Weiterbildung ist das A und O im Beruf

Bankkunden möchten keine Versuchsobjekte sein - In Deutschland gibt es ein breites Weiterbildungsangebot für die Finanzbranche

Weiterbildung ist das A und O im Beruf

Von Benjamin Franklin ist der Satz überliefert, dass eine Investition in Wissen die besten Zinsen bringt. Doch nicht jeder investiert gleichermaßen in seine Zukunft.Die neuen Entwicklungen und Prozesse innerhalb der Finanzbranche bieten ausreichend Anlass, Wissen und Kompetenzen regelmäßig auf den neuesten Stand zu bringen. Die Novellierung der Mitarbeiteranzeigeverordnung (MaAnzV) gibt einen einheitlichen Rahmen für die Weiterbildung innerhalb der Branche vor. Verbindliche VorgabeWer zum Arzt geht, erwartet zu Recht die bestmögliche Diagnose und Behandlung. Der Patient vertraut darauf, dass der Arzt mit seinem medizinischen Wissen und seinen Fähigkeiten auf dem neuesten Stand ist. Nicht ohne Grund gibt es für Ärzte daher eine Fortbildungspflicht. Auch andere Berufsgruppen kennen diese sinnvolle Verpflichtung, etwa Wirtschaftsprüfer, Fachanwälte oder Architekten.Als Folge der fortschreitenden Harmonisierung der europäischen Märkte hält ein solches Regime auch sukzessiv Einzug in der deutschen Finanzbranche. 2011 wurde beispielsweise im Rahmen von Mifid (Markets in Financial Instruments Directive) erstmals eine verbindliche Einstiegsqualifikation für Anlageberater sowie Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte festgeschrieben. Von regelmäßiger Fortbildung war damals noch keine Rede.Die in anderen Finanzmärkten gängige Praxis wurde in Deutschland erst mit der Novellierung im Rahmen von Mifid II in die Mitarbeiteranzeigeverordnung aufgenommen. Grundlage zur europaweiten Harmonisierung sind hierbei die “Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen” der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA. Sie wurden 2015 veröffentlicht und mit der Umsetzung von Mifid II am 3. Januar 2018 auch in Deutschland umgesetzt. In der konkreten Ausgestaltung hat die Europäische Union den nationalen Regulierungsbehörden jedoch weitgehende Spielräume gelassen.Neben einer allgemeinen Anpassung an die ESMA-Leitlinien stechen in Deutschland insbesondere drei Änderungen hervor: – Die fachlichen Grundlagen wurden ausführlicher und präziser formuliert und bieten somit eine bessere Orientierung, sowohl für den Mitarbeiter selbst als auch für die Unternehmen.- Die Regelungen wurden auch auf Vertriebsmitarbeiter und Mitarbeiter in der Finanzportfolioverwaltung ausgeweitet.- Die jährliche Überprüfung des Fachwissens wurde aufgenommen.Laut Verordnung obliegt die Überprüfung der Sachkunde dabei dem Arbeitgeber, der diese via Mitarbeiteranzeige der Aufsicht meldet. Damit geht Deutschland einen Weg, der sich weiterhin an einer Art Selbstregulierung orientiert. In Großbritannien ist beispielsweise schon lange verpflichtend, dass Anlageberater ein sogenanntes “Statement of Professional Standing” nachweisen müssen. Hierfür werden jährliche Weiterbildungscredits im Umfang von 35 Stunden verlangt.Es sollte selbstverständlich sein, dass ein Arzt die aktuellen Entwicklungen in seinem Fach verfolgt und so seinen Patienten bestmöglich helfen kann. Dennoch gibt es die Fortbildungspflicht, um den Patienten ein Mindestmaß an Sicherheit und eine Grundlage für Vertrauen in die Diagnose und Beratung zu bieten. Kein FremdwortNatürlich ist Weiterbildung auch in der Finanzbranche kein Fremdwort, und viele Mitarbeiter besuchen regelmäßig Seminare oder Konferenzen. Auch berufsbegleitende Qualifizierungen mit Abschluss wurden in der Vergangenheit immer gebucht – aber eben nicht systematisch und verlässlich von allen, sondern primär von den Engagierten, Neugierigen und Motivierten. Nun wird durch die neue Regulierung die regelmäßige Weiterbildung für alle betroffenen Tätigkeitsfelder verbindlich verankert.Für die neue Regelung gibt es gute Gründe. Ähnlich wie die Medizin unterliegt auch die Finanzindustrie dem kontinuierlichen Wandel. Neue Entwicklungen in regulatorischen, technischen, steuerlichen und allgemeinen ökonomischen Bereichen verändern die Branche. Auf der einen Seite werden Finanzprodukte immer komplexer, auf der anderen Seite erwarten die Kunden intuitive, nutzerfreundliche Lösungen im Rahmen der allgegenwärtigen Digitalisierung.Diese verändert nicht nur das Kundenverhalten, sondern ganze Prozesse. Viele Bereiche der Finanzbranche stehen am Scheideweg. Das bringt zusätzliche Unsicherheit. So ist beispielsweise noch nicht absehbar, welchen Einfluss die Blockchain-Technologie auf die Finanzwelt haben wird. Hinzu kommt das seit vielen Jahren anhaltende Niedrigzinsumfeld. Zahlreiche etablierte Modelle und Heuristiken stoßen an ihre Grenzen. Innovative Lösungen bedürfen jedoch ebenfalls einer fundierten fachlichen Grundlage.Wer diesem Wandel nicht hinterherlaufen möchte, sondern ihn mitgestalten will, sollte von sich aus motiviert sein, sein Wissen und seine Fähigkeiten à jour zu halten. Dabei geht es nicht nur um die Pflicht, sondern auch um die Kür: Berufsbegleitende Abschlüsse renommierter Anbieter ermöglichen in einem schwierigen Marktumfeld auch eine persönliche Differenzierung über Ausbildung und Studium hinaus. Umfangreiche ProgrammeEs gibt in Deutschland ein breites Weiterbildungsangebot für die Finanzbranche: Konferenzen und Symposien für den aktuellen Überblick und die Trends von morgen, Seminare für den passgenauen Aufbau von Know-how und Kompetenzen sowie umfangreiche Qualifizierungsprogramme. So bietet beispielsweise die Capital Markets Academy der Deutschen Börse gemeinsam mit der EBS Executive Education das berufsbegleitende Intensivstudium “Capital Market Products and Portfolio Management” an. Mit der Stufe I und dem Abschluss als “Berater Kapitalmarktprodukte (EBS/DBG)” ist die Sachkunde für Anlageberater abgedeckt. Die Stufe II mit Abschluss “Qualified Portfolio Manager (EBS/DBG)” erweitert diese um das Fachwissen für Finanzportfolioverwalter. Praxisorientierte VermittlungDas Ziel solcher Studiengänge ist allerdings nicht nur der Nachweis formaler Kompetenzen, sondern vielmehr eine praxisorientierte Vermittlung von Fachwissen, eingebettet in Fallstudien und Übungen, die sich auf den Berufsalltag übertragen lassen. Weiterbildung – verpflichtend sowie freiwillig – ist das A und O im Beruf. Denn letzten Endes möchten Patienten wie auch Bankkunden keine Versuchsobjekte sein.—-Ulf MayerCIIA, Head of Capital Markets Academy der Deutschen Börse AG