Welche Entwicklungen überdauern den Zyklus?

Langfristige Trends am Gewerbeimmobilienmarkt und in der gewerblichen Immobilienfinanzierung

Welche Entwicklungen überdauern den Zyklus?

Immobilienmärkte folgen der Konjunktur, Zyklen inbegriffen. Wer sich mit der Finanzierung von Gewerbeimmobilien beschäftigt, muss sich bewusst sein, dass jeder zyklische Aufschwung stets von einem Abschwung abgelöst wird. Unabhängig von zyklischen konjunkturellen Schwankungen lassen sich an den globalen Immobilienmärkten Trends erkennen, die einen Abschwung überdauern werden.Der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt ist seit zehn Jahren geprägt durch steigende Mieten und Marktwerte. Branchenkenner freuen sich über den Aufschwung und die damit verbundenen Wertsteigerungen wohl wissend, dass diese lange Phase des Wachstums eigentlich nicht normal ist. Die starke Konjunktur wirkt sich positiv auf den Arbeitsmarkt aus und auf die Flächennachfrage von Nutzern. Am Investmentmarkt machen sich die anhaltend niedrigen Zinsen bemerkbar, weil Investoren auf der Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten die Immobilienpreise immer weiter in die Höhe treiben. Kein Wendepunkt in SichtWährend es in der deutschen Wirtschaft erste Anzeichen einer Verlangsamung des Wachstums gibt, insbesondere in den Auftragsbüchern der Industrie, ist am Immobilienmarkt kein Wendepunkt in Sicht. Aufgrund dieser Unsicherheit kann man das Neugeschäft aber nicht einstellen und auf den Abschwung warten, denn Banken leben von der Kreditvergabe und den damit verbundenen Margenerträgen. Wie können Banken in einem unsicheren konjunkturellen Umfeld agieren, ohne sich vom Marktgeschehen zurückzuziehen?Die Ermittlung von Beleihungswerten ermöglicht es Pfandbriefbanken einen weitestgehend krisensicheren Wert als Grundlage für die Kreditvergabe heranzuziehen. Der Beleihungswert wird als langfristiger, nachhaltiger Wert eines Beleihungsobjekts angesetzt, der im Idealfall Marktschwankungen standhalten kann. Allerdings sind im Markthöhepunkt die Modellparameter der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) soweit vom eigentlichen Marktgeschehen entfernt, dass Marktwert und Beleihungswert nicht selten zu 100 % auseinander liegen. Um zu beurteilen, welchen langfristigen, nachhaltigen Wert eine Immobilie hat, bedarf es einer Betrachtung der langfristigen Trends, die den Immobilienzyklus überdauern werden:Niedrige Zinsen – Marktteilnehmer gehen von einem anhaltend niedrigen Zinsniveau aus. Für den Immobilienmarkt bedeutet ein anhaltend niedriges Zinsniveau, dass Immobilien eine gefragte Anlageklasse bleiben, weil es kaum rentable alternative Anlageklassen gibt. Auch auf dem privaten Wohnimmobilienmarkt wird man das anhaltend niedrige Zinsniveau zu spüren bekommen, weil sich die Investition in ein Eigenheim mehr lohnt als Anlageprodukte, die noch nicht einmal einen Inflationsausgleich erzielen.Aus Sicht der Gewerbeimmobilienfinanzierung hat das niedrige Zinsniveau kaum Einfluss auf die erzielbare Marge. Auf der Kundenseite beobachten wir höhere Finanzierungsanfragen aufgrund gestiegener Kaufpreise bei im Wesentlichen gleichbleibendem Leverage. Wichtig bleibt es daher, sicherzustellen, dass die Immobilien nicht nur auf heutigem Zinsniveau eine angemessene Kapitaldienstfähigkeit gewährleisten.Demografischer Wandel – Wir werden weniger und älter, trotzdem nimmt die Nachfrage nach Immobilien nicht ab. Stattdessen sehen wir eine Verschiebung hin zu neuen Nutzungsarten und Mietergruppen am Immobilienmarkt. Am Wohnimmobilienmarkt wirkt sich der Trend zu Single Haushalten aus. Auch wenn die Bevölkerung zurückgeht, erhöht sich die Anzahl der Haushalte, wodurch trotzdem mehr Wohnungen gebraucht werden. Gleichzeitig entstehen neue Nutzungsarten wie Mikroapartments, die diesen Trend aufgreifen. Im Hinblick auf die gewerblichen altersgerechten Wohnkonzepte sowie Pflegeeinrichtungen steigt mit der Professionalisierung der Betreiber auch die Finanzierbarkeit. Neben den klassischen Pflegeheimen beziehungsweise Seniorenheimen wird die Nachfrage nach betreutem Wohnen oder auch neuen, altersgerechten Wohnformen weiter zunehmen.Eine aktive alternde Bevölkerung bietet neue Chancen für den Gewerbeimmobilienmarkt, weil die Bedürfnisse dieser Zielgruppe andere Mieter und Nutzungen in den Fokus rücken. Im Einzelhandel wird die Gastronomie eine größere Rolle spielen, um das Einkaufserlebnis zu ergänzen. Shopping Center und Innenstädte werden zudem stärker auf Freizeitangebote aus den Bereichen Sport, Kultur und Wellness setzen, um die Attraktivität für diese Zielgruppe zu steigern. Dadurch rücken andere Mieter in den Vordergrund, die