Wertpapiere bleiben unverzichtbar
Viele Deutsche scheuen sich vor Wertpapieranlagen. Das vergrößert die Ungleichheit der Vermögen und damit die Spannungen in unserer Gesellschaft. Insbesondere Gutverdiener mehren ihr Vermögen mit Wertpapieren. Die anderen machen darum einen großen Bogen, auch weil ihnen linke Politiker und übereifrige Anlegerschützer einreden, Wertpapiere seien viel zu riskant. Dabei sind Sparstrumpf und Sparschwein nicht die Lösung, sondern selbst das Problem. Deutsche sparen sich ärmerDeutschland ist mit Blick auf die Wertpapierkultur ein Entwicklungsland. Die negativen Auswirkungen werden immer deutlicher. So liegen 2,3 Bill. Euro niedrig oder nicht verzinste Gelder auf Giro- oder Tagesgeldkonten. Gleichzeitig nimmt die Inflation zu. Das Ergebnis heißt schlicht: Vermögensvernichtung. Die Deutschen “sparen” sich also jährlich um fast 43 Mrd. Euro ärmer.Während die Ungleichheit bei den Einkommen in Deutschland nicht größer geworden ist, gilt dies nicht für die Vermögen. Die Reichen werden reicher, die Armen bleiben arm. Es bildet sich ein Vermögensproletariat. Das ist fatal für eine Gesellschaft, die sich bisher immer durch ihren sozialen Ausgleich ausgezeichnet hat. Das ist fatal für den Zusammenhalt in unserem Lande. Dies stärkt auch die politischen Ränder links und rechts.Politik, Wirtschaft und Medien sollten also alles tun, damit mehr Menschen in Wertpapiere investieren, gute Anlageentscheidungen treffen und so langfristig ein finanzielles Polster aufbauen und zusätzlich für das Alter vorsorgen.Doch was genau brauchen die Anleger eigentlich? Privatanleger möchten renditestarke Finanzprodukte mit geringen Kosten, die zu ihnen passen. Sie sollten ihrem persönlichen Risikoprofil, ihren Renditeerwartungen und ihrem Anlagehorizont entsprechen. Um die richtigen Finanzprodukte auswählen zu können, benötigen die Anleger qualitativ hochwertige, leicht verständliche Informationen, die es ihnen ermöglichen, die wesentlichen Merkmale und die Funktionsweise des jeweiligen Finanzproduktes zu verstehen. Außerdem möchte kein Anleger von den Kosten überrascht werden. Neben der Produkttransparenz ist daher auch die Kostentransparenz von entscheidender Bedeutung. Hausaufgaben erledigtDie Zertifikatebranche hat hier ihre Hausaufgaben weitgehend gemacht. Der Deutsche Derivate Verband hat mit seinen Mitgliedern in der vergangenen Dekade viele Branchenstandards gesetzt und für die Anleger ein hohes Maß an Übersicht, Transparenz und Vergleichbarkeit geschaffen. Gerade bei der Produkt- und Kostentransparenz gilt die deutsche Zertifikatebranche europaweit als vorbildlich. Das Produktuniversum der strukturierten Wertpapiere ist inzwischen so umfangreich, dass eigentlich jeder Anleger, der unter Berücksichtigung seines individuellen Risiko-Rendite-Profils in einen bestimmten Basiswert investieren möchte, hierfür ein passendes Zertifikat findet.Gleichzeitig kümmert sich der Deutsche Derivate Verband auch um die Finanzbildung. Mit Publikationen, Videos, Podcasts und einer Online-Schulung vermittelt der Verband Anlegern praktisches Wissen rund um das Thema Wertpapiere. Sehr erfolgreich gestartet ist zudem die neue Bildungsinitiative “DDV on Tour”, in deren Rahmen der bekannte Börsenexperte Holger Scholze Finanzwissen vermittelt. Sie findet inzwischen bundesweit regen Zuspruch.Eine große Hürde für den Wertpapierkauf liegt inzwischen bei der Anlageberatung. Wertpapierkultur und Anlegerschutz sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb gehört es zu den Aufgaben des Gesetzgebers, vor allem die weniger informierten Anleger zu schützen. Hier ist in den vergangenen Jahren viel Sinnvolles passiert. