Weg vom Bankberater
Internetbanking ist längst keine Randerscheinung mehr, es ist ein Muss für jede Bank. Jetzt sehen sich Geldinstitute vor neue Herausforderungen gestellt. Kunden wollen in Fragen der Geldanlagen nicht zwangsläufig mehr von Menschen beraten werden. Sie vertrauen lieber Computern und deren Berechnungen.Von Inken Schönauer, FrankfurtEs ist ein Meilenstein. Ein selbst erklärter, aber immerhin. Das Online-Investment-Unternehmen Wealthfront teilte dieser Tage mit, dass die Assets under Management die Marke von 1 Mrd. Dollar überschritten hätten. Der Weg dahin war rasant. Anfang 2013 hatte das Unternehmen 100 Mill. Dollar unter seinen Fittichen, sagte der Vorstandsvorsitzende Adam Nash vor kurzem. Im Dezember seien es bereits 500 Mill. Dollar gewesen und im März 800 Mill. Dollar. Nun die Milliarde. Wealthfront steht beispielhaft für eine ganz neue Bewegung in der Investmentszene: Investieren online, ohne echten Berater. In den USA ist Wealthfront in Sachen Zuwachsraten in guter Gesellschaft mit der Konkurrenz. Betterment publizierte erst vor kurzem seine Finanzierungsrunde von 32 Mill. Dollar, Learn Vest 28 Mill. Dollar, Future Advisor 15,5 Mill. Dollar. Diese Firmen, die sich alle in der sogenannten Fintech-Szene, also dem Segment für Internetfinanzdienstleistungen tummeln, finden derzeit großen Zuspruch. Die nächste Blase?Schon treten die ersten Sorgenfalten hervor, und zusammen mit den Begriffen “Roboter-Berater” wird immer öfter das Wort Blase verwendet, das die Übertreibungen am Markt anzeigt. Beobachter erwarten zudem, dass die Etablierten der Branche den Start-ups mit Preissenkungen das Wasser abgraben könnten. Die Start-ups hingegen ficht das wenig an. Erstens glauben sie nicht an die Blase, und zweitens sind Meilensteine in einer Größenordnung von 1 Mrd. Dollar für die Großen der Branche fast nicht der Rede wert.Einige etablierte Häuser setzen bereits auf Kombi-Lösungen, eine Art Investmentberatung light. Da gibt es Gespräche am Telefon mit Beratern aus Fleisch und Blut, aber das Computerprogramm erledigt den Rest. Diese Modelle werfen für die Unternehmen natürlich zwangsläufig keine Mega-Renditen ab, aber Banken, so wird derzeit überall propagiert, müssten Banking heute neu denken. Zu den verschiedenen Möglichkeiten, auch denen des Roboter-Beraters, schrieb der ehemalige Dresdner-Bank-Vorstandsvorsitzende Herbert Walter kürzlich in einem Gastkommentar: “Kein einzelnes davon würde die Probleme im Bankgeschäft allein lösen, sondern kann immer nur ein Baustein für eine stabilere Kundenbasis sein. Aber genau darum geht es. Im Bankgeschäft sind Kunden alles und ohne Kunden ist alles nichts – auch das beste Kosten- und Ertragsstabilisierungsprogramm.”Das System der Roboter-Berater-Firmen ist praktisch immer gleich. Mit ein paar Informationen über den Investor, seine Vorlieben und seine Risikobereitschaft macht sich der Computer ein ganz eigenes Bild. Heraus kommt dann das ganz persönliche Portfolio, in dem dann Exchange Traded Funds (ETF) oder Indexfonds zu finden sind. Ein persönliches Portfolio, das irgendwie doch immer nach dem gleichen Schema erstellt wird. Ein spezielles Stock Picking, die Suche nach dem ausgefallenen, nach dem besonderen Tipp ist so nicht möglich. Und bei dieser Anlageform auch gar nicht gewollt – vielleicht sogar gar nicht nötig. Die Verfechter