Cum-ex-Prozess

Von Schein­rechnungen und Strohmann­geschäften

Im Cum-ex-Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden setzt sich der Angeklagte Hanno Berger gegen der Vorwurf zur Wehr, er habe an von ihm beratenen Geschäften unverhältnismäßig verdienen wollen.

Von Schein­rechnungen und Strohmann­geschäften

Von Thomas List, Wiesbaden

Am Ende wurde es dann doch noch lebhaft. Nachdem der im Cum-ex-Prozess vor dem Landgericht Wiesbaden angeklagte Hanno Berger seit 9.40 Uhr sich im Monolog zu diversen Punkten eingelassen hatte – und dabei nur von einer kurzen Kaffeepause und einer etwas längeren Mittagspause unterbrochen wurde –, kam es 20 Minuten vor Schluss des Verhandlungstages zu einem Schlagabtausch mit der Staatsanwaltschaft.

Ausgangspunkte waren die Vorwürfe der Mittäterschaft und des berufsuntypischen Verhaltens, die der Angeklagte vehement zurückwies. Die Vorsitzende Richterin Kathleen Mittelsdorf fragte daraufhin nach der Gegenleistung von zwei Rechnungen über insgesamt 2,3 Mill. Euro, die der inzwischen verstorbene Immobilienunternehmer Rafael Roth an eine von Berger gegründete Gesellschaft gezahlt hatte. Um Cum-ex-Geschäfte der Rafael Roth Financial Enterprises (RFE) geht es in diesem Prozess (Az: 6 KLs-1111 Js 18753/21). Berger erklärte, es handele sich um Leistungen „komplementär zur Beratung“, es sei zwar getrennt abgerechnet worden, es habe aber „immer eine Verklammerung mit der Sozietät“ gegeben. Die Leistung selbst habe aus der Nutzung seines Netzwerkes be­standen, konkret zum Schweizer Bankhaus Sarasin, das dann letztlich doch nicht die Cum-ex-Geschäfte mit der RFE machte, sondern die HypoVereinsbank. Der Staatsanwalt fragte hier mehrfach nach, ebenso wie die Richterin, worin denn nun tatsächlich die Leistung für diesen nicht unbeträchtlichen Betrag bestanden habe. Schließlich äußerte der Staatsanwalt den Verdacht, dass Berger mit der „Scheinrechnung“, wie er sie nannte, an dem Cum-ex-Geschäft mitverdienen wollte. Berger wies den Vorwurf des Scheingeschäftes vehement zu­rück und sprach stattdessen von einem „wirksamen Strohmanngeschäft“.

Bevor dann die Sitzung um 14.55 Uhr auf den Freitag vertagt wurde (dann wird sich Berger erneut ganztägig zu Einzelpunkten und ver­waltungsinternen Stellungnahmen äußern, wie er ankündigte), wies er den Vorwurf der Mittäterschaft mit der Bemerkung „Ich habe nicht beim Trading mitgewirkt“ zurück.

Den Verhandlungstag eröffnete der Angeklagte, der vom Landgericht Bonn im Dezember 2022 nicht rechtskräftig in einem anderen Cum-ex-Verfahren zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, mit einer „plakativen Skizze“ der Themen, die er behandeln wollte – was die Vorsitzende Richterin zu dem Hinweis veranlasste, die Einlassungen sollten sich auf Tatsachen beziehen. Berger begann dann mit drei Beweisanträgen. Der hessische Finanzminister Michael Boddenberg soll vor Gericht bestätigen, dass es bis 2014 keine einheitliche Meinung in der hessischen Finanzverwaltung zu Paragraf 44 Absatz 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz gegeben habe. Darin geht es um die Entrichtung der Kapitalertragsteuer. Verkompliziert wird die Sache dadurch, dass der Passus mehrfach vom Gesetzgeber geändert wurde, zum Tatzeitpunkt 2006 bis 2008 also eine andere Fassung galt als heute.

In den beiden anderen Beweisanträgen geht es um die Abwicklung von börslichem und außerbörslichem Geschäft sowie um die Frage, zu welchem Zeitpunkt das wirtschaftliche Eigentum an Wertpapieren übergeht. Daran hänge die von Berger formulierte Auffassung des Gerichts, er habe einen fehlenden Steuereinbehalt bewusst ausgenutzt, was vom Gesetzgeber nicht gebilligt sei. Für Berger und von ihm zitierte Kommentatoren ist hingegen klar, dass es eine „Freiheit vor unvollkommenen Gesetzen“ gibt, der Steuerpflichtige also in diesem Falle steuerliche Mängel ausnutzen dürfe.

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