Wenige Löcher in gläserner Decke

In der deutschen Kreditwirtschaft steigt der Anteil weiblicher Führungskräfte in Vorständen nur langsam

Wenige Löcher in gläserner Decke

Der Weg an die Spitze von Banken und Sparkassen steht Frauen nur manchmal offen. Wesentliche Hürden bleiben, und die Kreditwirtschaft hinkt auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit anderen Branchen hinterher. Das prägt auch Rolle und Selbstverständnis der wenigen Managerinnen der Zunft.Von Jan Schrader, FrankfurtEs tut sich etwas in den Führungsetagen der deutschen Bankenwelt. Waren dort noch zur Jahrtausendwende fast überhaupt keine Frauen anzutreffen, so sind Managerinnen in der obersten Leitung für einige Institute mittlerweile selbstverständlich geworden – auch an der Spitze: Mit Carola Gräfin von Schmettow bei HSBC Deutschland, Eva Wunsch-Weber bei der Frankfurter Volksbank, Karin-Brigitte Göbel bei der Stadtsparkasse Düsseldorf und Dorothee Blessing bei J.P. Morgan in Frankfurt haben sich bereits Bankchefinnen seit einigen Jahren etabliert, während Christine Novakovic die UBS-Europazentrale und Edith Weymayr das Baden-Württembergische Förderinstitut L-Bank seit jeweils ungefähr einem Jahr anführen. Zu der Riege mächtiger Bankmanagerinnen zählen auch Ingrid Hengster, die das wichtige Inlandsgeschäft der Förderbank KfW leitet, Marija Kolak, die von der Spitze der Berliner Volksbank zur Präsidentin des genossenschaftlichen Bankenverbands BVR aufstieg, und Christiana Riley, Amerika-Chefin der Deutschen Bank, neben anderen.Trotz der Fortschritte lassen Branchenbeobachter kein gutes Haar an der Kreditwirtschaft. Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist in der Geldbranche ebenso wie in anderen Segmenten der Wirtschaft spürbar gewachsen, aber immer noch gering, wie etwa das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in separaten Erhebungen ermittelt haben. Eine Auswertung der Börsen-Zeitung von 55 Instituten zeigt, dass der Frauenanteil mit 30 von 234 Vorstandsstellen (13 %) gering ist. Während fünf Geldhäuser in der Übersicht von einer Vorstandsvorsitzenden angeführt werden und fünf weitere Institute bereits zur Hälfte oder mehrheitlich im Vorstand mit Frauen besetzt sind, werden 33 der 55 Kreditinstitute ausschließlich von Männern geleitet (siehe Tabelle rechts).Auch in anderen Branchen ist der Anteil von Managerinnen in der Spitze gering, doch in der deutschen Finanzwirtschaft zeigt sich der Effekt besonders stark – erstens im Vergleich zur Belegschaft: Laut IAB-Betriebspanel sind Banken und Versicherer beileibe nicht die einzige Branche mit unterdurchschnittlicher Quote. Doch in anderen Wirtschaftszweigen mit geringem Frauenanteil in Führungspositionen, etwa in der Bauwirtschaft oder im verarbeitenden Gewerbe, zählt auch die gesamte Belegschaft wenige Mitarbeiterinnen, während in der Finanzbranche sogar etwas mehr Frauen als Männer beschäftigt sind (siehe Grafik unten).Zweitens vollzieht sich der Wandel in der Finanzbranche langsamer als in anderen Wirtschaftszweigen. Laut einer Erhebung des DIW hat sich zwar der Anteil weiblicher Führungskräfte in Vorständen der 100 größten Banken seit 2006 von damals gerade einmal 2,5 % auf 9,8 % im vergangenen Jahr immerhin nahezu vervierfacht, in den 100 größten Unternehmen außerhalb der Finanzwirtschaft stieg der Wert jedoch von marginalen 0,2 % auf 11,6 % etwas stärker. Auch in Aufsichts- und Verwaltungsräten, die in der Kreditwirtschaft auf einen Anteil weiblicher Fachkräfte von 22,8 % kommen, vollzog sich der Wandel langsamer als in Großunternehmen der übrigen Wirtschaft.Drittens hinken deutsche Finanzdienstleister auch im internationalen Vergleich hinterher, wie die Beratungsgesellschaft Oliver Wyman ermittelt hat: Mit einem Frauenanteil von 15 % liegt die hiesige Branche demnach fünf Prozentpunkte unter dem globalen Durchschnitt und damit im hinteren Mittelfeld, in etwa gleichauf mit der Schweiz, Polen, Mexiko und Italien, aber weit hinter dem Spitzenreiter Israel (38 %), hinter den USA und Australien, Norwegen und Schweden, Thailand und Singapur sowie etlichen weiteren Staaten. Außerdem zeigt derselbe Bericht – bezogen auf große Finanzfirmen rund um den Globus -, dass auch innerhalb der Führungsspitze ein Gefälle besteht. Demnach erklimmen Frauen keine Position so selten wie die CEO-Rolle, und auch die Vize-Position ist selten weiblich besetzt. Viele HürdenÜber die Ursachen, weshalb gerade die Finanzbranche so wenige Managerinnen an der Spitze ausweist, herrscht keine Einigkeit. Eine Erklärung verweist auf Stereotype zu den Fähigkeiten von Frauen und Männern: Menschen lassen sich mal mehr, mal weniger von dem Vorurteil leiten, dass Frauen in mathematischen Aufgaben schlechter seien als Männer. Nicht nur Männer, auch Frauen haben diese Annahme verinnerlicht, wie die experimentelle