Weg von der Benchmark
Es hat einen Preis, im Fondsmanagement unabhängig vom Vergleichsmaßstab zu sein. Doch es lohnt sich, sagt Raik Hoffmann.Von Jan SchraderWer Fondsmanager Raik Hoffmann Geld anvertraut, muss mitunter die Zähne zusammenbeißen. Sein Deutschlandfonds für Aktien kleiner und mittelgroßer Unternehmen hat seit Jahresbeginn bis Mitte Juni nicht nur knapp 9 % an Wert verloren, sondern sich auch schlechter entwickelt als ein Vergleichsmaßstab, und zwar um rund 12?%. Das jüngste Ergebnis des “Stockpicker Germany Small/Mid Cap” stimme ihn zwar nicht zufrieden, aber eine Abweichung vom Vergleichsmaßstab – “Benchmark” im Jargon der Branche – trete eben leicht auf, sagt der Fondsmanager der Frankfurt Performance Management (FPM). “Eine Garantie auf eine jährliche Outperformance können wir nicht geben.”Eine Schwächephase muss sich ein Fondsmanager auch einmal leisten können, wie der 45-Jährige deutlich macht. Hoffmann sieht darin die Folge einer möglichst weitreichenden Entscheidungsfreiheit. Er zeigt sich überzeugt, dass ein Fondsmanager nur sehr wenige Aktientitel auswählen und sich von einem stetigen Vergleich zu einem bestimmten Index nicht allzu sehr vereinnahmen lassen sollte. Was zähle, sei das langfristige Ergebnis. Im vergangenen Jahr hat sein Fonds um 53 % zugelegt und den Vergleichsindex – einen Aktienkorb mit deutschen Titeln der Analysefirma MSCI – um 10 % abgehängt, nachdem die Jahre zuvor eher unauffällig verlaufen waren. Hoffmann führt den Fonds mit Co-Manager Martin Wirth, der auch Gründer der Gesellschaft ist. Weniger ist mehrIn einer großen Fondsgesellschaft hätte ihm in diesem Jahr schon längst ein Gespräch mit einem Vorgesetzten geblüht, wie er deutlich macht. In einem Konzern sei es üblich, als Fondsmanager monatlich Rechenschaft über die Leistung abzuliefern. Groß sei der Anreiz da, das Portfolio möglichst nah an einen Index anzugleichen, um ein besonders schwaches Abschneiden im Vergleich zur Konkurrenz zu vermeiden. Große Positionen in seinem Fonds – jeweils rund 9 % machen der Essenslieferant Hellofresh und Heidelberger Druckmaschinen aus – könnte er dann nicht mehr in voller Größe halten, während er zugleich die Zahl der Aktien von 31 per Ende Mai womöglich aufstocken müsste. Doch eine Fondsgesellschaft müsse einem Manager wie ihm Freiheiten lassen, betont er. “Ein Vorgesetzter sollte nur dann eingreifen, wenn er glaubt, dass seine Leute nicht nach einem konsistenten Prozess anlegen.” “Index Hugger” in der KritikÜber den Grad der Freiheit eines Fondsmanagers wird immer wieder gestritten. Kritiker werfen der Zunft vor, dass die Zusammenstellung vieler Fonds zu sehr einem Index wie etwa dem Dax gleicht – das ist aus Sicht von Anlegerschützern kritisch, weil sich in diesem Fall ein günstiger Indexfonds wie ein ETF eher anbieten würde. So kam die europäische Anlegerschutzvereinigung Better Finance im Februar 2017 zu dem Ergebnis, dass jedes Sechste von mehr als 1?000 näher untersuchten Produkten ein “potenziell falscher aktiver Fonds” sei, landläufig oft “Index Hugger” genannt. Die Organisation berücksichtigte den “Active Share”, einen gängigen Maßstab für die Ähnlichkeit eines Fondsportfolios mit einem Vergleichsindex, sowie den “Tracking Error”, der den Grad der Abweichung der Kursentwicklung misst. Die Fondsbranche hatte die Untersuchung von Better Finance damals als wenig aussagekräftig kritisiert. Hoffmann sagt, dass er die Freiheiten als