bislang weniger stark vertreten waren, zum Beispiel aus dem Bereich der medizinischen Dienstleistungen. Die Zukunftsfähigkeit einer Immobilie wird von den künftigen Bedürfnissen der Nutzer abhängen.Urbanisierung – Ein weiterer langfristiger Trend, der den nächsten Zyklus überdauern wird, ist die zunehmende Urbanisierung und damit verbunden die hohe Nachfrage nach Wohnraum und Gewerbeflächen in den Ballungsräumen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass attraktive Städte mit einem vielseitigen Angebot an Kultur, Gastronomie, Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangebot in ganz Europa wie ein Magnet wirken. Für Arbeitgeber bedeutet dieser Trend, dass in Metropolen leichter qualifizierte Mitarbeiter zu finden sind. Die Immobilienbranche stellt dies vor große Herausforderungen, weil einerseits das Wachstum an Arbeitskräften zu einer hohen Nachfrage nach Gewerbeflächen führt, und andererseits diese Menschen einen Bedarf an Wohnraum mitbringen. Dadurch stehen Gewerbeimmobilien in Konkurrenz zu Wohnimmobilien wenn es um die Bebauung oder Sanierung von innerstädtischen Flächen geht. Das Angebot an Büroflächen kann daher nicht mitwachsen und insbesondere in den Innenstädten der großen Metropolen ist mit einer anhaltend hohen Nachfrage nach hochwertigen Büroflächen zu rechnen.Zwar wird auch die Flächennachfrage dem Konjunkturzyklus folgen, aber bereits jetzt lassen sich Trends im Nutzerverhalten erkennen, die den nächsten Zyklus überdauern werden. Nutzer werden in Zukunft größeren Fokus auf die Flexibilität der Büroflächen und der damit ver-bundenen Vertragsgestaltung legen. Dabei geht es zum einen um die flexible Nutzung der Immobilie an sich, die sich den Nutzerbedürfnissen anpassen muss. Dies kann sich auch auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer einer Büroimmobilie auswirken, wenn diese etwa nicht flexibel nutzbar ist. Zum anderen suchen Nutzer nach einer flexibleren Vertragsgestaltung, entweder durch kürzere Laufzeiten oder durch die kurzfristige Anmietung von Flächen bei Dritt-anbietern. Aus Sicht der Immobilienfinanzierung sind neue Mietergruppen wie Co-Working-Anbieter nur durch den Aufbau von Expertenwissen verlässlich einzuschätzen. Insbesondere beim Co-Working-Segment ist je nach Metropole schwer einzuschätzen, wann eine Sättigung im Markt erreicht ist.Digitalisierung – Der Trend zur Digitalisierung ist am Immobilienmarkt am stärksten bei den Nutzungsarten Einzelhandel und Logistik zu beobachten. Zum einen sehen wir je nach Immobilienmarkt und Lage unterschiedliche Auswirkungen durch den eCommerce auf den stationären Handel. Während in Großbritannien einige regionale Shopping Center unter hohen Leerständen und sinkenden Mieten leiden, sind spanische Shopping Center deutlich weniger vom Online-Handel betroffen. Die hohe Nachfrage nach Logistikimmobilien insbesondere im Bereich der Distributionsimmobilien ist ebenfalls auf die Digitalisierung und den Online-Handel zurückzuführen. Bei diesen zwei gegenläufigen Trends stellt sich aus Sicht der Immobilienfinanzierung die Frage, inwiefern stationäre Einzelhändler ein für ihr Objekt nachhaltiges Konzept vorlegen können. Europaweit ist der Trend zu mehr Gastronomie und Freizeitangeboten im Einzelhandel zu beobachten. Bei Logistikimmobilien ist die zunehmende Spezialisierung der einzelnen Objekte kritisch zu betrachten, denn je stärker eine Immobilie auf die individuellen Bedürfnisse eines Einzelnutzers ausgerichtet ist, umso schwieriger wird es sein, Nachnutzer für die Immobilie zu finden. Bei Büroimmobilien wird die Digitalisierung sich langfristig auf die Attraktivität für Büronutzer auswirken. Eine digital steuerbare Immobilie wird in wenigen Jahren der neue Branchenstandard sein. Auch aus Sicht der Energieeffizienz wird die digitale Infrastruktur von Gebäuden der nächste Schritt in Sachen Energieeinsparung sein. Fazit – Ein Blick auf langfristige Trends am Immobilienmarkt erlaubt es Immobilienfinanzierern, auch in unsicheren Zeiten weiter Neugeschäft zu machen, ohne dabei Risiken und Chancen aus dem Blick zu verlieren. Aus Sicht der langfristigen Finanzierung muss man die heutigen Rahmenbedingungen verstehen, um die Attraktivität einer Immobilie mit Blick auf die Zukunft beurteilen zu können. Neben den unverändert relevanten Kriterien wie Lage und Objektqualität müssen heute neue Trends erkannt und berücksichtigt werden. Im Vordergrund steht die Frage, ob eine Immobilie bei Kreditauslauf noch eine Nachfrage von Nutzern und Investoren unter Berücksichtigung der aufgeführten Trends generiert. Jan Polland, Leiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung bei der MünchenerHyp