Wells Fargo rechnet mit Durststrecke

Boykott von US-Bundesstaaten und Kommunen macht sich aber kaum bemerkbar

Wells Fargo rechnet mit Durststrecke

sp New York – Das Management der US-Retailbank Wells Fargo, die in den vergangenen Wochen vor allem mit dubiosen Vertriebspraktiken, mehr als 2 Millionen teils kostenpflichtigen Phantomkonten für ihre oft ahnungslosen Kunden und der dazugehörenden Strafe von 185 Mill. Dollar in den Schlagzeilen war, rechnet in den kommenden Monaten mit einer Durststrecke im Neugeschäft. Das Wachstum werde in der nahen Zukunft gedämpft ausfallen, lautet die Einschätzung von CEO John Stumpf, der sich nach Angaben des “Wall Street Journal” in einer Telefonkonferenz am Dienstag mit 500 seiner Topmanager über die Aussichten für das Institut austauschte, bevor die Bank an diesem Freitag ihre Zahlen für das von dem Skandal noch weitgehend unbelastete dritte Quartal vorlegen wird.”Zu sagen, dass der vergangene Monat schwierig war, wäre eine Untertreibung”, gab Stumpf gemäß einem Mitschnitt der Telefonkonferenz, der dem “Wall Street Journal” vorliegt, im Austausch mit dem Topmanagement die Tonlage vor. “Es wird eine Zeit lang schwieriger für uns werden, und wir verstehen das.” Das Neugeschäft der Bank werde eine ganze Weile gedämpft ausfallen. “Das steht vollkommen außer Frage”, erklärte Stumpf am Telefon.Timothy Sloan, Chief Operating Officer der Bank, der als designierter Nachfolger von Stumpf gilt und innerhalb der nächsten zwei Jahre das Zepter übernehmen soll, kündigte an, dass den Investoren am Freitag im Rahmen der Präsentation des CEO weitere Metriken mit Blick auf die Folgen des Skandals zur Verfügung gestellt würden, ohne weiter darauf einzugehen. Sloan ergänzte, dass die Bank derzeit immer noch mehr neue Konten eröffne, als Konten geschlossen würden.Finanzvorstand John Shrewsberry sagte in dem Call, dass das dritte Quartal – “abgesehen von Rückstellungen” – von dem Skandal um Phantomkonten kaum beeinflusst sei. Die öffentlichen Ankündigungen der Bundesstaaten Kalifornien und Illinois sowie der Stadt Chicago, ihre Geschäftsbeziehungen zu der Bank für ein Jahr auf Eis zu legen, würden in Dollar gemessen nur wenig ausmachen. “Wir werden das aber nicht an die große Glocke hängen, weil das die Leute anspornen könnte, es für Wells Fargo noch schwerer zu machen”, sagte Shrewsberry laut dem Mitschnitt der Telefonkonferenz.Auch die Stadt Los Angeles will mittlerweile Konsequenzen aus dem Skandal um Wells Fargo ziehen und ein neues Gesetz verabschieden, das Banken, die mit der zweitgrößten Metropole der USA ins Geschäft kommen wollen, auf verantwortungsvolle Vertriebspraktiken verpflichtet. An eine Suspendierung der laufenden Geschäftsbeziehung mit Wells Fargo ist demnach aber nicht gedacht. Die Finanzaufsicht des Staates New York warnte Banken derweil davor, ohne leistungsfähige Kontrollmechanismen die Incentivierung an Daten wie der Anzahl neu eröffneter Konten zu orientieren.