein denkt auch über den Aufbau eines weiteren Ökosystems nach. “Wir schauen uns auch das Thema Rechtsschutz an. Das hat Potenzial. Im Bereich Legaltech passiert gerade viel.” Mit der D.A.S betreibt Ergo bereits einen der marktführenden Rechtsschutzversicherer und könnte damit auf viel Know-how im eigenen Konzern zurückgreifen. Nexible expandiertEin weiterer Baustein in Kleins Digitalstrategie heißt Nexible. Der 2017 gegründete digitale Kfz-Versicherer hat mittlerweile 50 000 Kunden. Gerade erschließt sich das Unternehmen mit Österreich den ersten ausländischen Markt. “Nexible ist ein Experiment mit Potenzial”, sagt Klein. Jetzt stelle sich die Frage, wie es zu schaffen sei, den Wachstumspfad weiterzuführen. Noch in diesem Jahr soll mit einer Reiseversicherung ein weiteres Produkt auf den Markt kommen, eine weitere Ausdehnung der Geschäftsaktivitäten ist geplant. “Wir gucken uns weitere Produkte an, aber eine Entscheidung ist noch nicht getroffen”, sagt Klein. Auch einfache Lebensversicherungspolicen wie Risikolebensversicherungen hält er prinzipiell für möglich. “Wir gucken uns auch weitere Märkte an, wobei der Fokus auf Europa liegt.” Einstellige KostenquoteLaut Klein behält Ergo die Profitabilität des neuen Digitalversicherers bei allen Wachstumsinvestitionen im Blick: “Es gibt die ganz klare Erwartungshaltung, mittelfristig den Break-even zu schaffen.” Nexible peilt eine Kostenquote im einstelligen Bereich an. Teure Fernsehwerbung wird nicht geschaltet, das Unternehmen nutzt praktisch ausschließlich Social Media. Ein Youtube-Werbeclip mit Jürgen Drews, dem selbst ernannten König von Mallorca, hatte 5,5 Millionen Abrufe, was Klein als Erfolg wertet.Während Konkurrent Friday, ein von der Baloise aufgebauter digitaler Kfz-Versicherer, jüngst mit einer gut 100 Mill. Euro schweren Finanzierungsrunde von sich reden machte, hält sich die Ergo mit Budget-Angaben zurück. Finanzierungsrunden mit externen Investoren gibt es nicht. Nexible sei ein Spin-off, kein Start-up, sagt Klein. Wie viel Ergo in ihren Digitalversicherer investiert, sagt das Unternehmen nicht. Für Ökosysteme und Digitalversicherer insgesamt aber gilt: Bis die neuen Aktivitäten zum Geschäftsvolumen des Milliardenkonzerns Ergo signifikant beitragen, wird es – sofern es überhaupt gelingt – noch einige Zeit dauern.