IM INTERVIEW: TORSTEN TEICHERT, LLOYD FONDS

"Wichtig ist der Zugang zu Eigenkapital"

Der Vorstandsvorsitzende des börsennotierten Hamburger Emissionshauses über die Perspektiven der Schiffsfinanzierung

"Wichtig ist der Zugang zu Eigenkapital"

– Herr Dr. Teichert, wie bereits vor Beginn der Schifffahrtskrise im Jahr 2008 stellen Bankkredite auch heute die wichtigste Kapitalquelle in der Schiffsfinanzierung dar, gefolgt – mit ebenfalls gesunkener Bedeutung – vom Eigenkapital der Reeder. Wie beurteilen Sie allgemein die Perspektiven der Schiffsfinanzierung im Jahr 7 der Schifffahrtskrise?Für Schifffahrtskunden haben sich die Herausforderungen bei der Finanzierung weiter verschärft, da die Charterraten und Neubaupreise in allen Märkten – insbesondere auch in der Containerschifffahrt – nach wie vor extrem unter Druck sind. Allerdings muss man differenzieren. Gerade bei ausländischen Banken stehen durchaus nennenswerte Neugeschäftsbudgets für moderne Tonnage zur Verfügung. Ganz anders die Situation bei der Finanzierung der bestehenden Flotte. Hier gibt es eine massive Krise und fast keinerlei Bereitschaft der Banken mehr diese Schiffe weiter zu begleiten. Wir konzentrieren uns daher momentan darauf, alternative Lösungen für unsere Anlegerschiffe in einer neuen Struktur zu entwickeln.- Wie bewerten Sie die Regulierung der Schiffsfinanzierung? Halten Sie strengere Maßstäbe der Bankaufseher für Banken mit hohem Schiffskreditanteil in der Bilanz auf Dauer für angemessen?Das ist nur logisch, denn Schiffskredite haben aufgrund der höheren Volatilität der Märkte ein anderes Risiko-Rendite-Profil als beispielsweise die Finanzierung einer Immobilie mit einer Multi-Tenant-Struktur. Allerdings gehe ich davon aus, dass sich mittelfristig alle Finanzierungsstrukturen für Sachwerte, zu denen Schiffe, Immobilien und auch Flugzeuge zählen, verändern werden.- Inwiefern?Die früher vermeintlich “sicheren” Restwerte sind heute längst nicht mehr sicher. Wir wissen auch, dass die deutschen Banken – übrigens wie der von ihnen finanzierte deutsche Mittelstand – leider deutlich unterkapitalisiert sind. Wenn man einmal die “RWA”-Betrachtung beiseitelässt, dann liegt die reale Eigenkapitalquote bezogen auf das Bilanzvolumen vieler Banken bei deutlich unter 10 %, bisweilen sogar unter 5 %. Viele renommierte Bankenkritiker sehen darin das eigentliche Problem. Und das gilt beileibe nicht nur für Banken, die Schiffsfinanzierungen machen, sondern für alle Banken. Im Vorfeld des Stresstests mit den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Banken hinsichtlich der Kapitalbasis und Liquidität haben deshalb viele Banken, die in der Schifffahrt engagiert sind, ihr Kapital zumindest ein wenig erhöht. Hinzu kommt bei allen deutschen Banken, dass sie große Volumina langfristig in US-Dollar refinanziert hatten, auch das stellt ein erhebliches Problem dar.- Das in Deutschland lange Zeit favorisierte KG-Modell, bei dem viele private Anleger Eigenkapital über geschlossene Fonds in Schiffsbeteiligungen investieren, gilt als Auslaufmodell. Warum?Das Problem war, dass die typische Einschiffsgesellschaft dem Anleger ein dreifaches Risiko auflegte: das Bonitätsrisiko beim Charterer, das Schiffsbetriebskostenrisiko und das Marktrisiko. In der 2008 begonnenen Schifffahrtskrise, die ja zeitgleich mit der Finanzkrise begann, realisierten sich alle Risiken kumulativ auf einmal. Die Folgen kennen wir. Dies führte über die letzten sechs Jahre zu einem massiven Vertrauensverlust bei den Anlegern. Deshalb ist der Finanzierungsmarkt über Schiffsfonds aber mittelfristig nicht tot. Vielmehr gilt es, insbesondere professionellen Anlegern Angebote mit einem verbesserten Rendite-Risiko-Profil zu machen als früher.- Wie soll das gelingen?Dabei spielt das Asset Management eine erhebliche Rolle. Es wäre gut, wenn – anders als in der Vergangenheit – das Schiff direkt von Menschen gemanagt wird, die zusammen mit dem Anleger mit ihrem Kopf, ihrem Einkommen und ihrem Bonus für das haften, was sie tun. Aber lassen Sie mich noch anfügen: Die Krise des KG-Marktes ist beileibe nicht nur auf die Schiffsfonds zurückzuführen. Problematische Produkte im Immobilienbereich und im Energiebereich haben dazu ebenso ihren Beitrag geleistet wie etwa die Filmfonds.