der Roboter-Investoren setzen darauf, dass der menschliche Faktor bei Investmentstrategien überschätzt, vielleicht sogar hinderlich ist. Es bleibt die Frage, ob eine Maschine oder ein Mensch zu besseren Ergebnissen kommt. Letztlich sind die Algorithmen, die die Computer ausführen, ja auch nur von Menschen programmiert, insofern könnten beide Befürworter in Einklang gebracht werden. Doch so leicht sind die Kritiker nicht zu besänftigen. Ein Pluspunkt der Roboter sind sicherlich die Gebühren. Ambitionierte ZieleAuch in Deutschland kommt die neue Bewegung allmählich an. Der deutsche Online-Service Vaamo ist seit Ende Juni “scharfgestellt”. Unter dem Slogan “Sparschwein war gestern” können Anleger mit Vaamo seit dem 23. Juni investieren. Die Ziele sind ambitioniert. “Mit Vaamo wollen wir in Deutschland bis Ende 2018 insgesamt 100 000 Kunden mit einem Gesamtanlagevermögen von 1,5 Mrd. Euro gewinnen”, sagt Thomas Bloch, Vorstand bei Vaamo, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Bis Ende kommenden Jahres sollen es bereits 5 000 Kunden sein.Zusammen mit seinen Studienfreunden Yassin Hankir und Oliver Vins, allesamt ehemalige Investmentbanker oder Unternehmensberater, gründete er Anfang 2013 das Fintech-Unternehmen Vaamo in Frankfurt. Die Idee: Anlegen leicht gemacht. “Banken haben heute keinen Anreiz, im Kundeninteresse zu beraten”, sagt Hankir, der als McKinsey-Berater selbst jahrelang Strategien der Banken begleitet und entwickelt hat. “Die schwerfälligen Strukturen und die derzeitigen Regulierungswellen lassen Banken derzeit wenig Spielräume für Innovatives”, ergänzt Oliver Vins, ebenfalls ein ehemaliger McKinsey-Berater.Es gebe Umwälzungen in der Bankenbranche, aber die ganz großen Lösungen seien nicht erkennbar. Vaamo will die Lösung für Privatkunden sein, die ihr Geld ohne Bankberater und bei voller Kostenkontrolle anlegen wollen. Vaamo bietet dabei vor allem die Plattform. Im Hintergrund stellt ein amerikanischer Indexfondsanbieter die Produkte und die FIL Fondsbank, eine Tochter von Fidelity, die Bankabwicklung. “Anleger, die ihr Geld über Vaamo anlegen wollen, investieren in fünf Indexfonds”, sagt Hankir. Diese Fonds, die sich aus drei Aktien- und zwei Rentenfonds zusammensetzen, bilden ein Universum von rund 15 000 Titeln ab. Verluste sind möglich”Das Konzept ist auf breite Diversifikation ausgerichtet”, sagt Bloch. Anleger sollen sich zu Beginn ihrer Investmententscheidung für die Risikoklassen gering, mittel oder hoch entscheiden. Je nachdem, wofür sie sich entscheiden, werden die Indexfonds im eigenen Portfolio gewichtet. Die Fonds werden passiv gemanagt. Die Anlagestrategie basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Goethe-Universität Frankfurt und ist auf Langfristigkeit ausgerichtet. Ob regelmäßiger Sparplan, die Anlage einer größeren Summe auf einen Streich oder das Erreichen eines bestimmten Projekts: Anleger sollen zu jeder Zeit wissen, wie weit sie von ihren Zielen entfernt sind. “Eine Rendite zwischen 4 und 6 % halten wir für realistisch”, sagt Vins. Die Gebühren fallen pauschal und gestaffelt an. Bei einer Anlagesumme von unter 10 000 Euro liegen die Gebühren bei 1,19 %. Bei 50 000 Euro sind es 0,69 %. Nur eines können auch die größte Transparenz und der beste Algorithmus nicht verhindern: Verluste bis hin zum Totalverlust sind möglich.