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber aber gerade in der Anlageberatung weit über das Ziel hinausgeschossen.Die Abläufe beim Wertpapierkauf sind umständlich und zeitraubend. Der bürokratische Aufwand ist mittlerweile so hoch, dass Kunden verärgert sind und vor einer Anlage in Wertpapiere zurückschrecken. Ein Beratungsgespräch kann aufgrund der zahlreichen Vorgaben mittlerweile Stunden dauern. Banken sind gezwungen, den Anleger mit einer Flut von Informationen zu versehen. Ganze Wälder werden abgeholzt, um Literatur für Nichtleser zu produzieren. Die Informationsblätter sind in Teilen eher verwirrend als hilfreich. Hier sollte der Gesetzgeber stärker Experten und Praktiker zu Rate ziehen, bevor er Regelungen verabschiedet. Das gilt auch für die europäische Aufsicht. Das Anfang des Jahres eingeführte große Regelwerk der EU namens Mifid II umfasst mittlerweile mehr als 1,4 Millionen Paragrafen auf mehr als 20 000 Seiten. Eine Regulierung mit Augenmaß sieht anders aus. Steuerpolitik kontraproduktivEine nachhaltige Wertpapierkultur braucht auch kluge Steuergesetze, die den Anleger nicht über Gebühr belasten und die Anlage in Wertpapiere attraktiv macht. Die geplante Abschaffung der Abgeltungsteuer auf Zinsen bei gleichzeitiger Beibehaltung dieser Steuer auf Dividenden und Vermögenszuwächse macht das deutsche Steuersystem noch komplizierter und schafft gleichzeitig viele neue Abgrenzungsprobleme. Für die Banken ist die Umsetzung mit unvertretbar hohen Kosten verbunden. Auch der Arbeitsaufwand für die Finanzverwaltung wird spürbar größer, einmal ganz zu schweigen von den Anlegern, die dann noch mehr Zeit in ihre Steuererklärung investieren müssen. Auch die geplante Finanztransaktionssteuer nach französischem Vorbild wird nur Verlierer haben: den einheitlichen Binnenmarkt, den Finanzplatz Deutschland, die Banken und die Unternehmen und nicht zuletzt die Anleger, die Aktien kaufen.Beide steuerliche Vorhaben der Regierungskoalition dienen nur der Symbolpolitik im Namen einer sozialen Gerechtigkeit. Hier bestimmen nicht klare Fakten, sondern diffuse Gefühle das politische Handeln. Letztlich sind diese Steueränderungen nichts Anderes als weitere Sargnägel für die deutsche Wertpapierkultur.Wir brauchen in Deutschland mit Blick auf Wertpapiere ein tiefgreifendes Umdenken. Vermögensaufbau und Altersvorsorge sind keine reinen staatlichen Aufgaben. Unsere soziale Marktwirtschaft lebt davon, dass der Einzelne Verantwortung übernimmt, für sich selbst und für seine Familie – auch in finanziellen Angelegenheiten. Jeder muss für seine Finanzen ein wenig Zeit aufwenden. Die Tatsache, dass die Investition in Wertpapiere mit Risiken verbunden sein kann, darf den Blick auf die Chancen nicht verstellen. Hierbei können übrigens auch Journalisten Orientierung und Hilfe bieten. Alle, die ein volles Sparschwein haben oder ihr Geld auf dem Girokonto parken, sollten sich einen Ruck geben und einen Teil davon in Wertpapiere investieren.Auch der Gesetzgeber ist gefordert. Er muss neben der Rente endlich die beiden Säulen der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge wirksam stärken. Das derzeitige Steuerregime für Wertpapiere hat sich bewährt. Deshalb Hände weg von der Abgeltungsteuer und ein Begräbnis dritter Klasse für die unsägliche Finanztransaktionsteuer. Außerdem muss die schon bestehende Regulierung schnellstmöglich überprüft werden. Die völlig absurde Überregulierung in der Anlageberatung ist abzubauen, denn sie erstickt sowohl bei Banken und Sparkassen als auch beim Kunden jegliches Interesse am Wertpapiergeschäft. Ziel: Wohlstand für alleImmer wichtiger für das Wertpapiergeschäft wird die Aufsicht auf nationaler und mit der ESMA auf europäischer Ebene. Hier appelliere ich, für den Dialog offen zu bleiben sowie Experten und Praktiker frühzeitig einzubeziehen. Die politisch formulierten Ziele könnten so mit sehr viel weniger Aufwand und viel geringeren Kosten erreicht werden. Die Förderung der Wertpapierkultur hat eine gesamtwirtschaftliche und eine gesamtgesellschaftliche Dimension Es geht hier weniger darum, ob jemand etwas mehr oder weniger Geld auf dem Konto hat. Es geht um das zentrale Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft – nämlich Wohlstand für alle. Dafür brauchen wir Wertpapiere. Dafür brauchen wir Aktien, Anleihen und gerne auch Zertifikate.—-Hartmut Knüppel, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Derivate Verbands (DDV)