Fondsmanager eines kleinen Vermögensverwalters schätze. In einer Etage eines Altbaus im Frankfurter Westend kümmern sich die elf Mitarbeiter der 2000 gegründeten Gesellschaft um gerade einmal drei Fonds und zwei Mandate. Die Nähe zu einem Vergleichindex sieht auch Hoffmann kritisch, doch er relativiert zugleich seine Skepsis: Wenn Aktien in einem gesamten Markt durchweg günstig seien, könne es zeitweise sinnvoll sein, eine indexnahe Zusammenstellung des Portfolios zu wählen. Wirklich billig sei das Gros der Titel jedoch nur in Ausnahmephasen wie zuletzt 2009 und 2011. “Diesen Traumzustand gibt es meist nur ein- oder zweimal in der Dekade.” Da die Aktienkurse in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind, kosten etliche Titel aus seiner Sicht heute zu viel. Daher kommt es laut Hoffmann darauf an, “selektiv” zu sein, sich also auf wenige Aktien zu beschränken. Hoffmann und Co-Manager Wirth beobachten ungefähr 150 bis 200 Unternehmen. Um langfristig erfolgreich zu sein, muss ein Fondsmanager seinen Worten zufolge vor allem drei Risiken vermeiden: Geschäftsmodelle eines Unternehmens können erstens “brechen”, so wie es Energiekonzerne infolge des Atomausstiegs und der Stärkung erneuerbarer Energien erfahren haben. Auch kann ein Unternehmen zweitens mit zu viel “Leverage”, einer hohen Verschuldung also, in eine Krise schlittern, was leicht schmerzhafte Kapitalerhöhungen nach sich zieht. Drittens sind mitunter auch solide Unternehmen zu teuer. Dies haben demnach Anleger der Telekom erfahren, sofern sie um die Jahrtausendwende die Aktie gekauft haben. FleißarbeitOhnehin solle ein Fondsmanager nur Unternehmen auswählen, deren Geschäftsmodell er verstanden habe, sagt er – was selbstverständlich klingt, war während der Börseneuphorie um die Jahrtausendwende, als Hoffmann bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS tätig war, nicht immer der Fall. Auch Ehrlichkeit sei eine Tugend, die in Krisenzeiten nicht von Unternehmenslenkern uneingeschränkt vorausgesetzt werden könne. “Mit dem Rücken zur Wand lügen selbst Manager, von denen man es nie erwartet hätte”, erklärte Hoffmann bereits vor einem Jahr. Als Fondsmanager spricht er – wie auch für andere Investoren üblich – regelmäßig mit Konzern- und Investmentchefs von Unternehmen.Um mehr zu sehen als andere Analysten, Investoren und Fondsmanager, zähle vor allem eine Tugend: Fleiß. Ein Fondsmanager müsse viel auswerten und lesen, etwa Geschäftsberichte und Analysen. Die Fülle an Informationen führe auch dazu, dass Fondsmanagement leicht ein gewöhnliches Arbeitspensum eines Acht-Stunden-Tages überschreite. “Sie können 100 Seiten lesen und finden manchmal einen Gedanken, der einen Unterschied macht. Manchmal finden Sie auch nichts.” Ein Fondsmanager müsse die Unternehmen gut kennen, um aussieben zu können. Ein Abstand zum Index setzt nicht nur Freiheit, sondern auch Fleißarbeit voraus.—- 53 Cent je Eurohätten Anleger gewonnen, wenn sie im vergangenen Jahr von Anfang Januar bis Ende Dezember Anteile des “FPM Funds Stockpicker Germany Small/Mid Cap” gehalten hätten. Der Fonds der kleinen Gesellschaft Frankfurt Performance Management lief im vergangenen Jahr wie geschmiert und stieg in einem günstigen Marktumfeld rasant an. Im laufenden Jahr bis Mitte Juni hat der Fonds derweil knapp 9 Cent je Euro verloren. Fondsmanager Raik Hoffmann setzt auf wenige Aktientitel, was Schwankungen erhöht, allerdings auch Chancen bieten kann.