Forschung nahelegt. Hürden tun sich also auf, weil aus Sicht der Männer Frauen oft nicht für mathematikbezogene Aufgaben in Frage kommen, während Frauen selbst leicht den Mut verlieren und infolgedessen tatsächlich weniger leisten. Weil der Umgang mit Zahlen wesentlich für die Finanzbranche ist, könnte das Vorurteil hier stärker als in anderen Branchen wiegen, lautet eine Vermutung. Allerdings sei zweifelhaft, dass sich auch Frauen in Banken das Zahlenhandwerk nicht zutrauten, sagt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin. Mit ihrer Berufswahl zeigten Bankmitarbeiterinnen doch bereits, dass sie den Umgang mit Zahlen nicht scheuten, argumentiert die Ökonomin.Auch ist nicht klar, ob eine von Männern dominierte Führungskultur die Kreditwirtschaft stärker prägt als andere Banchen. So skizziert Carsten Wippermann, Professor für Soziologie an der Katholischen Stiftungshochschule München und Leiter des Delta-Instituts für Sozial- und Ökologieforschung, drei Mentalitätstypen, die sich bei Männern in Führungspositionen über verschiedene Branchen offenbaren. Die Haltung, dass Frauen aus traditionellen Gründen von Führungsposten ausgeschlossen werden sollten (“konservative Exklusion”), ist demnach nur eine Haltung, die Frauen im Weg stehen kann. Oft lassen Manager zweitens in Interviews laut Wippermann erkennen, dass Frauen nicht der Rollenerwartung einer harten Führungskraft in der obersten Etage gerecht würden. Wieder andere Manager messen drittens dem Geschlecht überhaupt keine Relevanz bei, geben sich aber damit zufrieden, dass häufig nur wenige Bewerberinnen für Positionen in der obersten Führungsetage zu finden sind. In der Kombination dieser Mentalitätsmuster entsteht laut Wippermann jene berüchtigte “gläserne Decke”, die Frauen einen Karriereaufstieg häufig versperrt. Zwar gehöre die Auffassung, dass mehr Frauen in Führungspositionen gehören, auch auf Führungsebenen unter Männern zum Kanon einer politischen Korrektheit, erklärt er der Börsen-Zeitung. Zugleich nehme er in jüngerer Zeit ein “Erstarken traditioneller Geschlechterrollenbilder, maskulistischer Gesten von Männern in Führungspositionen” wahr. “Der kulturelle Wandel gleichberechtigter Teilhabe ist ins Stocken geraten.” Speziell zur Finanzbranche will er sich dabei allerdings nicht äußern.Eine dritte gängige Erklärung für den Geschlechterunterschied ist die hohe Teilzeitquote: Frauen gehen – statistisch betrachtet – häufiger als Männer in Teilzeit oder Elternschaftsurlaub, was sich laut DIW-Ökonomin Wrohlich als “Karrierekiller” erweisen kann. Jedoch spürten auch Frauen, die nicht kürzertreten wollten, den Effekt: In der Erwartung, dass eine Frau um die 30 Jahre eher eine Auszeit nehmen oder in Teilzeit gehen könnte als ein Mann, neigten Arbeitgeber zur Zurückhaltung (“statistische Diskriminierung”). Das schlägt sich in der Bezahlung nieder, die zwischen Männern und Frauen über fast alle Branchen hinweg besonders stark ab einem Alter um die 30 Jahre auseinanderklafft.Der Befund lasse sich auch auf Aufstiegschancen übertragen, vermutet Wrohlich. Die hohe Teilzeitquote von Frauen wirkt in vielen Branchen als Bremsklotz, doch auch hier variiert der Effekt nach Zweig und Tätigkeit. Wie auch in vielen anderen Berufsfeldern steigt nämlich nicht nur die Entlohnung insgesamt, sondern auch der Stundenlohn in der Finanzbranche mit zunehmender Arbeitszeit, Banken und Versicherer belohnen also zusätzlichen Arbeitsaufwand überproportional. Das lege nahe, dass der Teilzeit-Effekt hier einschlage und Frauen nicht nur im Lohn, sondern auch bei Aufstiegschancen benachteilige, sagt Wrohlich. Nicht “irgendwo hingehoben”Hat derweil eine Managerin eine Spitzenposition erklommen, ist sie für andere Frauen zuweilen selbst ein Vorbild. So sagte KfW-Inlandschefin Hengster in einem Interview der “Frankfurter Rundschau”, dass für sie Alexandra Cook-Schaapveld, eine damals hochrangige Managerin der ABN Amro und dann Royal Bank of Scotland, ein Vorbild gewesen sei. Hengster hatte zuletzt das Deutschlandgeschäft der Royal Bank of Scotland geleitet, ehe sie 2014 zur KfW kam. Auch legen hochrangige Chefinnen Wert auf Kompetenz: “Man merkt relativ schnell, wenn eine Frau irgendwo hingehoben wurde, nur wegen der Quote”, sagte die heutige UBS-Europachefin Novakovic bereits 2010 dem “Tagesspiegel”.Immer wieder werden Managerinnen mit ihrer Geschlechterrolle konfrontiert. Als “Frau in der Männerdomäne” sieht sich BVR-Präsidentin Kolak ebenfalls im “Tagesspiegel” porträtiert, Hengster wird in der “Frankfurter Rundschau” als eine “Bankerin mit ganzem Herzen” vorgestellt, während HSBC-Deutschland-Chefin von Schmettow im “Kölner Stadtanzeiger” erklärt, dass sich Frauen einen Partner suchen sollten, der sie bei ihrer Karriere unterstützt. Fragen und Charakterisierungen, die einem Mann eher selten begegnen.