Wandel der Finanzierungsmuster im Mittelstand
In den letzten Jahren haben sich Rahmenbedingungen und Geschäft in der Finanzwirtschaft nachhaltig verändert. Viele Banken mussten infolge der Finanzkrise Teile ihres Geschäfts auf den Prüfstand stellen und anpassen. Gleichwohl hat sich die Finanzierung der Unternehmen in Deutschland in den Jahren als relativ unproblematisch dargestellt. Dieses positive Ergebnis ist mehreren Faktoren zuzuschreiben. An erster Stelle ist dabei sicherlich die besondere Wachstumsdynamik – insbesondere größerer mittelständischer Unternehmen – zu nennen. Durch wirtschaftlichen Erfolg konnten die Unternehmen zum einen ihr Eigenkapital stärken und ihren Bedarf an Fremdfinanzierung begrenzen und sind zum anderen für viele Banken eine zunehmend attraktive Zielgruppe geworden. KapitalmarktfinanzierungenMit Blick auf die Finanzierung setzen mittelständische Unternehmen heute eine breite Palette an Instrumenten ein. Damit hat sich ein Wandel der Finanzierungsmuster vollzogen, der bei den Großunternehmen in Deutschland schon seit den neunziger Jahren zu beobachten war und der veränderte Herausforderungen an das Zusammenspiel zwischen Unternehmen und Hausbank stellt. Der Kredit, und insbesondere der langfristige Kredit, hat sich zwar nicht aus dem Spektrum der Finanzierungsinstrumente verabschiedet. Doch auch im gehobenen Mittelstand haben Kapitalmarktfinanzierungen in einem Maß an Bedeutung gewonnen, das vor einer Dekade in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas noch nicht denk-bar gewesen wäre.Der Bestand an Unternehmenskrediten hat in den letzten Jahren stetig abgenommen, laut Bundesbank von rund 900 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf aktuell rund 860 Mrd. Euro. Hier sind allerdings nach Unternehmensgröße deutliche Unterschiede zu beobachten: Für die kleineren Firmen ist der Kredit nach wie vor der wichtigste Finanzierungsbaustein. Aber bei größeren, international ausgerichteten Unternehmen ist ein ausgeprägtes Interesse an Kapitalmarktfinanzierungen zu erkennen. Dieses Interesse schlägt sich in der steigenden Anzahl an Schuldschein- und Anleiheemissionen nieder. Der Anteil dieser Instrumente an der Finanzierung der größeren Mittelständler hat zugenommen und den klassischen Langfristkredit ein Stück weit verdrängt. Dies ist auch das Ergebnis einer gemeinsamen aktuellen Studie der IKB Deutsche Industriebank mit Creditreform, in die insgesamt rund 6 400 Unternehmen mit Jahresumsätzen zwischen 25 Mill. Euro und 5 Mrd. Euro einbezogen wurden. Über Anleiheemissionen und Schuldscheindarlehenstransaktionen sind dem Unternehmenssektor in den letzten Jahren insgesamt mehr neue Finanzmittel zugeflossen als über Bankkredite.Dieser Wandel wird nachhaltig beschleunigt durch neue aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Banken, allgemein primär bekannt unter dem Schlagwort Basel III. Banken reagieren darauf zumindest implizit mit eher zurückhaltender und selektiver Kreditvergabe. Die entstehende Lücke füllen zunehmend andere Investoren, die ihr Interesse an der “Assetklasse” Mittelstandskredit entdeckt haben: Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds investieren zunehmend direkt in Unternehmenskredite (sog. Private Debt). Seit einigen Jahren haben sich in Europa zudem Kreditfonds sprunghaft entwickelt. Neue VariantenDie Bandbreite der alternativen Finanzierungskanäle ist noch unbestimmt, da immer neue Varianten (beispielsweise in der digitalen Welt) entwickelt und am Markt getestet werden. Hierzu zählt öffentlichkeitswirksam die projektspezifische Crowd-Finanzierung, die bei kleineren und mittleren Unternehmen immer wieder für Einzelprojekte zu Erfolgen führt. Sollte – wie gegenwärtig vermehrt diskutiert wird – die internationale Bankenaufsicht der Verwendung von Kreditverbriefungen wieder eine realistische Perspektive einräumen, kann dies zu einer Erleichterung der Kreditvergabe an Unternehmen durch den Bankensektor führen. Beratung wird intensiverParallel zum breiter werdenden Finanzierungsmix hat sich die unternehmerische Aufstellung des gehobenen Mittelstands verändert. Die Unternehmen dieser Gruppe sind meist noch auslandsorientierter, vermehrt mit internationalen Standorten vertreten, weiterhin innovationsstark und mittlerweile