Wachstum des Mittelstands ist längst nicht zu Ende
An welche Regionen denkt der Deutsche, wenn er den Begriff Mittelstand hört? Die meisten wohl zunächst an Baden-Württemberg, das für die Vorstellung des patriarchalisch geführten, erfolgreichen Familienunternehmens steht. Andere vielleicht an Bayern – je nach Perspektive entweder landwirtschaftlich oder High-Tech-behaftet – und jemand wie ich, geboren im Sauerland, an Ostwestfalen, bekannt für eine Mittelstandskultur, die heimatverbunden ihre Kunden in der ganzen Welt bedient.Aber an Berlin? Zunächst wohl eher nicht so viele. Das wäre ja auch nichts Besonderes. Es denken bei dem Begriff ja wahrscheinlich auch nicht so viele zuerst an Frankfurt, Dortmund, Köln oder Bremen. Aber niemand käme andererseits auf die Idee, zwischen diesen Städten und dem Mittelstand einen Widerspruch zu konstruieren. Bei Berlin ist das etwas anderes. Ständig muss sich Berlin des Vorwurfs erwehren, nicht wirtschaftsfreundlich, nicht mittelstandsfreundlich zu sein.Woran liegt das? Daran, dass Berlin auf anderen Gebieten, als Bundeshauptstadt, als Kreativ- und Künstlermetropole und als Tourismusmagnet mit hohem Unterhaltungswert, so viele Schlagzeilen produziert, die das stille Wirtschaften überlagern? Daran, dass man die Begriffe Großstadt und Mittelstand per se als Gegensatz empfindet, wo der Mittelstand doch in der Woche arbeitet und dem Glamourösen, dem Partyfeiern eher abgewandt ist. Zugegeben eine etwas tradierte Vorstellung. Beides wird aber wohl seinen Teil dazu beitragen.Hauptsächlich lebt die Vorstellung des Gegensatzes aber von dem enormen Verlust an Unternehmen und Arbeitsplätzen, den Berlin in den Nachwendejahren zu verkraften hatte und der lange Zeit nicht ausgeglichen werden konnte. Bis zum Jahr 2002 war dieser Verlust dramatisch und verlangsamte sich dann, bis in den Jahren ab 2004 die Trendwende erreicht wurde. Seither bewegt sich Berlin sowohl beim Beschäftigtenwachstum als auch bei den Zuwachsraten des Bruttoinlandsproduktes recht deutlich über dem Bundesdurchschnitt, und im Jahr 2010 lag die Zahl der Erwerbstätigen in Berlin erstmals wieder über dem Wert von vor der Wende. Ein weiterer Beleg für die Zäsur, die mit dem Konkurs der DDR in Berlin stattgefunden hat.Der Berliner sieht in seiner Stadt keinen Widerspruch zum Mittelstand. Der ältere Berliner sieht die lange Tradition im Maschinenbau und in der Elektrotechnik, wo kleinere Unternehmen oft in Gewerbehöfen produzierten und im Schatten von Unternehmen wie Siemens oder Borsig jahrzehntelang erfolgreich wirtschafteten. Diese Unternehmer, die in den unsicheren Jahren der Mauerstadt eine für den Mittelstand typische Verhaftung mit der Heimat bewiesen haben, zeigten Berlin nach der Wende – im Unterschied zu vielen Subventionsempfängern in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie – in der Regel auch nicht die kalte Schulter. Leider wurden sie dennoch oft Opfer der gewandelten Verhältnisse.Der jüngere Berliner sieht wohl in erster Linie die zahlreichen jungen mittelständischen Unternehmen, die oft in innovativen Branchen wie der Informations- und Kommunikationstechnik, der Verkehrssystemtechnik oder der Umwelttechnologie seit der Jahrtausendwende neu entstanden sind. Auf mehr als die Hälfte der heutigen Berliner Industriebetriebe dürfte dies zutreffen. Kleiner und kapitalschwächerDas führt auch zu einer Besonderheit der Berliner mittelständischen Unternehmen: Im Vergleich mit dem bundesdeutschen Durchschnitt sind sie jünger, kleiner und in der Regel auch kapitalschwächer. Aber sie wachsen und sie werden mehr! Auch zeigt sich die zunehmende internationale Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Industrie