Was Anleger aus der Wirecard-Pleite lernen können
Von Werner Rüppel, FrankfurtAm 24. September 2018, dem Tag, als Wirecard in den Dax aufrückte, hat die Aktie mit 182,45 Euro geschlossen. Zum Jahresultimo 2019 lag der Titel bei 107,50 Euro. Inzwischen werden für eine Aktie nur mehr 1,98 Euro bezahlt. Etliche Anleger haben mit Wirecard damit nahezu einen Totalverlust erlitten.Investoren, die durch die Betrügereien des Zahlungsdienstleisters praktisch ihr ganzes Vermögen verloren, haben allerdings einen grundlegenden Fehler begangen: Sie haben nur auf einen Titel gesetzt, sich vielleicht gar in diesen verliebt und nicht breit gestreut. Dass einzelne Aktien schwer enttäuschen oder pleitegehen, das gibt es nämlich immer wieder. Etliche Deutsche haben mit der T-Aktie viel Geld verloren. Dass selbst Blue Chips insolvent gehen können, zeigt zum Beispiel General Motors, die es in der Finanzkrise erwischt hat. Dem hohen Risiko von Einzelwerten können Anleger aber durch Streuung begegnen. Dax ist kein QualitätsindexDie Wirecard-Pleite ist insofern besonders, als sie auf Bilanzbetrug zurückzuführen ist, und das bei einem Wert, der dem Leitindex Dax angehört. Viele Investoren hatten so etwas nicht für möglich gehalten. Doch ist der Dax nun einmal kein Qualitätsindex, das ist durchaus eine Lehre aus Wirecard. Um in den Dax 30 zu gelangen, muss ein Unternehmen dem Prime Standard der Deutschen Börse angehören, was keine große Hürde darstellt. Dann sind aber die Kriterien Marktkapitalisierung und Umsatzvolumen maßgebend für die Zugehörigkeit zum Dax. Übrigens bürgen auch die meisten anderen großen Aktienindizes in der Welt nicht für die Qualität eines Unternehmens. Zum Großteil sind auch hier Marktkapitalisierung und Börsenumsatz die Auswahlkriterien.Wem kann ich überhaupt noch trauen, das fragen sich jetzt Anleger. Denn es gab ja durchaus Warnzeichen, dass bei Wirecard etwas nicht stimmen könnte. Vorwürfe über Manipulationen des Unternehmens wurden seit mehreren Jahren erhoben, insbesondere von der “Financial Times”. Auch in dieser Zeitung wurde mehrfach auf die schlechte Corporate Governance der Gesellschaft hingewiesen. Und auch dass das ungewöhnlich schnell wachsende Unternehmen von einem dominanten – manche meinten bis zur Pleite: charismatischen – Vorstandschef geführt wurde. Ein Umstand, der stets auch Gefahren birgt.Vor diesem Hintergrund wäre es doch zu erwarten gewesen, dass die Wirtschaftsprüfer gerade bei Wirecard sehr genau hinschauen. EY hat die Wirecard-Abschlüsse aber über Jahre für gut befunden und erst vor wenigen Wochen die Bilanzmanipulationen entdeckt. Da werden bei Älteren Erinnerungen an Enron und Arthur Anderson wach. Kurzum: Urteile von Wirtschaftsprüfern sollten Anleger nur mit Vorsicht genießen. Sie sind keine Gewähr dafür, dass bei einem Unternehmen alles stimmt.Versagt hat bei Wirecard auch die Aufsicht. “Es ist eine Schande, dass so etwas passiert ist”, räumt BaFin-Chef Felix Hufeld denn auch ein. Jahrelang hatte die BaFin darauf verwiesen, bei Wirecard nur für die Tochter Wirecard Bank und nicht für den gesamten Konzern zuständig zu sein. Aus Anlegersicht bleibt nur der Eindruck, dass die Behörde es nicht vermocht hat, Investoren in diesem Fall zu schützen. Auch wenn der graue Kapitalmarkt ein anderes Feld ist, so ist doch Wirecard nach den P&R Containern binnen zwei Jahren die zweite große Pleite in Deutschland, die Anleger massiv trifft und welche die BaFin nicht frühzeitig verhindert hat.Hausaufgaben muss die Behörde auch beim Schutz von Fondssparern machen. Denn es kann nicht angehen, dass ein Assetmanager über ein Zertifikat den De-facto-Anteil einer Aktie in einem Fonds über die maximal zulässigen 10 % anheben kann. So tatsächlich geschehen für Wirecard beim DWS Deutschland.Eine der Lehren für Anleger aus Wirecard ist auch, nicht blind auf die Urteile von Analysten zu bauen, sondern sich stets ein eigenes Urteil zu bilden. Analysten orientieren sich stark an Zahlen und urteilen häufig prozyklisch. Da wird dann eine Wirecard empfohlen, weil sie günstiger als Konkurrent Adyen bewertet ist. Das hilft bei Bilanzmanipulationen natürlich gar nichts. Es stimmt zwar auch nicht immer alles, was in der Presse steht. Doch geben seriöse, unabhängige Medien durchaus wichtige Hinweise für Investoren. So war es mit Renate Daum eine Journalistin, die einst die Manipulationen von Comroad aufgedeckt hat. Und auch bei Wirecard gingen kritische Presseberichte in die richtige Richtung. Verstand statt heiße WetteDoch machen wir uns nichts vor: Jeder Anleger, der sich vor Monaten mit Wirecard näher befasst hat, musste zum Schluss kommen, dass die Aktie eine heiße Wette ist. Bei solchen Investments kommt dann noch die Aussicht auf hohe Gewinne, wenn es gut geht, dazu. Doch sollten sich Anleger gerade bei Investments nicht von Emotionen, sondern von ihrem Verstand leiten lassen. Und der sagt: Risiken möglichst begrenzen, breit streuen, aber zugleich auf die langfristig lukrative Aktienanlage setzen.