oft auch einer Neuordnung ihrer Corporate Governance gegenüber aufgeschlossener. Mit ihrem hochwertigen Produkt- und Dienstleistungsangebot haben sie einen wesentlichen Anteil an den deutschen Absatzerfolgen auf den Weltmärkten. Ihre Stärke nutzen sie, um große Teile der Investitionen aus dem Cash-flow zu finanzieren und ihre Bilanzstrukturen weiter zu verbessern. Sie fragen nun vermehrt andere Finanzdienstleistungen nach, angefangen von der Strukturierung und Platzierung von Kapitalmarktinstrumenten über die Beratung bei der gesamten Unternehmensfinanzierung bis hin zur strategischen Beratung beispielsweise bei Unternehmenskäufen (Mergers & Acquisitions, M & A).Diese strukturellen Veränderungen erfordern im Zusammenspiel zwischen Unternehmer respektive Unternehmen und Bank ein neues Beziehungsgeflecht: Die Bank als Experte in Finanzierungsfragen bietet dem Unternehmen, oft aufbauend auf der langjährigen vertrauensvollen Hausbankbeziehung, sowohl Finanzierung als auch Beratung an. Typische Beratungsaufgaben sind neben der Strukturierung von Konsortialfinanzierungen die Vorbereitung für ein Kapitalmarktdebüt im Anleihemarkt oder gegebenenfalls auch an der Börse (Initial Public Offering, IPO) oder auch strategische Beratung bei M &A -Transaktionen, Restrukturierungen oder dem Einwerben von Minderheitsgesellschaftern.Die Hausbank als langjähriger Kenner des Unternehmens hat den Vorteil, eine so breite Produktpalette unter ihrer Verschwiegenheitspflicht und im institutionellen Rahmen eines regulierten Finanzdienstleiters anzubieten. Jedoch kann die Bank in der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Kunden dieses breite Angebot erst unterbreiten, wenn sie die folgenden zwei unverzichtbaren Strukturelemente in ihrer Organisation völlig unverrückbar verankert hat. Es gibt kein PardonErstens erfordert dieses breite Angebot der Hausbank eine robuste organisatorische Aufgabenteilung und deren Überwachung, die sogenannte Compliance. Denn bei der Kreditvergabe an ein Unternehmen einerseits und dessen Beratung andererseits können verschiedene Informationssphären entstehen und potenzielle Interessenkonflikte zu berücksichtigen sein. Die Bank als reguliertes Institut hat sicherzustellen, dass sie diese Compliance-Aufgaben erfüllt, und wird dahingehend zunehmend von der Aufsicht geprüft. Ein Pardon gibt es diesbezüglich heute weder seitens der Aufsicht noch seitens der Kunden.Zweitens erfordert ein breites Angebot seitens der Hausbank eine organisatorische Funktion der Kundenbetreuung (Relationship Management), die dem Kunden ein kundenspezifisches und adäquates Angebot in Verbindung mit einer produktneutralen Ansprache macht. Nur so wird eine Diskussion der Hausbank mit dem Kunden möglich, die den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellt und eine optimale Gesamtlösung für den Kunden erzielt. Zusammen mit der Compliance-Funktion der Bank sorgt letztlich die Kundenbetreuung dafür, dass der Kunde (ob wissentlich oder unwissentlich) von der Bank dieses adäquate Produktangebot erhält und dass die langfristige vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht infolge eines einzelnen Produktangebots oder auftretender Interessenkonflikte in Frage gestellt wird. Kundennutzen im FokusDie IKB hat seit 1924 den langfristigen Industriekredit im engen Schulterschluss mit Verbänden, Politik und Förderbanken über die Jahrzehnte mit- und weiterentwickelt. Der Langfristkredit ersetzte lange den für mittelständische Unternehmen nicht zugänglichen Kapitalmarkt. In einem globaler werdenden Umfeld wird dieses Instrument durch eine Vielzahl weiterer Optionen und Beratungsleistungen ergänzt. Veränderungen des Finanzierungsmix werden durch eine verschärfte Bankenregulierung beschleunigt.Im Mittelpunkt jeder Begleitung des Unternehmenskunden durch die Bank muss der Kundennutzen stehen. International orientierte Mittelständler erwarten heute eine umfassende Finanzierungspalette und beratende Begleitung für unternehmerische Vorhaben. Kompetenz, unternehmerisches Verständnis und Flexibilität der begleitenden Bank werden in diesem Umfeld zunehmend zum Wettbewerbsfaktor.—Alexander Mann, Leiter M&A der IKB Deutsche Industriebank AG und Frank Schaum, Generalbevollmächtigter der IKB Deutsche Industriebank AG