BANKEN UND FINANZEN

Vorteil durch Kreditplattformen

Finanzverbünde forcieren Wachstum und Effizienz in der privaten Wohnbaufinanzierung - Zuversicht für Immobilienmarkt

Vorteil durch Kreditplattformen

Von Carsten Steevens, HamburgEine Baufinanzierung ist für die meisten Menschen die größte finanzielle Entscheidung ihres Lebens. Rund 95 % der Finanzierungen werden noch in einem persönlichen Gespräch mit einem Berater abgeschlossen, wie Peter Magel, Vertriebsvorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall feststellt. Allerdings: Abgeschlossen werden die Verträge für Wohnimmobilienkredite zunehmend mit digitaler Unterstützung. Mehr als 90 % der Neuabschlüsse im Bereich Finanzdienstleistungen würden inzwischen von einer Online-Recherche begleitet. Persönlich und digital seien also kein Widerspruch mehr, sagt Magel. Die Corona-Pandemie beschleunige den Trend noch: Videokonferenzen seien vielen Menschen inzwischen auch aus ihrem beruflichen oder sogar privaten Umfeld vertraut. Die Akzeptanz digitaler Beratung sei deutlich gestiegen. Hinzu komme die wachsende Bedeutung von Plattformen.Die DZ-Bank-Tochter, deren Neugeschäftsvolumen in der Baufinanzierung im bisherigen Rekordjahr 2019 bei 16,7 Mrd. Euro lag, erwartet, dass 2025 jede zweite Baufinanzierung über eine Plattform abgeschlossen wird. Im Jahr 2019 war es jede dritte. Um den Marktanteil der genossenschaftlichen Finanzgruppe am stark wachsenden Baufinanzierungsgeschäft über Plattformen und freie Vermittler zu erhöhen, gründete die Bausparkasse Schwäbisch Hall 2018 gemeinsam mit dem Technologieunternehmen Hypoport Baufinex.Bei der Gründung dieses digitalen Marktplatzes für Baufinanzierungen wurden Erfahrungen mit der 2008 entstandenen Genopace genutzt, der von den initiierenden Volksbanken Düsseldorf Neuss und Münsterland Nord gemeinsam mit zentralen Verbund- und Produktpartnern der Genossenschaftsgruppe sowie Hypoport realisierten Plattform für die private Wohnbaufinanzierung. Dazu gehörten etwa ein plattformgeeignetes Produktportfolio oder einfache Kreditprüfungs- und Bearbeitungsprozesse. Die Entwicklung zeige, dass Baufinex am Markt gut angenommen werde, heißt es in Schwäbisch Hall. Im abgelaufenen Jahr (bis 30. November) seien bereits rund 2,4 Mrd. Euro an Baufinanzierungsvolumen vermittelt worden. Auf weiteres Wachstum sei man, so unterstreicht die Bausparkasse, mit einer stabilen und skalierbaren IT-Infrastruktur eingestellt.Beide, Genopace und Baufinex, unterstützen Genossenschaftsbanken beim Aufbau und bei der Verbesserung ihres digitalen Baufinanzierungsgeschäfts. Genopace bietet die Finanzierungsplattform für Genossenschaftsbanken und begleitet sie mit spezifischer Expertise bei der Erschließung des Plattformgeschäfts. Dies schafft Grundlagen, um auch als Baufinex-Partnerbank erfolgreich zu agieren: Beispielsweise durch ein plattformgeeignetes Produktportfolio und effiziente Kreditprüfungs- und Bearbeitungsprozesse. Baufinex vernetzt als digitaler Marktplatz ungebundene Immobilienfinanzierungsberater mit Kreditanbietern in Deutschland. Als Baufinex-Partner können Vermittler auf rund 450 Produktanbieter zugreifen. Dazu gehören neben neben genossenschaftlichen Primärbanken und Verbundunternehmen auch gruppenfremde Institute wie Sparkassen oder die Commerzbank. Derzeit sind etwa 2900 Vermittler als Baufinex-Partner angebunden.Auch die Sparkassen sehen die Vermittlung von Finanzierungen über Plattformen wie der 2009 auf gemeinsame Initiative des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) und der Hypoport gegründeten Finmas heute als wichtigen und zunehmenden Vertriebskanal an. Sie gebe den Instituten in der Produktzuführung wie auch im Leistungsangebot mehr Flexibilität im Kundengeschäft und lasse sich gut beispielsweise in die digitale Beratung integrieren, erklärt Wolfgang Thomaßen, Geschäftsbereichsleiter des zentralen Sparkassen-IT-Dienstleisters Finanz Informatik (FI). Dies korreliere mit einem sich ändernden Nutzungsverhalten der Kunden, sowohl was die Wahl des Kanals als auch was Erwartungen an das Angebot gerade bei der Immobilienfinanzierung angehe. “Es ist wichtig, diese Vertriebswege zu besetzen, da sonst andere Anbieter diesen Vertriebskanal belegen”, sagt Thomaßen. “Wir erwarten hier unverändert hohe Wachstumsraten.” Die Volumina bei der Finmas legten in den vergangenen Jahren um 25 bis 30 % pro Jahr zu. Dieses Wachstum soll beibehalten werden. “Wir haben gemeinsam, FI und Finmas, eine sehr gute Produktroadmap für die kommenden Jahre”, unterstreicht