Vorteile der Filial- und der Online-Welt verbinden und intelligent verzahnen

Nordrhein-Westfalen und die "Bankenhauptstadt" Düsseldorf vor Herausforderungen

Vorteile der Filial- und der Online-Welt verbinden und intelligent verzahnen

Von Martin RenkerVorsitzender Bankenverband Nordrhein-Westfalen, und Vorsitzender der Regionalen Geschäftsleitung West Deutsche Bank, DüsseldorfDie Zukunft regionaler Bankplätze ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder kritisch hinterfragt worden. Dabei ging es um die Frage, ob Standorte wie Düsseldorf im Wettbewerb mit der Finanzmetropole Frankfurt überhaupt eine Zukunftschance hätten. Längst jedoch haben Düsseldorf und andere regionale Plätze eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie sehr wohl eine wichtige Stellung einnehmen. Dazu hat – so paradox dies klingen mag – auch die Banken- und Finanzkrise beigetragen. Diese hat den traditionellen Kern des Bankgeschäfts, der vielleicht bei manchen Anbietern in den Hintergrund getreten war, wieder deutlich gemacht: die Ausrichtung des Geschäftsmodells auf Kunden in der sogenannten Realwirtschaft. Das bedeutet nicht, dass die Rückbesinnung auf das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft das allein erfolgversprechende Geschäftsmodell wäre. Die Kreditinstitute müssen vielmehr den sich stetig wandelnden Wünschen ihrer Kunden Rechnung tragen.Was bedeutet dies im Detail? Im Geschäft mit Unternehmen umfasst die von den Kunden geforderte Produktpalette heute wesentlich mehr als Standardlösungen im Kreditgeschäft oder im Zahlungsverkehr. Zur Finanzierung realwirtschaftlicher Investitionen gehört heute zum Beispiel die Absicherung von Zins-, Währungs- und Rohstoffpreisrisiken. Sie kann Konsortialfinanzierungen, Anleihen, Commercial-Paper-Programme oder Schuldscheindarlehen einbeziehen. Diese strukturierten Finanzierungen sind mehr als eine Beigabe. Oft entscheidet genau die Fähigkeit, möglichst viele unterschiedliche Finanzierungsalternativen parat zu haben, darüber, ob eine Bank den Zuschlag erhält oder nicht.Anspruchsvoll sind auch die Wünsche der Privatkunden. Sie fordern mehr als Bankeinlagen und Bausparverträge. In ein modernes Anlageportfolio gehören gerade in Zeiten niedriger Zinsen auch Aktien beziehungsweise Fonds, da diese langfristig höhere Erträge ermöglichen und damit ein wichtiger Baustein der privaten Altersvorsorge sind. Natürlich ist gerade angesichts der neu durchlebten Schwankungen der Märkte eine diversifizierte Anlage unumgänglich.Deutschland hat auf dem Feld der Kapitalmarktprodukte für Privatkunden noch deutlichen Nachholbedarf. Verbraucherpolitische Regulierungen nach dem Ausbruch der Finanzmarktkrise, aber auch zunehmende Rechtsrisiken haben das Angebot an entsprechenden Produkten für die Kreditinstitute erschwert.Diese wachsenden Anforderungen der Privat- und Firmenkunden zeigen bereits, warum Nordrhein-Westfalen (NRW) mit Düsseldorf für die privaten Banken einen so hohen Stellenwert hat. Denn unsere Wirtschaft mit ihrer Mischung aus leistungsfähigen Großunternehmen und vielen mittleren und kleineren Firmen unterschiedlicher Branchen – darunter viele “Hidden Champions” – bietet hervorragende Möglichkeiten für Geschäftsbeziehungen aller Art. So ist NRW wegen seiner hohen Be-völkerungsdichte ein hervorragender Standort sowohl für das breite Privatkundengeschäft als auch für das Geschäft mit vermögenden Privatkunden und institutionellen Kunden.Vor diesem Hintergrund ist es kaum überraschend, dass unser Bundesland über eine bedeutende Bankenlandschaft verfügt: Ende 2014 hatten an Rhein und Ruhr mehr als 330 Institute ihren Sitz. Hinzu kommen viele Niederlassungen von Häusern, deren Hauptsitz außerhalb Nordrhein-Westfalens liegt. Insgesamt sind im bevölkerungsreichsten Bundesland 136000 Menschen in Kreditinstituten beschäftigt. Zu den vertretenen Instituten gehören private Groß- und Regionalbanken, Privatbankiers, Spezial- und Auslandsbanken ebenso wie genossenschaftliche Institute, Sparkassen und Landesbanken. Abgerundet wird dieses umfassende Angebot durch die zweitgrößte Förderbank Deutschlands, die NRW.Bank, sowie die Bürgschaftsbank Nordrhein-Westfalen und die Kapitalbeteiligungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen. An den letztgenannten Instituten halten die privaten Banken eine