Warum Mastercards Maestro-Ende so schleppend verläuft
Das schleichende Ende von Maestro
Von Juli an sollen Banken keine Maestro-Karten mehr begeben – aber nicht alle Institute halten die Deadline auch ein
Deutsche Bank, Commerzbank und Unicredit bieten mit Billigung von Mastercard nach wie vor Girokarten mit Maestro-Funktion an. Auch die Sparda Bank greift zu einem besonderen Trick, um ihre Maestro-Karten zu verlängern. Dabei sind Banken angehalten, dies seit heute eigentlich nicht mehr zu tun.
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Der Anfang vom Ende von Maestro ist eingeläutet: Seit dem 1. Juli 2023 „sollen“ Banken und Sparkassen keine neuen Karten mit Maestro-Funktion mehr an ihre Kunden vergeben. So lautete die Ansage von Mastercard, die sich jedoch als wirkungslos entpuppte. Der Zahlungsdienstleister will die Maestro-Karten schrittweise abschalten, da diese nicht mehr zu den heutigen Kundenbedürfnissen passen würden – insbesondere fehlt Maestro-Karten die Fähigkeit, im Internet zu bezahlen.
Überraschend kommt die Deadline für die Branche nicht. Mit den ersten Sparkassen soll Mastercard bereits vor fünf Jahren in den Dialog gegangen sein. Es sind auch nicht die Sparkassen, die bei der Systemabstellung große Probleme bereiten. Die „Roten“ gelten gemeinhin als die Musterschüler bei diesem Projekt. Es sind vielmehr einige Großbanken, denen der Stichtag Probleme bereitet – allen voran diejenigen, bei denen bereits große IT-Integrationsprojekte laufen, die möglicherweise höhere Priorität genießen.
Sonderregelungen für Großbanken
Sowohl die Deutsche Bank (Integration der Postbank) als auch die Commerzbank (Integration der Comdirect) und HypoVereinsbank (HVB) haben mit Mastercard Ausnahmeregelungen vereinbart, die es ihnen ermöglichen, auch weiterhin neue Karten mit Maestro-Funktion auszustellen. Deutsche Bank und HVB haben dies auf Nachfrage bestätigt: „Wir werden vorläufig auch über den 1. Juli hinaus die Deutsche Bank Card herausgeben“, so ein Sprecher der Deutschen Bank, die parallel aber auch schon eine Debitkarte von Mastercard anbietet. „Vorübergehend erhalten unsere Kunden weiterhin in einer Übergangsphase zu ihrem HVB-Konto eine Maestro-Girocard, bis das Nachfolgeprodukt feststeht“, sagte auch ein Sprecher der HVB.
Durchs Hintertürchen
Beide Banken machen damit von einem Hintertürchen gebraucht, das Mastercard den Instituten geöffnet hat: „Bei technischen Herausforderungen finden wir zusammen mit unseren Partnern Migrationspläne, die im Einzelfall auch Übergangsfristen bei der Umstellung der Debitkarten-Systeme beinhalten können, die wir bilateral mit unseren Partnern – den Banken und Sparkassen – vereinbaren”, sagte eine Sprecherin von Mastercard. Details zu den Sonderregelungen nannten die Banken und Mastercard auf Nachfrage nicht.
MastercardBei technischen Herausforderungen finden wir Migrationspläne, die im Einzelfall auch Übergangsfristen bei der Umstellung der Debitkarten-Systeme beinhalten können.
Dem Vernehmen nach soll auch die Commerzbank so eine Vereinbarung haben. Auch wenn sie es nicht offiziell bestätigt, deutet sie es zumindest an: „Grundsätzlich halten wir an der Girocard fest. Und wir werden die Girocard auch ab Sommer 2023 unseren Kunden weiterhin anbieten. Neukunden und Kunden, die eine Ersatzkarte wünschen, erhalten derzeit weiter die Girocard mit dem Maestro-Logo. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht zum weiteren Co-Badge bei der Girocard äußern“, so die Bank. Die Direktbanktochter Comdirect komme seit geraumer Zeit bei ihren Girocards ohne ein Co-Badge aus – also mehrere verschiedene Bezahlverfahren auf einer Bankkarte – und stelle ihren Kunden eine Visa-Debitkarte zur Verfügung.
Der Mastercard-Konkurrent will auch weiter am Maestro-Pendant V-Pay festhalten, wie Visa auf Nachfrage bestätigte: „Wir unterstützen im deutschen Markt Banken, die in V-Pay das passende Produkt für ihren Bedarf sehen oder dies in der Übergangszeit zu Visa Debit wünschen.“ Gleichwohl wies auch Visa in der Stellungnahme auf die „weitaus mehr Möglichkeiten und Vorteile“ einer Debitkarte hin, von der in Deutschland bisher rund 14 Millionen Exemplare von Finanzinstituten ausgegeben worden seien. Visa scheint die Banken also ihn eine ähnliche Richtung schieben zu wollen wie Mastercard – wenn auch mit weniger Druck. Mastercard nannte auf Nachfrage keine konkrete Debitkarten-Zahl, dürfte aber vermutlich in einer ähnlichen Liga spielen.
