Wenn das Geldhaus rot oder blau leuchtet
Als 1860 München noch in der Allianz Arena spielte, wechselte die Fassadenbeleuchtung von Spieltag zu Spieltag die Farbe. Traten die Bayern zu Hause an, erstrahlte das Stadion in Rot, hatten die “Sechzger” ein Heimspiel, war Blau angesagt. Welches Kreditinstitut gerade im Spiel ist, werden die Kunden im Taunus vor den Toren Frankfurts auch bald daran erkennen, ob der “Finanzpunkt” bayernrot oder löwenblau leuchtet (wobei die exakten Farbtöne freilich etwas von jenen der Vereine abweichen). An den roten Tagen bedient der Sparkässler seine Klientel, an den blauen die Volksbankerin die ihre. So sieht das geheimnisumwobene Projekt aus, das die Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Volksbank, Eva Wunsch-Weber, und der Vorstandsvorsitzende der Taunus Sparkasse, Oliver Klink, am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Sulzbach im Main-Taunus-Kreis vorstellen wollen.Die “Welt am Sonntag” und die Nachrichtenagentur Reuters haben am Freitag die Mauern des Schweigens eingerissen und den berühmten informierten Kreisen ein paar Details entlockt. Demnach sollen rund 50 Filialen in den jeweiligen Geschäftsgebieten beider Institute künftig unter dem Namen “Finanzpunkt” gemeinsam betrieben werden. Die Logos von Sparkasse und Volksbank verschwinden. Die neuen Standorte sollen an vier Tagen pro Woche wechselweise von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen und des genossenschaftlichen Hauses besetzt sein und entsprechend beleuchtet werden – damit es nicht zu Verwechslungen kommt. Die Geldautomaten können die Kunden beider Institute nutzen.Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Und mit Filialpartnerschaften, die es ja sogar branchenübergreifend gibt (Beispiel: Bankshop im Lebensmittelmarkt), lassen sich nun mal die Kosten drücken. “Eine gute Sache” heißt es daher auf beiden Seiten. Ideologische Barrieren stehen jedenfalls zwischen den Verbünden nicht im Weg. Auch auf Verbandsebene ist das säulenübergreifende Miteinander folglich kein Aufreger, zumal die Idee so ungewöhnlich längst nicht mehr ist. Allein in den vergangenen zwei Jahren gab es quer durch die Republik mehrere Ankündigungen dieser Art.Die aktuelle rot-blaue Zusammenarbeit im Frankfurter Umland mag ein Novum sein, was die regionale Ausdehnung respektive die hohe Zahl der Stützpunkte angeht. Doch gerade Frankfurter Volksbank und Taunus Sparkasse hatten schon Ende 2000 die wechselseitige Öffnung ihrer Geldautomaten für die kostenlose Nutzung durch Kunden des Mitbewerbers und obendrein auf mittlere Sicht die Einrichtung von 30 gemeinsamen Selbstbedienungsfilialen annonciert. Um dieses Großprojekt ist es im Lauf der Jahre verdächtig ruhig geworden. 2004 plädierte der damalige Chef der Frankfurter Volksbank, Hans-Joachim Tonnellier, sogar – zu diesem Zeitpunkt sehr visionär – für Fusionen von Häusern aus beiden Lagern zu großen Regionalbanken in der Rechtsform der Genossenschaft. Wenn die EZB und die Regulatoren ihren jeweiligen Crash-Kurs fortsetzen, wird womöglich bald auch noch dieses Tabu gebrochen.