Weniger Eigenkapitalanforderungen

EU-Kommission entlastet Banken temporär - 450 Mrd. Euro zusätzlich für Kredite - Gemischte Reaktionen

Weniger Eigenkapitalanforderungen

Die europäischen Banken erhalten weitere Eigenkapitalentlastungen, damit die Kreditvergabe in Zeiten der Coronakrise nicht eingeschränkt wird. Die EU-Kommission legte ein umfangreiches Paket auf den Tisch, das die Kreditvergabefähigkeit allein der Eurozonen-Banken 2020 um etwa 450 Mrd. Euro erhöhen soll.ahe Brüssel – Die EU-Kommission hat weitere Vorschläge vorgelegt, die die europäischen Banken in der Coronakrise entlasten sollen. Zum einen sollen demnach die Bilanzierungs- und Aufsichtsregeln so großzügig wie möglich ausgelegt werden, zum anderen sollen einige Eigenkapitalanforderungen ad hoc geändert werden. Die temporären Maßnahmen zielen vor allem darauf, die Kreditvergabe zu erleichtern, wie Kommissionsvize Valdis Dombrovskis betonte. “Damit Banken den Geldhahn nicht zudrehen und Haushalte und Unternehmen die benötigten Finanzmittel erhalten, schöpfen wir die Flexibilität der EU-Bankenvorschriften voll aus”, sagte er in Brüssel.Während der Finanzkrise hätten die Banken gestützt werden müssen. “Dieses Mal helfen wir den Banken, die Unternehmen und Haushalte zu stützen.” Die Institute seien heute widerstandsfähiger und besser auf wirtschaftliche Schocks vorbereitet als noch in der letzten Krise.In dem Paket, das zum Teil schon auf globaler Ebene vom Baseler Ausschuss beschlossen worden war, geht es unter anderem darum, die Auswirkungen der neuen Buchhaltungsregeln IFRS (International Financial Reporting Standard) 9 auf das Eigenkapital abzumildern – etwa bei der Frage, ab wann Rückstellungen für erwartete Verluste in der Coronakrise und für faule Kredite gebildet werden müssen. Zahlungsverzögerungen bei Kreditstundungen sollen nicht sofort dazu führen, dass die Vorsorge für den Ausfall des Kredits kräftig erhöht werden muss. Öffentlich garantierte Kredite sollen temporär gleichgestellt werden mit garantierten Exportkrediten.Die Anwendung der Leverage-Ratio-Regeln sollen zugleich um ein Jahr verschoben werden. Zentralbankguthaben sollen Institute – wie bereits in den USA und in der Schweiz – in Krisenzeiten aus der Leverage Ratio herausrechnen dürfen. Einige Elemente des 2019 verabschiedeten Bankenpakets werden zugleich vorgezogen, wie die in der Kapitalrichtlinie CRR geplante Regelung, wonach Investitionen in Software nicht mehr pauschal vom Eigenkapital abgezogen werden müssen. Vorgezogen wird auch die Anwendung des überarbeiteten Unterstützungsfaktors für Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) sowie des Faktors für Infrastrukturfinanzierungen.Banken wurden von der Kommission zu verantwortungsvollem Handeln in Bezug auf eine Dividendenausschüttung oder Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile aufgerufen. Verbote gibt es hier allerdings nicht.EU-Vertreter bezifferten die geplanten Entlastungen im Eigenkapital allein für die Banken der Eurozone im Jahr 2020 auf etwa 30 Mrd. Euro. Bei einem Multiplikator von 15 bedeute dies eine zusätzliche Kreditvergabekapazität von etwa 450 Mrd. Euro, hieß es in Brüssel. Die EU-Mitgliedstaaten und das Europaparlament müssen dem Paket allerdings noch bis spätestens Juni zustimmen, damit die Maßnahmen voll wirken.Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßte die Vorschläge im Grundsatz. Die Maßnahmen seien “ein ganz wichtiger Beitrag, um die Realwirtschaft in der aktuellen Coronakrise zu stabilisieren”, betonte Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). An einigen Stellen wünscht sich die DK allerdings Nachbesserungen: Ihr gehen die Ausnahmen bei den Zentralbankreserven nicht weit genug. Zudem will sie auch Förderkredite explizit von der Berechnung der Leverage Ratio ausnehmen. Die deutsche Kreditwirtschaft hätte sich zudem eine Aussetzung der diesjährigen Bankenabgabe gewünscht.Nach Ansicht des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) sollten außerdem weitere für Dezember geplante Neuerungen der Kapitalrichtlinie CRD/CRR wie die Überarbeitung der Großkreditregelungen oder die Konsolidierungsvorschriften verschoben werden. Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) verwies unter anderem auf die Basel-IV-Regelungen, die trotz der jüngsten Verschiebung die Banken wohl in der Phase nach der Coronakrise treffen würden. Insbesondere die mit dem Output Floor verbundenen massiven Kapitalerhöhungen könnten dann dazu führen, dass sich die Wiedergenesung der Realwirtschaft dramatisch verzögere, so der VÖB.Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold kritisierte, die EU-Bankenregulierung erweise sich als “Schönwetterveranstaltung”. Im nächsten Aufschwung müssten Eigenkapitalpuffer gebildet werden, die neue Krisen tatsächlich abfedern könnten.