VisaWir unterstützen im deutschen Markt Banken, die in V-Pay das passende Produkt für ihren Bedarf sehen oder dies in der Übergangszeit zu Visa Debit wünschen.
Da V-Pay weiterläuft, sind einige Banken vom Maestro-Aus überhaupt nicht betroffen. Nach Recherchen der Börsen-Zeitung sind das häufig Direktbanken. Dazu zählen neben der Comdirect unter anderem die zur französischen BNP Paribas gehörende Consorsbank, die Targobank, und auch die BayernLB-Tochter DKB hat nach eigener Aussage „keine Kartenprodukte mit Maestro-Co-Badge im Umlauf“. Aber auch einige Sparkassen nutzen Visa oder haben auf Visa und V-Pay umgestellt. Die Berliner Sparkasse gibt seit vielen Jahren eine Girocard mit dem Co-Badge V-Pay aus. Die Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam (MBS) gab an, dass seit dem 20. Juni alle neuen Karten als Visa-Debitcard ausgegeben würden – und damit ohne Maestro-Funktion.
ING und Santander liefern ab
Daneben gibt es viele Maestro-Banken, die dem Wunsch von Mastercard nachkommen und fristgerecht umstellen werden. Zum Beispiel die ING, die einem Sprecher zufolge ab Juli ausschließlich Girocards ohne Maestro-Funktion liefert. Auch die spanische Santander bestätigte, dass sie fristgemäß alle Karten umstellen und keine neuen mit Maestro-Funktion mehr ausgeben wird. „Fast alle unsere Girokarten sind seit diesem Jahr ohne Maestro-Funktion ausgestellt bzw. auf Visa Debit umgestellt. Es gibt eine spezielle, sehr kleine Produktsparte, bei der wir noch Karten mit Maestro-Funktion ausgeben“, so eine Sprecherin der spanischen Bank.
MastercardNoch gültige Karten mit Maestro-Funktion sind weiterhin normal einsetzbar bis zum Ablaufdatum.
Es gilt Bestandsschutz
Für alle bislang ausgereichten Maestro-Karten gilt dabei der Bestandsschutz: „Noch gültige Karten mit Maestro-Funktion sind weiterhin normal einsetzbar bis zum Ablaufdatum“, sagte eine Sprecherin von Mastercard. Banken kommt das entgegen, da sie auf diese Weise die Karten in ihrem natürlichen Turnus möglichst geräuschlos austauschen können. Es soll jedoch Häuser geben, die sich mehr Zeit erkauft haben, indem sie in der ersten Jahreshälfte noch so viele Karten wie möglich ausgetauscht haben, um deren Laufzeitende um ein paar Jahre hinauszuschieben.
Eine dieser Banken ist die Sparda-Bank Hessen. Diese hatte sich schon vor geraumer Zeit Luft verschafft mit Blick auf das angekündigte Ende der Maestro-Funktion: Alle Karten mit Enddatum in diesem sowie im kommenden Jahr wurden vorzeitig ausgetauscht. Damit wurde die Laufzeit bis ins Jahr 2027 verlängert. 180.000 von insgesamt 392.500 Karten seien vorzeitig getauscht worden, berichtete ein Sprecher. Diese frühzeitige Umtauschaktion sei aber mit Mastercard abgesprochen worden.
Ursprünglich wollte die Sparda-Bank anschließend von Herbst an auf eine Zweikartenstrategie von Kreditkarte und Girokarte setzen. Zwischenzeitlich haben aber die Sparda-Banken entschieden, ihren IT-Dienstleister zu wechseln, und zwar von der Sopra Financial Technology auf Atruvia. Nun werde vorerst die IT-Migration 2025 abgewartet, um über die künftige Kartenlösung zu entscheiden, sagte der Sprecher.
Entspannte Genossen
Bei kleineren Volksbanken sieht man dem Maestro-Aus gelassen entgegen, denn einige von ihnen hatten schon vor langer Zeit dieser Lösung den Rücken gekehrt. So berichten die Raiffeisenbank im Grabfeld, die Raiffeisenbank Oberes Gäu sowie die Volksbank Gescher, sie hätten vor Jahren die Giropay-Karten auf V-Pay von Visa umgestellt. Solange V-Pay bestehe, gebe es keinen Bedarf, auf eine andere Debitvariante zu wechseln. Mit V-Pay existiere eine europaweite Lösung für Giropay, hieß es. Zudem seien die klassischen Kreditkarten von Visa und Mastercard im Einsatz.
Viele der von der Börsen-Zeitung befragten Banken wollten oder konnten keine Angaben dazu machen, wie viele neue Karten sie in diesem Jahr noch mit Maestro-Funktion ausgestellt haben. Laut Mastercard sind derzeit europaweit noch „mehr als 400 Millionen Debitkarten mit Maestro-Funktion in Umlauf“. Bei vier Jahren Laufzeit und der heutigen Deadline dürfte die letzte Maestro-Karte also eigentlich spätestens im Jahr 2027 auslaufen. Dank der individuellen Schonfristen für einige Banken wird sich Maestro wohl aber noch um einiges länger im Markt halten.