Warum Mario Draghi die kleine Bank Thie beschäftigt

Von Dietegen Müller, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.8.2015 Es begab sich eines Tages im Februar im schönen Westfalen. Eine kleine Bank wollte eine andere übernehmen: Die Reize der Münsterländischen Bank Thie & Co. hatten die genossenschaftliche...

Warum Mario Draghi die kleine Bank Thie beschäftigt

Von Dietegen Müller, FrankfurtEs begab sich eines Tages im Februar im schönen Westfalen. Eine kleine Bank wollte eine andere übernehmen: Die Reize der Münsterländischen Bank Thie & Co. hatten die genossenschaftliche VR-Bank Westmünsterland angelockt. Sie griff zu und fädelte eine Übernahme des kleinen Instituts mit gut 33 Mitarbeitern im Kerngeschäft Vermögensverwaltung und rund 100 Mill. Euro Bilanzsumme ein. Pflichtgemäß kamen die Genossen ihren Auflagen nach, reichten alle notwendigen Unterlagen bei der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin ein und harrte der guten Dinge. Denn es gab nichts zu befürchten, was diese kleine, feine Transaktion hätte stoppen sollen.So geschah es auch. Eines Tages, in der zu erwartenden Frist, war die Übernahme genehmigt. Die Dinge im Münsterland hätten wie bis anhin ihren ruhigen Lauf nehmen können. Doch die Genehmigung, die der VR-Bank Westmünsterland ins Haus flatterte, ließ den Chef des Instituts die Augenbrauen heben. Siehe da, für diese kleine, feine Transaktion gab gar nicht die BaFin ihr Siegel, sondern eine andere, viel einflussreichere Institution.Das Plazet kam von einem einflussreichen Haus an der Sonnemannstraße in Frankfurt am Main. Niemand weniger als der Präsident der Europäische Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hatte das Schreiben unterzeichnet. Was für die wenig bedeutende VR-Bank Westmünsterland – so sieht es die EZB – eine fast schon schmeichelhafte Aufmerksamkeit ist, weckte aber doch so manche nachdenkliche Frage.Die Einführung einer einheitlichen Bankenaufsicht mit dem Single Supervisory Mechanism bringt es seit November 2014 mit sich, dass die EZB jeden Erwerb einer “qualifizierten”, also bedeutenden Beteiligung absegnen muss. In Deutschland leistet die BaFin dafür zwar etwas Vorarbeit. Doch wie auch immer ihre Einstellung zu der Transaktion aussehen mag, es existiert keine deutsche Einspruchstelle mehr. Der übliche Verwaltungsrechtsweg fällt weg. Denn wenn eine europäische Institution etwas absegnet, hat ein deutsches Gericht dazu nichts zu sagen.Hätte der Käufer also etwas gegen den Beschluss einzuwenden, wäre eine E-Mail an den administrativen Überprüfungsausschuss der EZB angezeigt gewesen. In ihm sitzen ehemalige Zentralbanker oder Juristen. Doch einen direkten Sachbearbeiter wie in einem deutschen Verfahren wird nicht angegeben. Immerhin hätte der Käufer auch die Möglichkeit, direkt den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anzurufen – übrigens auch direkt ohne Gang über die Schlichtungsstelle.Aber Luxemburg ist doch etwas weiter weg als ein deutsches Gericht, und der EuGH ist ja nicht eben bekannt dafür, unterbeschäftigt zu sein. Was übrigens auch für die EZB gilt. “Damit liegen Entscheidungen über Bankaufsicht und über die Geldpolitik in einer Hand beim Präsidenten der EZB. Es ist schwer vorstellbar, wie eine Person gleichzeitig diese beiden Funktionen wahrnehmen kann”, sagte sich der Chef der VR-Bank Westmünsterland Wolfgang Baecker. Verlagerung ohne NotIn welchem Verhältnis stehen hier Regulierung und Regulierungsgegenstand? Hier wird doch ein bewährtes Verfahren ohne Not auf eine neue Institution verlagert. “Das dürfte noch nicht jedem Bankvorstand so richtig bewusst sein”, dürfte er sich gedacht haben. Und der Punkt ist beileibe nicht der, dass die Korrespondenz künftig in Englisch zu halten ist.Die BaFin bestätigt den Wegfall der Einspruchmöglichkeiten vor dem deutschen Verwaltungsgericht. Sie gibt zwar ein Votum ab, doch den alleinigen Entscheid trifft die EZB, heißt es. Etwas anders gilt bei einer Erlaubniserteilung. Auch hier hat die Zentralbank das letzte Wort. Sie kann also ein “Ja” der BaFin noch kippen. Doch sollten die deutschen Aufseher in einem ersten Schritt keine Erlaubnis geben, können die Lizenz-Anwärter dieses “Njet” immerhin noch in Deutschland gerichtlich anfechten.—– Wertberichtigt Seite 8 ——–Egal wie groß, wenn eine Bank eine Übernahme macht, haben deutsche Gerichte nichts zu sagen.——-