GASTBEITRAG

Wenn du Fintechs nicht schlagen kannst, verbünde dich mit ihnen

Börsen-Zeitung, 31.8.2016 Banken-CEO sehen sich heute mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Eine der größten: Wie sollen sie mit Fintech-Start-ups umgehen? Schließlich greifen die Finanztechnologieunternehmen traditionelle Banken...

Wenn du Fintechs nicht schlagen kannst, verbünde dich mit ihnen

Banken-CEO sehen sich heute mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Eine der größten: Wie sollen sie mit Fintech-Start-ups umgehen? Schließlich greifen die Finanztechnologieunternehmen traditionelle Banken inzwischen an allen Fronten an, von der Finanzberatung über Bildungskredite bis hin zu Peer-to-Peer-Lending und Crowd-Finanzierung. Fintech werden also nicht ohne Grund inzwischen als wachsende Gefahr für das Geschäft wahrgenommen. Erfolgreiche FinanzierungDie Dynamik des Fintech-Markts zeichnet sich auch in den Finanzierungsrunden der Start-ups ab. Zwischen 2010 und 2015 sind die Investitionen weltweit von 1,8 auf 22,3 Mrd. Dollar gestiegen – ein starkes Wachstum, das sich auch im ersten Halbjahr dieses Jahres mit einem Volumen von 15,2 Mrd. Dollar fortgesetzt hat. Allein auf Deutschland entfielen dabei rund 442 Mill. Euro. Doch wie sollten Finanzinstitute nun mit diesen Herausforderern umgehen? Liegt die Lösung in einer Intensivierung des Wettbewerbs oder im Schulterschluss? Unsere jüngsten Zahlen, aber auch der Blick auf den Markt zeigen, dass die Zusammenarbeit sowohl für Banken als auch für Fintechs der bessere Weg zu sein scheint.Fintech-Unternehmen sind typischerweise kleiner und beweglicher als Banken. Und sie nutzen Technologie weit schneller und effektiver. Mit dieser Dynamik im Rücken können diese Start-ups auch Nischensegmente und Konsumenten bedienen, die für die großen Marktteilnehmer schlichtweg unerreichbar sind. Das mögen nicht nur die Kunden, sondern auch die Investoren.Insofern ist es wohl kaum überraschend, dass die erfolgreichsten Fintechs nicht lange klein bleiben. Nach ihren Börsengängen im vergangenen Jahr haben beispielsweise Paypal und Square inzwischen Marktkapitalisierungen erreicht, die viele der etablierten Finanzinstitutionen deutlich in den Schatten stellen. 20 Top-Fintechs sind inzwischen zu Unicorns herangereift und übersteigen als private Unternehmen den Wert von 1 Mrd. Dollar.Die initiale Antwort aus der Finanzindustrie auf die neue Konkurrenz war bislang, entweder diesen Prozess zu ignorieren oder in die Entwicklung technologischer Lösungen im eigenen Haus zu investieren. Viele Finanzinstitute scheinen daran auch weiterhin festzuhalten. Schließlich war die Branche nach unserer Erhebung 2015 an gerade einmal 10 % der Fintech-Investitionen mit einem Gesamtvolumen von 5 Mrd. Dollar beteiligt. Verglichen mit den 480 Mrd. Dollar, die die Branche allein in diesem Jahr für Technologie ausgibt, ist dies ein mehr als bescheidener Wert. Banken-IT als HemmnisEine Strategie des Frontal-Wettbewerbs greift allerdings nicht. Nicht nur die IT-Altlasten der Banken wirken wie eine Barriere, auch die Personalebene stellt hier ein Hindernis dar. Hochkarätige Technologietalente anzuwerben, stellt für Banken nach wie vor ein enormes Problem dar, schließlich arbeiten diese lieber in einem Umfeld, in dem Technologie eine Priorität darstellt.Doch laut unseren Erhebungen verfügen selbst an der Spitze der führenden Banken nur 3 % der CEO und 6 % der Vorstandsmitglieder über Technologiekompetenz. Derart aufgestellt können Finanzinstitute entsprechende Rahmenbedingungen wohl kaum abbilden. Hinzu kommt die regulatorische und administrative Komplexität, so dass es nicht verwunderlich ist, dass Banken mit der Geschwindigkeit von Fintech-Wettbewerbern nicht mithalten können. Teure KundenakquiseAber auch Fintechs tun sich bisweilen schwer im Wettbewerb mit den traditionellen Akteuren. Technologie-Start-ups scheitern oft aufgrund der hohen Kosten für die Kundenakquisition. Zugleich agieren auch ihre Investoren zunehmend zurückhaltend, insbesondere in Anbetracht vermehrt