Warnung vor langer Krise
Die Deutsche Bank hat ihr Selbstbewusstsein zurück: Auf einer Konferenz appellierte Vorstandschef Christian Sewing an die Branche, sich am Umbau des eigenen Hauses ein Beispiel zu nehmen. In der Krise steige der Druck, die Geschäftsmodelle an die neuen Marktbedingungen anzupassen, lee Frankfurt – Die Covid-19-Pandemie beschleunigt die Digitalisierung nicht nur in der Finanzbranche, sondern auch im Konferenzgeschäft. Nach der “Euro Finance Week” im Juni fand nun auch der ” Handelsblatt Bankengipfel” als Hybrid-Veranstaltung statt, deren Teilnehmer vor Ort gehalten waren, strenge Hygienevorschriften einzuhalten, während die online zugeschalteten Teilnehmer schriftlich Fragen an die Referenten und Podiumsteilnehmer stellen konnten.Angesichts der im Saal geradezu omnipräsenten Behelfsmasken überraschte es nicht, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie breiten Raum einnahmen. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing etwa präsentierte in seinem Vortrag ein pessimistisches Bild von der wirtschaftlichen Zukunft in Deutschland und Europa: “Das Vor-Krisen-Niveau werden wir noch eine ganze Weile nicht erreichen – nicht in diesem und auch nicht im nächsten Jahr.”Die Unternehmen müssten besonders flexibel sein, um in dem Umfeld dauerhaft zu überleben. “Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Wirtschaft in einigen Bereichen mit 90, 80 oder gar 70 % der Kapazität läuft.” Manches werde nie wieder wie früher werden. Um in diesem Umfeld profitabel zu arbeiten, müssten viele Unternehmen einen immensen Transformationsprozess durchlaufen. “Europäisches Problem”Grundsätzlich sei es zwar gut, dass die Politik in Deutschland und Europa den Unternehmen zur Seite gesprungen sei. Sewing ließ jedoch durchblicken, dass er die Verlängerung des Kurzarbeitergelds und der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht kritisch sieht. Auf diese Weise drohten “Zombie-Unternehmen” zu entstehen, die nur dank staatlicher Unterstützung überlebten, was gravierende Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Produktivität haben könne.”Eine zu lange Unterstützung hält den erforderlichen Erneuerungsprozess auf”, ergänzte Sewing. Dabei handele es sich um ein “altes europäisches Problem”, das regelmäßig dazu führe, dass die USA sich schneller aus Wirtschaftskrisen befreien könnten: “Wir müssen lernen schneller umzuschalten.”Das gelte auch für die Banken, die Sewing als “Herz-Kreislauf-System” der Wirtschaft bezeichnete. Zwar seien diese im Gegensatz zu 2008 nicht die Verursacher der Krise, doch angesichts der steigenden Kreditrisikovorsorge und dauerhaft niedriger Zinsen müssten sie sich zunehmend überlegen, wie sie auch in Zukunft “Teil der Lösung” des durch die Corona-Pandemie verursachten Problem seien könnten. Der Druck, sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden zu fokussieren, sowie auf Geschäftsbereiche, in denen sie gut sind, sei groß. Selbstbewusst verwies er in diesem Zusammenhang auf die Erfolge des laufenden Konzernumbaus im eigenen Haus und bekräftigte das von den meisten Analysten bezweifelte Ziel des Kreditinstituts, das gesamte Geschäftsjahr trotz Corona mit einem Gewinn abzuschließen. Warten auf das dicke Ende Auch im Sparkassenlager sieht man die Notwendigkeit zur Veränderung. Der Druck, effizienter zu werden, nehme zu, sagte Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands: “Don’t walk, run. Das gilt für die gesamte Kreditbranche.”Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Felix Hufeld, bezeichnete die Belastungen durch Corona für die Finanzbranche als “im Aggregat verkraftbar.” Um die 20 bis 30 schwächsten Institute mache sich die Behörde jedoch schon Sorgen. “Das dicke Ende steht noch aus”, sagte er.In den ersten sechs Monaten haben viele Kreditinstitute die Risikovorsorge für das Kreditgeschäft bereits deutlich erhöhe. Auch wegen der staatlichen Hilfsprogramme rechnen Experten jedoch damit, dass der Anstieg der zu erwartenden Kreditausfälle erst im Laufe des kommenden Jahres voll auf die Bankbilanzen durchschlagen wird.