der FI-Geschäftsbereichsleiter in der Anwendungsentwicklung für das Thema Kredit. KundenbindungDie bundesweit agierende FI übernahm im abgelaufenen Jahr die vom OSV gehaltene 50-prozentige Beteiligung an der zu gleichen Teilen mit Hypoport getragenen Finmas mit dem Ziel, dass alle Teile der Sparkassengruppe durch Nutzung der digitalen Finanzmarktplätze von Finmas wie etwa Baufismart zu effizienteren Vertriebsprozessen kommen und sich neue Marktpotenziale erschließen. Derzeit greifen rund 290 der bundesweit knapp 380 Sparkassen auf das Finmas-Angebot zu. Ob und in welchem Umfang das Finmas-Angebot genutzt werde, sei eine geschäftspolitische Entscheidung jedes einzelnen Instituts, so Thomaßen. Bei der Finmas-Lösung sei aber ganz klar, dass die Sparkassen den Kundenkontakt dauerhaft behielten.Der Joint-Venture-Partner Hypoport sieht die größten Wachstumsaussichten im Bereich Kreditplattform bei Finmas und Genopace. Diese dürften in den nächsten Jahren noch deutliche Marktanteile gewinnen, ist sich Ronald Slabke, CEO und größter Aktionär des Finanzplattformentwicklers aus Lübeck, sicher. Sie gehören bei Hypoport, wie die internetbasierte B2B-Plattform Europace, dem laut Unternehmen größten deutschen Marktplatz zum Abschluss von Immobilienfinanzierungen, Bausparprodukten und Ratenkrediten, zum Segment Kreditplattform. Hypoport spricht von einem voll integrierten System, das über 700 Partner aus den Bereichen Banken, Versicherungen und Finanzvertriebe vernetzt. Im Jahr 2019 wickelten mehrere Tausend Nutzer über 400 000 Transaktionen mit einem Volumen von rund 68 Mrd. Euro über Europace ab. In den ersten neun Monaten des abgelaufenen Jahres erhöhte sich das Volumen auf Europace um 30 % und erreichte mit 65,5 Mrd. Euro fast das Gesamtjahresniveau des Vorjahres.Die Entwicklung von Europace verlief dabei in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht linear. Gerade in den Anfangsjahren sei das Ausbalancieren zwischen der Erfüllung individueller Anforderungen einzelner Nutzer und der Etablierung eines Marktstandards nicht einfach gewesen, erinnert sich Hypoport-Chef Slabke. Auch die Finanzkrise habe zu einem Rückgang des Volumens auf Europace geführt. Von 2011 stieg das Volumen dann an, auch durch die schrittweise Anbindung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die Reaktionen, so berichtet Slabke weiter, hätten sich in der Zwischenzeit stark gewandelt. Anfangs habe man Marktteilnehmer noch grundsätzlich vom Sinn einer Kreditplattform überzeugen, also echte Pionierarbeit leisten müssen. “Das kommt heute zum Glück nur noch vereinzelt in recht exotischer Form vor”, sagt der Hypoport-CEO. Es seien mittlerweile alle großen privaten Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Versicherungen Produktpartner geworden. “Zunehmend nutzen uns Banken auch für den eigenen Vertrieb.” EffizienzgewinnDie wesentliche Motivation der Nutzer, Europace zu frequentieren, seien die Effizienzsteigerung durch Digitalisierung manueller Prozesse bzw. die Verbesserung bestehender digitaler Prozesse. Neue Bankpartner, so Slabke, hätten die Dauer eines Beratungsprozesses in der Baufinanzierung durch ihren Wechsel auf die Plattform in etwa halbiert. Über diesen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Vertrieben gewinne man seit über einem Jahrzehnt Marktanteile. Mit Blick auf die coronabedingte Rezession erklärt der Hypoport-Chef weiter, das relevante Marktumfeld der Immobilienfinanzierung sei relativ autark gegenüber konjunkturellen Entwicklungen. “Wir gehen daher davon aus, dass die Immobilienpreise und damit das für uns relevante Kreditvolumen in Deutschland in den nächsten Jahren weiter steigen wird.”Optimistisch zeigt sich auch der Baufinanzierungsvermittler Interhyp. Die Nachfrage nach Baufinanzierung sei ungetrübt, sagt CEO Jörg Utecht. Viele beschäftigten sich gerade während Corona mit ihrer Wohnsituation. “Wir stehen daher gestärkt da und sehen uns in einer guten Position, weiter zu wachsen, insbesondere da wir die gewonnenen Erkenntnisse aus der digitalen Beratung weiter nutzen werden.” Die 2000 gestartete ING-Gesellschaft, die sich unter anderem im Wettbewerb mit der Hypoport-Tochter Dr. Klein Privatkunden sieht und Finanzierungen von rund 500 Darlehensgebern vermittelt, will ihren Marktanteil im Geschäft mit privaten Baufinanzierungen in Deutschland in weniger als zehn Jahren auf 20 % verdoppeln, bekräftigt Utecht Aussagen vom Februar. Das Geschäftsmodell des Baufinanzierungsvermittlers in Deutschland sei immer noch unterentwickelt.