UNTERM STRICH

Wenn Unternehmen sturmreif geschossen werden

Börsen-Zeitung, 1.10.2016 Gewiss ist es reiner Zufall, dass nach der vor zwei Wochen in die Welt gesetzten US-Strafzahlungsforderung von angeblich 14 Mrd. Dollar die Deutsche Bank durch insbesondere von US-Medien verbreitete Spekulationen quasi...

Wenn Unternehmen sturmreif geschossen werden

Gewiss ist es reiner Zufall, dass nach der vor zwei Wochen in die Welt gesetzten US-Strafzahlungsforderung von angeblich 14 Mrd. Dollar die Deutsche Bank durch insbesondere von US-Medien verbreitete Spekulationen quasi sturmreif geschossen wird. Und natürlich ist es auch reiner Zufall, dass die ebenfalls noch laufenden Verhandlungen über die Strafe des VW-Konzerns in den USA wegen der Abgasmanipulationen in diesen Tagen von amerikanischen Medienspekulationen über angebliche Höchststrafen und weitere VW belastende Einzelheiten aus den Ermittlungen der amerikanischen Anwaltskanzlei Jones Day begleitet werden. US-Justiz gewinnt immerDie Lehre aus diesen Zufällen ist, dass mit solchen Zufällen rechnen sollte, wer in den USA in Gerichtsauseinandersetzungen verstrickt ist, sei es in zivilrechtliche Schadenersatzprozesse – dieses Kapitel hat VW mit der Vergleichszahlung von 15 Mrd. Dollar schon abhaken können – oder in strafrechtliche Ermittlungen. Nicht nur die Beilegungen von Sammelklagen tatsächlich oder vermeintlich Geschädigter sind in den USA bekanntlich Verhandlungssache, sondern auch die von der US-Justiz verhängten Strafzahlungen. Hierfür das Bild vom Verhandlungspoker zu wählen, wäre aber schon deswegen irreführend, weil der Sieger von vornherein feststeht, und es – aktuell für Deutschlands Wirtschaftsikonen Deutsche Bank und Volkswagen – nur noch um die Frage geht, wie hoch der Einsatz sein muss, um die Strafverfolgung zu den Akten zu legen. Besser den Mund haltenAnders als Volkswagen, die in diesem ungleichen Poker nicht zuckt und sich zu keiner sichtbaren Gefühlswallung verführen lässt, hat die Deutsche Bank den Fehler gemacht, zu reagieren und sogar die Höhe der kolportierten Strafzahlung ins Reich der Fantasie zu verweisen. Das rächt sich jetzt. Anstatt in Anlehnung an einen Fußballspruch dem Grundsatz zu folgen “Mund halten und weitermachen”, glaubte man öffentlich über Verhandlungsziele schwadronieren zu müssen. Damit wird es eine Frage der Zeit sein, bis die Deutsche Bank bereitwillig jede noch so hohe Strafe akzeptiert, um die gezielt gestreuten Gerüchte über nötige Kapitalerhöhungen oder gar staatliche Hilfe nicht zur Self-fulfilling Prophecy werden zu lassen.Das kommunikative Versagen der Bank durch verzweifelte Hinweise auf die “Fakten” in einer Zeit, in der Fakten nicht zur Kenntnis genommen werden und überdies schnell überholt sein können, verwundert angesichts der Erfahrungen, die andere Unternehmen in ähnlichen Situationen schon gemacht haben. Und sollte nicht gerade eine Investmentbank, die in den Jahren vor und kurz nach der Finanzkrise kaum eine Marktschweinerei ausgelassen hat, wissen, wie schnell man Opfer erst von Hedgefonds und dann des Marktes werden kann, wenn das Vertrauen verspielt ist?Aus den Schlagzeilen dieser Tage aber den Schluss zu ziehen, die US-Administration würde – mit Unterstützung der dortigen Justiz – gezielt auf deutsche Unternehmen losgehen und damit Wettbewerbern amerikanischer Konzerne das Leben schwer machen wollen, wäre trotz der naheliegenden Vermutung zu einfach. Ähnlich gnadenlos reagieren Verwaltung, Börsenaufsicht SEC oder US-Gerichte auch bei Verstößen einheimischer Unternehmen, nur findet das in deutschen Blättern wenig Niederschlag. Aktuelle Beispiele sind die Strafe der SEC von immerhin 413 Mill. Dollar für den amerikanischen Hedgefonds Och-Ziff wegen Bestechung in Afrika (siehe Bericht Seite 5) und das öffentliche Anprangern von Wells-Fargo-CEO John Stumpf durch Administration und US-Senat wegen gefälschter Kontoeröffnungen (vgl. BZ vom 29. September). Wo noch, außer natürlich in dieser Zeitung, wird der interessierte Leser in deutschen Medien darüber ausführlich informiert?Wenn es Unterschiede in der Verfolgung und Aufklärung von Verfehlungen gibt zwischen amerikanischen und deutschen Unternehmen in den USA, dann haben sie ihre Ursache eher im Umgang der Unternehmen mit der Situation. Während deutsche Konzerne den Eindruck erwecken, nicht mit offenen Karten und auf Zeit zu spielen, zeigen US-Konzerne Demut und lassen schnell die Hosen herunter. Sie sind vom amerikanischen Rechtssystem geprägt, in dem es sich in der Regel auch finanziell lohnt, Fehler einzugestehen und ohne allzu langes Feilschen zu büßen. Man denke an den Fall der defekten Zündschlösser bei General Motors, die ja angeblich am Unfalltod von mehr als 100 Menschen schuld waren und damit viel schlimmere Folgen für Leib und Leben hatten als beispielsweise erhöhte Abgaswerte bei bestimmten Dieselmotoren. Aber GM kam mit einer Buße von nur 900 Mill. Dollar davon, weil man dort vorbehaltlos zur Aufklärung und Aufarbeitung der Affäre beitrug. Auch Volkswagen hat sich zu voller Kooperation mit den US-Behörden verpflichtet, was aber wegen des ungeschickten Agierens und unglücklicher öffentlicher Äußerungen einiger VW-Verantwortlicher in der Öffentlichkeit nicht immer so wahrgenommen wurde. Zumindest hier in Deutschland. Wie die Wahrnehmung in den USA war, wird man demnächst am Strafmaß erkennen. US-Wahl sorgt für DruckDer wachsende Druck in den noch ausstehenden Einigungen über das Strafmaß dürfte auch mit dem näher rückenden Termin der amerikanischen Präsidentschaftswahl zu tun haben. Mit einem neuen Präsidenten wechselt in den Monaten danach auch ein Teil der Administration, eröffnen sich für aufstrebende Beamte und Staatsanwälte Karrierechancen. Folglich gibt es ein Eigeninteresse der US-Behörden, öffentlich beachtete Fälle wie Deutsche Bank und Volkswagen in ihrem Sinne erfolgreich zu Ende zu bringen. Aber auch die deutschen Unternehmen sollten an einer möglichst schnellen Einigung interessiert sein. Denn mit einer neuen Verhandlungsseite in den USA ginge das Theater von vorn los, würde sich die partielle Lähmung der Unternehmen fortsetzen.—-c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringMit US-Behörden ist nicht zu spaßen und auch kaum zu verhandeln. Das lernen gerade Deutsche Bank und Volkswagen.——-