Warum die Banken tiefer schürfen müssen

Die Klientel der Vermögensverwalter wächst unvermindert - Verteilungskampf wird härter

Warum die Banken tiefer schürfen müssen

dz Zürich – Die Welt der Privatbanken und Vermögensverwalter ist eine geteilte Welt. Rund zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung besitzt ein Finanzvermögen (also ohne Immobilien, aber mit privater Altersvorsorge und Anteilen an nicht börsennotierten Unternehmen) von weniger als 10 000 Dollar. Selbst dieser Durchschnitt dürfte die wirtschaftliche Lage der meisten der 3,2 Milliarden Menschen dieser Gruppe weit besser erscheinen lassen, als sie ist. Das dritte Drittel im FokusDie internationale Finanzbranche konzentriert sich in ihrem Geschäft auf das dritte Drittel. Doch auch dort ist die Vermögensverteilung nicht ausgeglichen. Rund 20 Millionen Millionäre besitzen gemäß dem gestern veröffentlichten Global Wealth Report der Boston Consulting Group (BCG) die Hälfte des weltweiten privaten Finanzvermögens von 206 Bill. Dollar. Auf diese Klientel versucht sich die Private-Banking-Industrie in unseren Gefilden primär auszurichten. Darunter gibt es 76 Millionen sogenannte Affluents, die mit einem Vermögen von 250 000 Dollar bis 1 Mill. Dollar so etwas wie den globalen “Mittelstand” bilden. Diese Klientel werde von der Finanzbranche immer noch oft großzügig übersehen, stellte BCG-Partnerin Anna Zakrzewski bei der Präsentation des Reports in Zürich fest.Das sei ein großer Fehler, denn dieses Kundensegment besitzt gemäß BCG ein investierbares Vermögen von insgesamt 18 Bill. Dollar, das in Zukunft sogar noch schneller wachsen werde als die Vermögen der Reichsten. Konkret rechnet BCG bis 2023 mit einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum des privaten Weltvermögens um 5,7 % auf 272 Bill. Dollar. Den Affluents trauen die Berater bis 2023 eine durchschnittliche Vermögenszunahme von 6,2 % im Jahr auf fast 25 Bill. Dollar zu.Für die Banken sei die Erschließung dieses Kundensegmentes umso wichtiger, als das Geschäft mit der bestehenden Klientel aus Konkurrenzgründen zunehmend schwierig werde. Das Wachstum der verwalteten Vermögen sei seit fünf Jahren rückläufig und ebenso entwickelten sich die Erträge.Die Expansion in das Affluent-Segment ist für BCG somit ein Gebot der Stunde. Doch zwei Drittel aller Banken hätten die Notwendigkeit noch nicht erkannt, dieser Klientel besondere Beachtung zu schenken. Die Affluents dieser Welt hätten einen anderen Beratungsbedarf als die Superreichen, stellt BCG fest. So möchten diese Kunden insbesondere in den Schwellenländern beispielsweise weniger über besonders renditeträchtige Investmentmöglichkeiten erfahren und stattdessen einen verlässlichen Rat erhalten, wie sie ihren Lebensstandard im Alter am besten halten könnten. Doch solche Beratungsangebote seien bei den meisten Privatbanken so wenig entwickelt wie das kundenspezifische digitale Banking, das qualitativ gute Angebote zu mäßigen Preisen erlaubt.Allerdings betreuen selbst die noblen Privatbanken primär solche Affluents, wenn auch ohne explizites Ziel. 70 % der Kunden solcher Banken würden das nach außen kommunizierte Vermögensminimum von 1 Mill. Dollar nicht erreichen, stellte BCG fest. Die Wahrscheinlichkeit sei deshalb hoch, dass diese Kunden systematisch falsch beraten werden. Die Banken müssen also tiefer graben. Allein schon um die bestehende Kundschaft zu halten. Die Schweizer Großbanken hatten sich schon vor 20 Jahren die Erschließung der Affluents in Europa auf die Fahne geschrieben. Doch nach milliardenteuren Investitionen mussten sie erkennen, dass sich teure Filialnetze aus den Einnahmen dieser Kundschaft allein nicht finanzieren lassen.