Wettbewerbsverzerrungen in der 3. Liga

Drittligisten beziehen ihre Spannung nicht aus einem ausgeglichenen Wettbewerb, sondern aus ihrer unmittelbaren Nähe zu Fans und Vereinsmitgliedern

Wettbewerbsverzerrungen in der 3. Liga

Seit 2001 werden die Fernsehrechte an der Fußball-Bundesliga von der DFL (Deutsche Fußball Liga GmbH) vermarktet. Als zentrale Vermarktungsorganisation der Vereine der Bundesliga und 2. Bundesliga hat die DFL zwei Ziele ausgegeben: die Transaktionskosten des Vermarktungsprozesses zu minimieren und dafür zu sorgen, dass die kumulierten Gewinne aller repräsentierten Fußballvereine höher ausfallen als bei einer dezentralen Vermarktung durch die einzelnen Vereine. Abgesehen von der überhasteten Vergabe der Pay-TV-Rechte an die Unitymedia-Tochter Arena Ende 2005 hat die DFL die Vereine in den Vertragsverhandlungen bislang recht erfolgreich repräsentiert. Seit Beginn der Zentralvermarktung konnten die Einnahmen aus werbe- und abonnentenfinanziertem Fernsehen von 169 auf 1 160 Mill. Euro nahezu versechsfacht werden. Im Durchschnitt beliefen sich die jährlichen Steigerungsraten damit auf 10,1 % – womit sich die Bundesliga gegenüber den meisten anderen europäischen Ligen nicht verstecken muss.Zentrale Stellschraube dieser Preisinflation ist eine Angebotsverknappung der Konsumentenminuten, also der Anzahl an Fernsehminuten, die alle Zuschauer während einer bestimmten Periode konsumieren können: Im Free-TV wird die Verknappung durch eine möglichst umfassende Verhinderung von Live-Übertragungen erreicht, im Pay-TV durch eine naturgemäß begrenzte Anzahl an Abonnenten. Auf Seiten der TV-Sender hat diese Strategie die Ausbildung eines De-facto-Monopols begünstigt, was von der DFL trotz erheblicher kartellrechtlicher Einwände als unproblematisch eingestuft wird.Dass ein bilaterales Monopol auch von den “reichen” Vereinen akzeptiert wird, ist auf die Besonderheiten des sportlichen Wettbewerbs in einer Fußballliga zurückzuführen: Zwar könnten Spitzenclubs bei einer dezentralen Individualvermarktung – zumindest kurzfristig – ein für sie besseres Ergebnis erzielen; auf lange Sicht jedoch wäre eine (noch stärkere) Einseitigkeit des sportlichen Ergebnisses die Folge, was wiederum die Attraktivität des Wettbewerbs und dessen Vermarktung gefährden würde. Die zentrale Hypothese der sportökonomischen Forschung ist also, dass nur durch einen ausreichenden Finanzausgleich unter den Vereinen die sportliche Ausgeglichenheit und damit langfristig auch die Attraktivität und der wirtschaftliche Erfolg einer Liga sichergestellt werden.Leider gelten diese Gesetze nicht für Drittligisten. Vereine der 3. Liga werden im DFL-Verteilungsschlüssel des Medienpools leistungsabhängiger Verwertungserlöse nicht berücksichtigt. Vertreten werden sie nicht von der DFL, sondern vom DFB. Und das mit eher bescheidenem Erfolg: Statt 1,16 Mrd. Euro pro Saison bringt die Vermarktung der Fernsehrechte den Drittligisten gerade einmal 16 Mill. Euro ein. Verteilt werden die Gelder in Form eines Pauschalbetrags: pro Verein also kaum mehr als 800 000 Euro – die Drittligavertreter des FC Bayern München bleiben unberücksichtigt. Im Vergleich zu dem Tabellenletzten der 2. Bundesliga, der von der DFL noch mit Verwertungserlösen von etwa 7,5 Mill. Euro pro Jahr bedacht wird, fällt die Vergütung selbst des Spitzenreiters der 3. Liga also substanziell geringer aus – obwohl beide Vereine sportlich nur wenig trennt und die Fanbasis von Traditionsvereinen wie dem TSV 1 860 München oder dem 1. FC Kaiserslautern wesentlich größer ist als die vieler Zweit- und sogar Erstligisten.Wenn die Fallhöhe bei einem Abstieg in die 3. Liga so hoch ist, ist der damit verbundene Umbruch in den Vereinsstrukturen häufig von Dauer. Dies verdeutlicht ein Blick auf die Migrationstabellen, in denen wir die Konsequenzen eines Abstiegs auf die Fußballvereine dargestellt haben. Sie beantworten die Frage, in welcher Liga ein Verein zwei Jahre nach einem Abstieg spielt. Dabei könnten die Unterschiede zwischen einem Abstieg aus der Bundesliga in die 2. Bundesliga und einem Abstieg aus der 2. Bundesliga in die 3. Liga größer nicht sein.Lediglich 5,9 % der Absteiger aus der Bundesliga sind in der folgenden Saison erneut abgestiegen. Einem Verein, SSV Ulm 1846, wurde nach Ablauf der Abstiegssaison 2000/01 als Absteiger der 2. Bundesliga die Lizenz entzogen, so dass der Verein in die Verbandsliga Baden-Württemberg zwangsabsteigen