schlechter Nachrichten wie zum Beispiel der Einstellung des Geschäftsbetriebs beim Kredit-Start-up Vouch oder Managementproblemen bei anderen. In einem Umfeld, in dem sich der Wettbewerb als äußerst zäh erwiesen hat, kann gerade in der Zusammenarbeit ein effektiver Ansatz für beide Seiten liegen.Den Vormarsch solcher Kooperationsmodelle belegen auch die Zahlen unserer jüngsten Fintech-Studie. So stieg der Anteil der Investitionen in Start-ups, die eine Zusammenarbeit mit Banken anstreben, im vergangenen Jahr um 138 %. Sie machen damit inzwischen 44 % aller Fintech-Investments aus.Zum Vergleich: Die Steigerungsrate bei wettbewerbsorientierten Tech-Unternehmen lag bei lediglich 23 %. Konkrete Modelle für die Zusammenarbeit fallen hier durchaus unterschiedlich aus. Direktinvestitionen, wie der Kauf eines Anteils von insgesamt 29,5 % an der auf Mobile Banking fokussierten britischen Atom Bank durch BBVA sind sicherlich eine Option.Auch die gemeinsamen Aktivitäten von Kabbage und Santander belegen, dass damit neue Angebote möglich werden. Denn kurz nachdem sich die Spanier bei der Kreditplattform für kleine Unternehmen beteiligt hatten, begannen sie, über diese Darlehen herauszugeben.Andere Kooperationsvarianten beinhalten wiederum die Öffnung der Bank-Plattform für Innovationen Dritter, so wie dies auch Apple externen Entwicklern über seinen App-Store ermöglicht. Gerade die Umsetzung der zweiten europäischen Zahlungsdienstrichtlinie (PSD2) wird die Entwicklung weiter in diese Richtung lenken. Banken in den EU-Mitgliedstaaten müssen im Zuge der neuen Regelungen bis 2018 Daten- und Kontozugriff für Marktteilnehmer von außen öffnen.Die Standardisierung von Karten-, Online- und mobilen Zahlungen vereinfacht aber zugleich die Zusammenarbeit zwischen Finanzdienstleistern und Start-ups. Indem sie ihre Plattformen öffnen, können Banken Fintechs dauerhaften Zugang zu ihrer riesigen Kundenbasis bieten und zugleich mit den Services dieser innovativen Spieler eine ganz neue Kundenerfahrung bieten. Genau letzterer Aspekt könnte sich schon bald als entscheidend für die Zukunft der Banken und den Erfolg der Fintechs herausstellen. Von Google & Co. lernenGoogle, Apple, Facebook, Amazon und Alibaba – im englischen Sprachraum inzwischen unter der wenig griffigen Abkürzung Gafaa bekannt – haben schließlich die Erwartungen der Kunden an den digitalen Service neu definiert. Trotz einiger Fortschritte ringen Banken noch immer damit, diese Erwartungen zu erfüllen.Zugleich erobern die Technologieunternehmen Stück um Stück Geschäftsbereiche im angestammten Bereich der Finanzinstitute – sei es im Segment der Kreditvermittlung mit Amazon oder der Zahlungssysteme mit Google Wallet. Wie man Kunden besser versteht, mit ihnen kommuniziert und auf dieser Grundlage Angebote schafft, die deren Bedürfnissen entsprechen: All dies können Banken von Gafaa abschauen.Partnerschaften mit Fintechs können darauf aufsetzen und ermöglichen es, künftig innovativere Produkte und Services zu schaffen. Zugleich könnten Start-ups ausgelagerte Teile der Banking-Lieferkette weit effizienter betreiben, während sich die Finanzinstitute stattdessen auf die wirklich für sie wertschöpfenden Geschäftsfelder konzentrieren. Kompromisse gefragtNatürlich ist die Kooperation für alle Beteiligten nicht ohne Kompromisse zu haben. Fintech-Partner werden über kurz oder lang ihren Margenanteil fordern, auch wenn die Erträge der Banken ohnehin schon unter extremem Druck stehen. Auf der anderen Seite werden die Start-ups lernen müssen, mit den bisweilen schwerfälligen Giganten der Finanzindustrie umzugehen.In ihrer Strategie für die digitale Welt müssen Bankvorstände den Spagat zwischen Innovation und Schutz des Kerngeschäfts meistern. Kein Wunder also, dass sie die Notwendigkeit sehen, über und mit Fintechs zu sprechen und die eigene Marschrichtung neu zu bewerten. Der Preis des Nichtstuns ist allemal größer: Banken könnten überflüssig werden.—-Richard Lumb, Leiter der globalen Financial Services-Praxis der Beratungsgesellschaft Accenture