Folgen der Negativzinsen

Westfalen-Lippe feilt am Geschäftsmodell

Trotz Rekorden im Kredit- und Einlagengeschäft der Sparkassen in Westfalen-Lippe ist der Ertrag 2020 weiter erodiert. Von daher soll das Geschäftsmodell künftig unabhängiger vom Zinsgeschäft gestaltet werden. Um die Kosten weiter zu drücken, drängt der Sparkassenverband zu mehr Konsolidierung im Verbund.

Westfalen-Lippe feilt am Geschäftsmodell

ab Düsseldorf

Exorbitante Zuwächse im Einlagen- und Kreditgeschäft haben die Sparkassen in Westfalen-Lippe 2020 nicht vor einer weiteren Ertragserosion bewahrt. In Relation zur durchschnittlichen Bilanzsumme (DBS) erwirtschafteten die 57 Institute, die dem Sparkassenverband Westfalen-Lippe (SVWL) angehören, nur noch ein Betriebsergebnis vor Bewertung von 0,80 (i.V. 0,87) %. Angesichts des historischen Anstiegs der aggregierten Bilanzsumme um über 9 % auf 153 Mrd. Euro ist der relative Wert zwar etwas verzerrt, doch ist der Trend eindeutig.

Schuld daran ist nach Einschätzung von Liane Buchholz, Präsidentin des SVWL, die Europäische Zentralbank (EZB), welche die Sparkassen mit negativen Einlagenzinsen zur Kasse bittet. „Mehr als drei Viertel der Sparkassen aus Westfalen-Lippe haben die im September 2019 eingeführten Freibeträge ausgeschöpft“, veranschaulichte Buchholz in der virtuellen Pressekonferenz. In Summe kostete der Einlagenüberhang die SVWL-Sparkassen im vergangenen Geschäftsjahr 11 Mill. Euro. Mittlerweile fielen nur noch 28 % aller Bankeinlagen unter die Freibeträge. Als die Freibeträge eingeführt wurden, deckten sich noch 55 % der Bankeinlagen. Für Buchholz steht damit fest: „Das geht so nicht. Die Freibeträge müssen rauf!“

Da die EZB-Politik die Effizienzerfolge der Kreditinstitute zunichtemache, sei „eine auf Zinsen ausgerichtete Geschäftspolitik schwierig, wenn nicht sogar unmöglich“, folgerte Buchholz und mahnte an, das Geschäftsmodell vom Zins unabhängiger zu gestalten. „Für die Sparkassen ist der Punkt erreicht, sich neu auszurichten und eine Transformation zu vollziehen.“

Konkret gehe es darum, den Provisionsüberschuss weiter auszubauen und parallel dazu die Kosten zu drücken, führte Jürgen Wannhoff, Vizepräsident des SVWL aus. Illusionen gibt sich Wannhoff dabei aber nicht hin: „Der Zinsüberschuss bleibt eine prägende Ertragssäule.“ Das Ge­schäft werde immer einlagenbasiert sein. Ausgehend von einem Provisionsüberschuss von 950 Mill. Euro im abgelaufenen Turnus streben die SVWL-Sparkassen bis 2025 „weit über 1 Mrd. Euro“ an. Zugleich solle der Verwaltungsaufwand, der sich zuletzt zwischen 1,40 % und 1,50 % der DBS bewegte, in Richtung 1,20 % bis 1,30 % gesenkt werden.

Beim Thema Kosten reicht der Blick der Sparkassen allerdings über den eigenen Tellerrand hinaus. Vor allem im Verbund müsse man zu größeren und leistungsstärkeren Einheiten kommen, sagte Buchholz. „Auf Ebene der Zentralinstitute müssen wir uns dringend bewegen. Beginnen müssen wir aber im Kleinen“, sagte die SVWL-Chefin mit Verweis auf mehrere hundert Einzelgesellschaften, auf die in der Vergangenheit lokal oder regional Dienstleistungen ausgelagert wurden. „Hier verschaffen wir uns gerade einen Überblick.“

Dass die Gespräche über die Fusion von Helaba und DekaBank, die mit Ausbruch der Pandemie auf Eis gelegt wurden, zügig wiederbelebt werden, ist auch nach Einschätzung Sparkassenverbandspräsidenten aus Baden-Württemberg und Ostdeutschland unwahrscheinlich.

Jenseits der Schaffung eines Spitzeninstituts für die Sparkassen geht es Buchholz aber auch um die Konsolidierung der Landesbausparkassen. Alle LBS zusammen seien etwa so groß wie Schwäbisch Hall. Die Bausparkasse der genossenschaftlichen Finanzgruppe arbeite jedoch mit einer 200 Mill. Euro niedrigeren Kostenbasis, veranschaulichte Buchholz. Bei den Versicherern – hier war im vorigen Jahr im fünften Anlauf der Zusammenschluss der Provinzial Nordwest mit der Provinzial Rheinland gelungen – macht Buchholz ebenfalls Potenzial aus. Die Fusion ziehe zwar zunächst noch ein paar Folgeschritte nach sich, anschließend sei der Boden für mehr jedoch bereitet.

Wenngleich sich nicht seriös abschätzen lasse, wie viele Unternehmen der Lockdown reiße, ist der SVWL optimistisch, dass es diesem Jahr nicht zu weitreichenden Kreditausfällen kommt.

SVWL
Aggregierte Kennzahlen nach HGB
in Mill. Euro20202019
Zinsüberschuss2 2842 346
Provisionsüberschuss953926
Betriebsergebnis vor Bewertung1 1701 184
Bewertungsergebnis Wertpapiere– 101104
Bewertungsergebnis Kredite– 112– 109
Jahresergebnis190166
Cost-Income-Ratio (%)64,064,0
Bilanzsumme (Mrd.)153,3140,3
Kundeneinlagen (Mrd.)113,0103,6
Kundenkredite (Mrd.)102,497,5
Börsen-Zeitung