Beteiligung – auch dies unterstreicht ihr Engagement für die mittelständische Wirtschaft hierzulande.Dass Nordrhein-Westfalen für die privaten Banken ein bedeutender Standort ist, steht fest. Die beiden Großbanken Deutsche Bank und Commerzbank mit ihrem Stammsitz in Frankfurt sind gemessen an der Zahl der Beschäftigten die größten Kreditinstitute. Der untere Teil der Tabelle zeigt weiterhin, dass unser Bundesland der Sitz von privaten Banken mit einer Bedeutung ist, die weit über NRW hinausreicht.Gemessen am Kreditvolumen haben die privaten Banken hier einen Marktanteil von 27%, bei den Einlagen sind es 32% (jeweils Ende 2014). In einer Untersuchung unseres Bundesverbandes über die Bedeutung der privaten Banken für die Volkswirtschaft aus dem Jahr 2013 wurde die führende Stellung unserer Institute in wichtigen Teilmärkten deutlich. Auch wenn sich die Angaben auf den deutschen Markt insgesamt beziehen, so lassen sie sich auf Nordrhein-Westfalen übertragen:? Mehr als 80% der Exporte nordrhein-westfälischer Unternehmen werden über private Banken finanziert.? Private Banken haben den größten Marktanteil bei der Exportfinanzierung der am stärksten exportorientierten Industrien und der Industrien mit dem höchsten Exportwachstum.? Im Privatkundengeschäft sind sie Marktführer bei Wertpapieranlagen und bei Ratenkrediten.Veränderungen sind ein ständiger Prozess in der Bankenlandschaft – auch in Nordrhein-Westfalen. Da gibt es den intensiven Wettbewerb, die immens gestiegenen regulatorischen Anforderungen und natürlich das Niedrigzinsumfeld. Zunehmend rückt die Frage nach den Konsequenzen der Digitalisierung in den Blick. Tatsächlich wandelt sich unsere Welt tiefgreifend. Die Digitalisierung des Bankgeschäftes und anderer Industrien birgt sowohl für die Privat- und Firmenkunden als auch für die Banken selbst viele Chancen. Dies sollte alle Beteiligten ermutigen.Wirkte sich der bisherige informationstechnische Fortschritt in einem Wandel der Vertriebsstrukturen und dem Aufkommen von Direktbanken als neuen Wettbewerbern aus, so bringt der neue Technologieschub durch Digitalisierung die Möglichkeit, dass Internet-Unternehmen Aufgaben innerhalb der Wertschöpfungskette von Banken übernehmen. Dies wird bei vielen Kreditinstituten zweifellos zu Änderungen im Geschäftsmodell und zu Anpassungen führen.Auch bei der Finanzierung der Industrie 4.0 müssen sich Banken und ihre Firmenkunden auf neue Anforderungen einstellen. Zentral sind unter anderem die zunehmendeBedeutung von Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette, ein geänderter Investitionsbegriff und lange Projektlaufzeiten. Für die Finanzierung bedeutet dies die Einbeziehung mehrerer Partner, eine stärkere Einbeziehung “weicher” Kosten in den Investitionsbegriff und Lösungen für einen längeren Zeitraum mit einem fortwährenden Finanzierungsbedarf. Nicht zuletzt gehört dazu eine Förderpolitik, die diesen geänderten Bedingungen Rechnung trägt.Entgegen manch anders lautenden Meinungen von Unternehmensberatern und einiger Medien haben Kreditinstitute gute Chancen, diesen Umbruch erfolgreich zu gestalten – wenn sie ihre Chancen nutzen. Diese liegen in ihrem umfassenden Produktangebot, der Diskretion und dem Datenschutz, der Sicherheit, ihrer seit langem bewährten Intermediärfunktion und ihrer großen Kundenbasis. Die Konturen der Bankenlandschaft werden sich aber wandeln – und damit auch das Gesicht der Finanzplätze. Für mich steht fest: Die Digitalisierung ist für die Banken eine große Chance und bringt für den Bankkunden einen Zugewinn an Sicherheit und Komfort. Es geht darum, überall dort präsent zu sein, wo sich die Kunden informieren und ihre Entscheidungen fällen.Die Privat- und Firmenkunden treffen ihre Wahl bewusst für jene Banken, die ihnen über alle Kanäle hinweg das volle Angebot bieten. Dazu gehört auch in Zukunft eine persönliche, gute und individuelle Beratung, etwa bei Altersvorsorge, Vermögensaufbau und Zahlungsverkehr. Die Digitalisierung wird weder in der Unternehmensfinanzierung noch im Privatkundengeschäft die Relevanz des persönlichen Kontakts vollständig aufheben. Gewinner werden am Ende jene Banken sein, die es schaffen, die Vorteile der Filialwelt mit den Vorteilen der Online-Welt zum Wohle der Kunden zu verbinden und intelligent zu verzahnen – auch in Nordrhein-Westfalen.