Vorhandensein einer Finanzierungsstrategie unerlässlich

Fortwährende Überprüfung ist essenziell - Transparenz und Planungssicherheit herstellen

Vorhandensein einer Finanzierungsstrategie unerlässlich

Nachdem die Finanzmarktkrise nicht nur die Anlagemärkte, sondern vor allem auch die Finanzierungsmärkte nachhaltig verändert hat, sehen sich heute viele Unternehmen zunehmend mit der Aufgabe konfrontiert, ihre Finanzierung an sich ständig verändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Fremdkapital ist für viele Unternehmen kein allzeit verfügbares Gut mehr. Vielmehr sind Finanzierungen inzwischen einer Vielzahl an Reglementierungen, Bedingungen, Anforderungen und Neuerungen unterworfen, die die Kapitalbeschaffung zunehmend komplexer werden lassen. “Marktfenster” nutzenNeue Akteure treten als potenzielle Partner auf den Markt, während wiederum andere verschwinden. Finanzierungsinstrumente werden vielfältiger und komplexer. Sogenannte “Marktfenster” öffnen sich und müssen – gut vorbereitet – genutzt werden, bevor sie sich wieder schließen. Unternehmen müssen daher mehr denn je Liquiditätserfordernisse und Kapitalbedarf rechtzeitig erkennen und Finanzierungsprozesse (unabhängig davon, welches Vorhaben diesen Prozessen zugrunde liegt) so frühzeitig wie möglich beginnen. Das Thema “Readiness” gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dies impliziert, dass sich Unternehmen vermehrt auch mit Grundsatzfragen zur strategischen Ausrichtung der Unternehmensfinanzierung beschäftigen müssen. Die Entwicklung einer nachhaltigen und tragfähigen Finanzierungsstrategie ermöglicht es, einen klaren Rahmen für Finanzierungsfragen zu schaffen und so Transparenz und Planungssicherheit herzustellen.Die Mehrzahl der Unternehmen richtet ihr Handeln nicht an einer formellen Finanzierungsstrategie aus. Finanzierungsentscheidungen werden meist situativ, als Reaktion auf gegebene Bedingungen, getroffen. Grundsätzlich bietet dieses Vorgehen einem Unternehmen zunächst einmal mehr Flexibilität als die Ausrichtung der Finanzierung an einer definierten Strategie mit klaren Richtlinien. Entscheidender Nachteil dieser Herangehensweise ist jedoch, dass wichtige Fragestellungen immer neuen Diskussionen und im Folgenden einem Entscheidungsprozess unterworfen werden müssen.Mangelnde Transparenz in Bezug auf finanzielle Spielräume und Planungssicherheit sowie im Zeitablauf teils widersprüchliche Denk- und Handlungsweisen können die Folge sein. Dabei sind ausreichend freie und verfügbare Kreditmittel sowie eine ausgewogene Kapital- und Fälligkeitenstruktur essenziell für die dauerhafte Erhaltung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit. Das Vorhandensein und die fortwährende Überprüfung einer Finanzierungsstrategie sind aus diesem Grund unerlässlich.Primäres Ziel einer jeden Unternehmung, sei es mittelständisch geprägter Betrieb oder international agierender Großkonzern, ist neben profitablem Wachstum vor allem auch der dauerhafte Erhalt der Finanzierungssicherheit, da dies die Grundlage ist, um übergeordnete Unternehmensziele zu verwirklichen. Dabei ist es ratsam, stets Wert auf ein kaufmännisch gesundes Finanzierungsverhältnis zu legen und auf eine langfristige, stabile und ausgewogene Finanzierung zu setzen. Eine Finanzierungsstrategie definiert sowohl Methodik als auch erforderliche Parameter zur Erreichung größtmöglicher finanzieller Sicherheit.Will ein Unternehmen eine sinnvolle, spezifische und widerspruchsfreie Finanzierungsstrategie verfolgen, ist im Vorfeld die Definition zentraler Eckpunkte dieser Strategie erforderlich. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die übergeordnete strategische Unternehmensausrichtung. In Abhängigkeit davon definiert das Management Wachstumsziele und -pfade, Investitionsvorhaben, Umstrukturierungspläne sowie unter Umständen auch Restrukturierungsnotwendigkeiten. Auf dieser Basis sind entsprechende finanz- und ertragswirtschaftliche Steuerungskriterien zu bestimmen, die es dem Management ermöglichen, die Realisierung der Unternehmensstrategie zu verfolgen.Die mittelfristige Unternehmensfinanzplanung quantifiziert die vom Management definierten strategischen Ziele und Maßnahmen. Sie enthält im Idealfall alle zum Zeitpunkt der Erstellung bekannten finanzierungsrelevanten Sachverhalte und gibt somit den Finanzbedarf des Unternehmens über einen definierten Zeitraum wieder. Der Finanzbedarf ist jedoch unter keinen Umständen als statische Größe zu sehen. Vielmehr verändert er sich laufend aufgrund von sich ändernden Einflussfaktoren (zum Beispiel Absatzentwicklung, Preisdynamiken, Verfügbarkeit ausgewählter Finanzierungsprodukte). Grundsätzlich müssen einem Unternehmen zu jeder Zeit ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die korrespondierenden strategischen Unternehmensziele erreichen zu können. Was es zu beachten giltAufbauend auf der Feststellung des Finanzierungsbedarfs ist ein entsprechendes Deckungskonzept zu entwickeln. Neben Volumen, Dauer und Zeitpunkt des Finanzierungsbedarfs sind auch Überlegungen in Bezug auf Fristigkeits- und Fälligkeitsstruktur sowie zu möglichen Finanzierungsinstrumenten und -partnern anzustellen. Für die Auswahl möglicher Finanzierungsinstrumente und -partner sind Mindestanforderungen zu definieren und Ausschlusskriterien festzulegen. So schließen beispielsweise viele inhabergeführte Familienunternehmen die Emission einer Anleihe am Kapitalmarkt aufgrund einer übergeordneten Geschäftspolitik zur Verschwiegenheit in Bezug auf Finanzinformationen aus.Ferner sind mittelständisch geprägte Unternehmen möglicherweise eher skeptisch in Bezug auf alternative Kapitalgeber wie beispielsweise Debt Funds oder andere alternative Kapitalgeber. Auch bei der Definition von möglichen Finanzierungsinstrumenten und -partnern handelt es sich keineswegs um eine statische Betrachtung, die, einmal definiert, keine Anpassungen mehr ermöglicht, und sind fortwährend zu überwachen bzw. bedarfsgerecht an aktuelle Entwicklungen anzupassen.Vor der praktischen Strukturierung der Finanzierung empfiehlt sich auch ein Blick auf die Ratingklasse, also die eigene Bonität aus Sicht eines Finanzierers. So wird eine zu deutliche Differenz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung vermieden, die in Verhandlungen häufig zu Komplikationen führt. Forderungen von Banken können antizipiert und Lösungen proaktiv gesucht werden.Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Unternehmen zur Absicherung ihrer strategischen Ziele über eine klare Finanzierungsstrategie sowie über Finanzierungsgrundsätze verfügen sollten. Sie bilden den Rahmen für die Finanzierbarkeit und Rentabilität von Investitionsvorhaben und Managemententscheidungen jedweder Natur. Ausgehend davon lassen sich vier Eckpunkte einer Finanzierungsstrategie definieren. Neben der Festlegung von Steuerungsgrößen und der Quantifizierung des Finanzbedarfs sind vom Unternehmen mögliche Finanzierungsinstrumente und -partner zu definieren. Zentrale Herausforderung für das Management ist dabei, die miteinander in Konkurrenz stehenden Anforderungen an Liquidität, Rentabilität, Unabhängigkeit und Sicherheit in Einklang zu bringen.Die heutige Volatilität der Märkte erfordert dabei jederzeit aktuelle und breite Marktinformationen und das Wissen um Vergleichstransaktionen. In der Praxis bilden die Aufstellung von alternativen Finanzierungslösungen in Form eines “Plan B” sowie eine erfahrene Hand in der Verhandlung häufig die wichtigsten Bausteine des Erfolgs.—Von Thomas Dorbert, Partner und Head of Debt Advisory bei KPMG, Frankfurt am Main