in der mittlerweile deutlich gestiegenen Produktivität und Exportquote, die im Jahr 1991 noch bei 10,5 % lag und inzwischen auf 46,1 % (2010) gewachsen ist. Und der Berliner Mittelstand ist guter Stimmung. Das zeigte eine Unternehmensbefragung, die die Investitionsbank Berlin und Creditreform im Frühjahr 2011 im Rahmen des KMU-Reports Berlin 2011 durchgeführt haben. Mit 55,4 % bezeichneten überdurchschnittlich viele Berliner Mittelständler ihre aktuelle Geschäftslage als gut oder sehr gut, und auch die Erwartungen an die Umsatz- und Ertragsentwicklung waren besser als im Bundesdurchschnitt. Sicherlich bewegt sich dies alles auf niedrigerem Niveau, aber es zeigt auch, dass die Entwicklungsrichtung für die Stimmungslage oft wesentlicher ist als der absolute Status. Und für alle, die nach vorne schauen, ist die Dynamik wichtiger als der aktuelle Status. Dies gilt es nun zu nutzen und auszubauen.Durch die europäische Staatsschuldenkrise mag die Stimmung auch in Berlin heute nicht mehr ganz so positiv wie im letzten Frühjahr sein. Der KMU-Report 2012 wird dies zeigen. Aber ich bin mir absolut sicher, dass Berlin im Hinblick auf Lebensqualität und wissenschaftlich-technisches Umfeld über erstklassige Standortbedingungen verfügt und dass der Wachstumstrend der Berliner mittelständischen Wirtschaft noch lange nicht zu Ende ist. Dazu gilt es die notwendigen Infrastrukturprojekte mit Stringenz und Weitblick weiterzuverfolgen und auf unsere Stärken und die Kräfte des Marktes zu vertrauen.——Investitionsbank Berlin- Die Investitionsbank Berlin (IBB)- ist die Förderbank des Landes Berlin mit den Geschäftsbereichen Wirtschafts- und Immobilienförderung. Mit monetären Förderangeboten und einer umfassenden Finanzierungsberatung unterstützt die Bank gezielt vor allem mittelständische Unternehmen in Berlin. Dabei arbeitet sie eng mit den in Berlin ansässigen Geschäftsbanken zusammen. In der Wirtschaftsförderung setzt die IBB vor allem auf darlehensbasierte und beteiligungsorientierte Finanzierungen, die im Rahmen revolvierender Förderfonds angeboten werden. Zuschussprogramme ergänzen das Produktangebot vor allem bei der Technologie- und Investitionsförderung.- Bei der Finanzierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen legt die IBB besonderes Augenmerk auf Firmen, die in den Berliner Clustern Gesundheitswirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologien/Medien, Optische Technologien, Verkehr, Mobilität und Logistik sowie Energietechnik tätig sind. Außerhalb der Cluster bietet sie ihren Kunden standardisierte Förderprodukte an, die sich durch eine schlanke, unbürokratische Bearbeitung auszeichnen.- Neben dem wichtigen Investitionsförderprogramm GRW – Gemeinschaftsaufgabe zur “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” hat die IBB speziell für Technolgieunternehmen verschiedene Programme im Angebot. Mit dem Programm “Pro FIT” etwa fördert sie zukunftsträchtige Projekte in allen Phasen des Innovationsprozesses – von der Forschung bis zur Markteinführung.- Ein weiteres Programm für innovative KMU ist “Berlin Kredit Innovativ”. Damit können Kredite für Investitionen und Betriebsmittel bis maximal 500 000 Euro finanziert werden. Ebenfalls speziell an Technologieunternehmen richtet sich das Programm- “Innovationsassistent/in”. Unterstützt werden darüber innovative Projekte von Technologie-KMU, die von Universitäts- bzw. Fachhochschulabsolventen umgesetzt werden. Der Hochschulabsolvent wird von dem Unternehmen für mindestens zwei Jahre in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen. Die Förderung erfolgt über einen Personalkostenzuschuss.——