Wells Fargo büßt für Vertriebstaktik
Von Bernd Neubacher, FrankfurtWells Fargo hat Ärger mit der Aufsicht. Wie der in San Francisco ansässigen Retail-Riese am Donnerstagabend mitgeteilt hat, zahlt die Bank im Zuge eines Vergleichs mit US-Behörden insgesamt 190 Mill. Dollar. Geahndet wird damit nach Angaben der Aufsichtsbehörde Office of the Comptroller of the Currency eine “unsichere und unseriöse” Vertriebspraxis. Dazu gehöre die unautorisierte Eröffnung von Einlagen- oder Kreditkartenkonten sowie der unerlaubte Transfer von Geld. Beteiligt am Vergleich sind neben dem Office of the Comptroller of the Currency das Consumer Financial Protection Bureau sowie die Staatsanwaltschaft Los Angeles.Die Behörden hatten den Quervertrieb von Produkten und die Verkaufstaktiken von Wells Fargo schon seit längerem im Visier, wie das “Wall Street Journal” berichtet. Regulierer und Strafverfolger untersuchten demnach, ob die Bank unter Führung von John Stumpf Mitarbeiter zu stark unter Druck setzt, damit diese Absatzziele erreichen, und ob sie zweifelhaftem Verhalten dabei nicht stark genug entgegensteuert. Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte der Staatsanwalt von Los Angeles, Michael Feuer, der Bank in einer Klage vorgeworfen, sie dränge ihre Mitarbeiter dazu, betrügerisch vorzugehen und etwa Konten zu eröffnen für Leute, die nicht existieren. Seinen Angaben zufolge haben zudem mehr als 1 000 Wells-Fargo-Kunden über den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen an sie ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis berichtet.Ihre Geldbuße von knapp 200 Mill. Dollar dürfte die nach Börsenwert größte Bank der Welt, die allein im zweiten Quartal 5,6 Mrd. Dollar netto verdiente, aus der Portokasse zahlen. Gleichwohl bekommt das Bild des Instituts, das seit langem in der Branche als Vorbild dafür gilt, wie eine Bank nicht nur gut durch die Finanzkrise steuern, sondern auch das Massengeschäft perfektionieren kann, erneut einen Kratzer. Im April schon hatte das Haus immerhin 1,2 Mrd. Dollar wegen unzulässiger Aktivitäten im Hypothekengeschäft berappt. Laut US-Justizministerium räumte die Bank ein, die Behörden über Tausende leistungsgestörter Kredite im Unklaren gelassen zu haben, so dass öffentliche Stellen letztlich Ansprüche aus staatlichen Hypothekenversicherungen bezahlen mussten, als diese Forderungen ausfielen. In den USA hat dieses Verhalten der Bank bislang nicht geschadet. Wenige Tage nach dem milliardenschweren Vergleich mit dem US-Justizministerium nahm die Federal Reserve of New York Wells Fargo in den exklusiven Kreis ihrer Primärhändler auf. Hierzulande würde wohl auch das öffentliche Echo auf solches Gebaren deutlich anders ausfallen. Und wenn Wells Fargo wie im zweiten Quartal über eine Eigenkapitalrendite von knapp 12 % berichten kann, liegt dies vielleicht nicht nur daran, dass die USA ihre Banken in der Krise entschlossener rekapitalisiert haben, der Markt dort größer, der Wettbewerbsdruck geringer und Wells Fargo effizient ist. Es hat vielleicht auch mit Vertriebsdruck zu tun, damit, wie entschlossen die Aufsicht auftritt, und wie langfristig eine Bank zu denken bereit ist. Denn Vertrieb ist Handwerk, und da gilt: Nach fest kommt lose. Zumindest hierzulande.