Neo-Banken

Was Banken von N26, Revolut und Co lernen können

Aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfelds versuchen Bankinstitute, ihre Marge durch die Ausweitung des Provisionsgeschäfts zu stabilisieren. Dabei führen die Erhöhung von bestehenden und die Einführung neuer Gebühren zu negativen Reaktionen auf...

Was Banken von N26, Revolut und Co lernen können

Aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfelds versuchen Bankinstitute, ihre Marge durch die Ausweitung des Provisionsgeschäfts zu stabilisieren. Dabei führen die Erhöhung von bestehenden und die Einführung neuer Gebühren zu negativen Reaktionen auf Kundenseite. Während es klassische Bankinstitute schwer haben, junge Erwachsene zum Beispiel für ein kostenpflichtiges Girokonto zu gewinnen, erfreuen sich die Premium-Modelle von Neo-Banken wie N26 und Revolut in dieser Zielgruppe steigender Beliebtheit. N26 hat erst im November 2020 ein drittes kostenpflichtiges Kontomodell eingeführt, und nach eigenen Angaben nutzt circa ein Drittel der N26-Kunden ein kostenpflichtiges Kontomodell. Der Grund hierfür liegt in der Produkt- und Preisgestaltung. Neobanken überwinden die Grenzen klassischer Bankproduktkategorien (Konto und Karte, Wertpapierdepot, Versicherungen, Kredit etc.) und schaffen Produkterfahrungen, die Mehrwerte für ihre Kunden erlebbarer machen und damit die Zahlungsbereitschaft steigern.

Silodenken überwinden

Um die Akzeptanz gegenüber (Kontoführungs-)Gebühren zu erhöhen, sollten etablierte Banken und Sparkassen sich vom Silodenken ihrer Produktkategorien lösen und die Gestaltung ihres Produkt- und Leistungsspektrums kundenzentriert neu denken. Die Ausgestaltung des Produkt- und Leistungsspektrums von Banken und Sparkassen lässt sich in drei Stufen unterteilen:

Produkte und Leistungen sind innerhalb der entsprechenden Bankproduktkategorien organisiert und untereinander nicht verzahnt. Jedem Kunden wird abverlangt, aus den verschiedenen Kategorien die für ihn passende Produktvariante auszuwählen und für jedes Produkt eine Gebühr zu zahlen. Dabei werden die beworbenen Leistungen jedes einzelnen Produkts aus Kundensicht aber als selbstverständlich wahrgenommen, so dass in Summe eine reduzierte Zahlungsbereitschaft vorliegt.

Zum besseren Verständnis lohnt es sich, das klassische Girokonto einer deutschen Sparkasse zu betrachten: Der Kunde zahlt eine monatliche Gebühr und bekommt neben der Kontofunktion eine Sparkassen-Card, kostenfreie Bargeldauszahlungen und eine Online-Banking-Funktionalität geboten – alles Leistungen, die jedes andere Bankinstitut ebenfalls bietet und die deshalb vom Kunden als selbstverständlich wahrgenommen werden. Die Leistungen bieten damit aus Kundensicht keinen Mehrwert, der eine höhere Zahlungsbereitschaft rechtfertigt. Der gleiche Mechanismus wirkt für Produkte anderer Kategorien, z.B. Wertpapierdepots. Das Modell der Produktsilos ist daher nicht mehr wettbewerbsfähig und gerät zunehmend unter Druck, denn Kunden hinterfragen häufiger, ob Gebühren für einzelne Produkte gerechtfertigt sind.

Die zweite Stufe stellt den Versuch dar, ohne großen Aufwand Produkte innerhalb ihrer Silos mit zusätzlichen Leistungen und Mehrwerten, die auch unabhängig vom Bankenkerngeschäft sein können, auszustatten. Als Beispiel für diese Stufe dienen die „HaspaJoker“-Kontomodelle der Ham­burger Sparkasse und das HVB-Programm „valyou“. Das „Haspa­Joker smart“-Konto bietet Kunden neben den klassischen Girokontoleistungen zusätzlich einen Türöffnungsnotdienst zum Festpreis, einen 24-Stunden-Telefon-Rechtsschutz, 5% Geld zurück für Reisen und Tickets sowie Freizeit- und Shopping-Rabatte in Hamburg. Die HVB bietet mit steigender Produktnutzung Rabatte auf die Grundpreise einzelner Produkte. Mehrwertprogramme haben den Charme, dass niedrige Einführungshürden bestehen. Echte Kundenzentrierung und -bindung wird häufig auch durch Mehrwertprogramme nicht erreicht, da Produktsilos im Kern bestehen bleiben und sich das Kundenerlebnis nur marginal verbessert.

Konzentrierte Modelle

Die dritte Stufe repräsentiert eine fluide Produktwelt ohne Silos. Die „Abo-Modelle“ dieser Stufe kombinieren Leistungen aus allen Produktkategorien der jeweiligen Bank. Anbieter treten klassischerweise mit dem „Freemium – Good – Better –Best“-Modell auf. So bietet z.B. die Neobank Revolut ihren Kunden neben dem kostenlosen Basiskonto (Freemium) drei kostenpflichtige Kontomodelle („Plus“, „Premium“ und „Metal“). „Metal“-Kunden profitieren von einer Ticket-Versicherung für Veranstaltungen, Cashback bei Zahlung mit der Karte, Zugang zu Airport-Lounges, einer unbegrenzten Anzahl provisionsfreier Aktien-Trades, bevorzugtem Support und kostenfreien Bargeldauszahlungen. Dies ist nur ein Ausschnitt aller Leistungen des Modells, jedoch wird deutlich, dass Leistungen aus verschiedenen Produktkategorien, so Konto und Karte, Wertpapier sowie Versicherung, vorzufinden sind.

Wie könnte nun ein Abo-Modell der Stufe 3 für eine etablierte Bank aussehen? Vorstellbar wäre ein Basismodell, das Wertpapierdepot, Tagesgeld- und Girokonto kombiniert. Der Kunde zahlt in diesem Fall nur eine „Abogebühr“, anstatt jedes Produkt einzeln zu bezahlen. Aus verhaltensökonomischer Sicht erhöht sich die Zahlungsbereitschaft, denn eine Zahlung in Höhe von beispielsweise 12 Euro im Monat ist nutzenoptimierter als drei Zahlungen von je 4 Euro im Monat. Zahlreiche zusätzliche Leistungen sind vorstellbar, die bereits im Basismodell angeboten werden können, um für eine breitere Produktnutzung zu sorgen. Beispielhaft wären hier ein kostenfreier Aktienkauf bzw. -verkauf pro Monat, ein Sparplan oder ein Versicherungsprodukt. Darüber hinaus bietet sich die Anreicherung von Leistungen, die unabhängig vom Bankenkerngeschäft sind, an.

Die Einführung eines Abo-Modells ist für die meisten etablierten Banken in vielerlei Hinsicht revolutionär. Meist müssen zur Umsetzung umfassende organisatorische und prozessuale Grundlagen geschaffen und ein weitreichender kultureller Wandel herbeigeführt werden. Dennoch liegen die Vorteile auf der Hand: Bei guter Ausgestaltung des Produkt- und Leistungsspektrums wird das Kundenerlebnis verbessert und die Kundenbindung gestärkt. Außerdem lassen sich Hürden zur Freischaltung von „Upgrades“ je nach Ausgestaltung der Modelle verringern.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.