musste. Ein Drittel der Absteiger schaffte dagegen den direkten Wiederaufstieg, die Übrigen (58,3 %) spielten zwei Jahre nach einem Abstieg immer noch in der 2. Bundesliga.Anders als die Folgen bei einem Abstieg aus der Bundesliga sind die sportlichen Folgen eines Abstiegs aus der 2. Bundesliga in die 3. Liga dramatisch: Mehr als ein Fünftel der Absteiger konnten die finanziellen Einbußen nicht kompensieren und sind nach einem Abstieg ein weiteres Mal abstiegen. Nur 18,5 % der Absteiger schafften dagegen den direkten Wiederaufstieg. Noch gravierender sogar sind die langfristigen Folgen eines Abstiegs in die 3. Liga. In Summe konnten 40 % aller Absteiger aus der 2. Bundesliga einen weiteren Abstieg nicht verhindern, deutlich mehr als bei Absteigern aus der Bundesliga (25,4 %).Wenn aber in der 3. Liga ein professioneller Spielerkader – Drittligisten beschäftigen heutzutage Vollprofis und keine Amateurspieler – nicht mehr unterhalten werden kann, bleibt für einen Absteiger nur die Alternative: entweder der sofortige Wiederaufstieg oder das Schrumpfen auf eine Größe, die das dauerhafte finanzielle Überleben in der 3. Liga ermöglicht, dann aber unter Aufgabe jeglicher Wiederaufstiegsambitionen.Dass heute zahlreiche Traditionsvereine ihr Dasein in den tieferen Ligen des Fußballs fristen, ist nicht zuletzt auf die bescheidenen Vermarktungserfolge des DFB für die 3. Liga zurückzuführen. Zweifellos lassen sich marktwirtschaftliche Gründe für die Ungleichbehandlung der Drittligisten gegenüber den Erst- und Zweitligisten anführen. Vielleicht sind Fußballspiele der 3. Liga einfach nicht mehr wert, und die in diesem Artikel geäußerte Kritik ist lediglich sozialromantisches, weil leistungsfeindliches Getöse? Doch ist nicht das genaue Gegenteil der Fall? Bleibt nicht gerade in der Zentralvermarktung der DFL die marktwirtschaftliche Belohnung des Besseren ungewürdigt? Wenn aber Solidarität als Bestandteil des Wettbewerbs gewollt ist, muss die DFL auch die Vereine der 3. Liga vertreten. Es nicht zu tun, nur weil die 3. Liga zum Zeitpunkt der DFL-Gründung noch nicht existierte, ist ein Geburtsfehler der DFL. Dieser wird auch durch den DFB nicht geheilt, da dieser für die Drittligisten kaum in einen heftigen Wettbewerb mit der DFL treten will – könnte es doch die Vermarktungsergebnisse für die Bundesliga gefährden. So hat denn der DFB für die Drittligisten nicht mehr als eine Alibifunktion. Diese sind damit nur: gelackmeiert.Was also tun? Ganz einfach: Wenn die Zentralvermarktung für Drittligisten zu suboptimalen Ergebnissen führt und eine Zweiklassengesellschaft zur Folge hat, dann muss in der Einzelvermarktung die nutzenmaximierende Strategie liegen. Hier entscheidet jeder Verein selbst über die mediale Verwertung seiner Heimspiele, und zwar nicht nur über die Art der TV-Coverage (live, zeitversetzt, nachträgliche Berichterstattung in Ausschnitten), sondern auch über das betreffende Medium (Pay- oder Free-TV, bundesweit oder regional, werbefinanziert oder werbefrei, privat oder öffentlich-rechtlich). Jeder Verein kann dabei entsprechend seiner Popularität und regionalen Lage sowie seinem Fan-Potenzial zu unterschiedlichen Arrangements kommen und das Ergebnis optimieren. Gelegenheiten dafür gibt es viele: Nicht nur die 3. Programme der öffentlich-rechtlichen Sender sind naheliegende Interessenten, warum nicht über einen eigenen Pay-TV-Sender der Drittligisten nachdenken?Zumal eine Einzelvermarktung der Medienrechte in der 3. Liga auch deshalb angebracht ist, weil das, was in der Bundesliga für einen Ausgleich des Wettbewerbs sorgt, in der 3. Liga nicht gilt. Seien wir ehrlich: Drittligafußball ist doch nicht beliebt, weil man besonders attraktive Spiele sehen will. Die Spannung bezieht die 3. Liga aus einem in den Verbandsetagen häufig vernachlässigten Faktor: dem Fan. Während in der Bundesliga selbst Bayern-Fans das Revierderby zwischen Schalke und dem BVB einer unausgeglichenen Partie gegen den Tabellenletzten vorziehen, ist das Faninteresse in der 3. Liga, abgesehen von wenigen Regionalderbys, Auf- oder Abstiegskämpfen, ausschließlich vereinsbezogen. Die 3. Liga bezieht ihre Spannung nicht aus der Ausgeglichenheit des Wettbewerbs, sondern aus ihrer unmittelbaren Nähe zu den Fans, Vereinsmitgliedern und angeschlossenen Amateurmannschaften. Drittligisten haben mehr verdient als eine halbgare Zentralvermarktung. Peter Thilo Hasler, Gründer und Analyst der Sphene Capital GmbH