- Welche Stärken und Schwächen hat das am 22. Juli 2013 in Kraft getretene Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), mit dem die Vorgaben aus der EU-Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) umgesetzt wurden, aus Sicht eines Schiffsfinanzierers in Deutschland?Das KAGB untermauert die Bedeutung des Asset Managements, denn es stärkt und professionalisiert den Fondsmanager, egal ob in der Schiffs- oder Immobilienfinanzierung, den beiden Kernbereichen der Lloyd Fonds AG. Als AIFM muss der Asset Manager beispielsweise ein Risikomanagement für seine verwalteten Fonds betreiben und Mindesteigenkapitalanforderungen gegenüber der BaFin nachweisen. Auch die Vertriebsstrukturen sind jetzt schärferen Regeln unterworfen. All dies sind wichtige Bausteine, um wieder Vertrauen der Anleger in den Markt aufzubauen, weshalb wir die Einführung des KAGB befürworten. Mittlerweile herrscht auch weitgehend Klarheit hinsichtlich der Umsetzung des KAGB. Allerdings sind alle Erwartungen hinsichtlich eines Neustarts der Branche 2014 bisher enttäuscht worden.- Sehen Sie mittel- bis langfristig Chancen für das KG-Modell und geschlossene Fonds in Deutschland? In Skandinavien besteht eine dem KG-Modell ähnliche Struktur, die durch einen engen Investorenkreis und eine von Beginn an festgelegte Nachschusspflicht (uncalled capital) gekennzeichnet ist.Hier gilt es zu differenzieren. Geschlossene Fonds – in Abgrenzung zu offenen Fonds – wird es immer geben. Inwieweit sich dieses Produkt, zumal womöglich nur mit einem einzigen Asset, allerdings zukünftig noch bei Privatkunden durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Bei professionellen und semiprofessionellen Investoren haben geschlossene Fondsstrukturen auf jeden Fall eine große Chance. Auch wir starten in den nächsten Wochen mit unserem Spezialimmobilienfonds für professionelle und semiprofessioneller Anleger, den wir zusammen mit dem Bankhaus Hauck & Aufhäuser konzipiert haben.- Welche Unterschiede und Parallelen in der Schiffsfinanzierung sind in der Entwicklung zwischen Deutschland und anderen Ländern Europas beziehungsweise Asiens und Amerikas zu beobachten?In Deutschland wurde traditionell der weitaus größte Teil der nationalen Schiffsfinanzierung an KGs gegeben, ohne größeren Unternehmenshintergrund. Das war bis 2008 auch für die deutschen Banken ein durchaus lukratives Geschäftsmodell, immerhin über einige Jahrzehnte hinweg. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der deutschen Schiffskredite an die im Moment besonders notleidenden Containerschiffe gegeben wurde. Ausländische Banken haben oft anders differenziert und auch mit höheren Margen gearbeitet. Allerdings soll keiner sagen, dass nicht auch ausländische Banken teilweise sehr problematische Schiffsportfolien haben. Wer einmal als Bank in den USA mit einem Kunden das Chapter 11 durchlaufen hat, der weiß um die Vorteile der deutschen Restrukturierungstechniken und auch des deutschen Insolvenzrechtes.- Was kann oder muss Deutschland von anderen Märkten lernen?Bezogen auf die deutschen Banken gilt eigentlich das Gleiche, was auch für andere Bereiche jenseits der Schifffahrt gilt. Auch die Kunden brauchen eine stärkere Kapitalbasis, um ordentliche Kreditnehmer zu sein. Daran hapert es in Deutschland. Mit einfachen Worten: Die deutsche Schifffahrt braucht – nach dem weggebrochenen KG-System – neues und dieses Mal echtes Eigenkapital nicht nur für die Schiffe, sondern für die Unternehmen. Also müssen die Interessen von Schiffsbesitzern und Managern in dieselbe Richtung gehen. Das war in der Vergangenheit leider oft nicht der Fall.- Internationale Reeder messen Private-Equity-Investoren, Shipping Bonds und offenen Fonds eine höhere Relevanz für die Zukunft der Schiffsfinanzierung bei. Welche Bedeutung messen Sie diesen Finanzierungsquellen absehbar in Deutschland bei?Eine Besonderheit des deutschen Marktes ist die stark mittelständische Prägung. Diesen Reedereien steht der Weg über den Kapitalmarkt nicht so ohne Weiteres offen. Der Kapitalmarkt prüft zunehmend kritisch, welche Strukturen und Kapitalmarkterfahrungen bei den Unternehmen vorhanden sind. Private-Equity-Investoren fallen als langfristige Finanzierungspartner angesichts ihrer hohen Renditeerwartungen eigentlich aus. Kurzfristig aber spielen sie natürlich eine sehr wichtige Rolle. Bei Shipping Bonds bin ich skeptisch. Wenn man sieht, welche Ausfallquote die in den letzten Jahren hochgelobten deutschen Mittelstandsanleihen haben, dann weiß man, dass nur die wirklich gut kapitalisierten Unternehmen in Zukunft solche Anleihen begeben können. Womit wir wieder beim Kern des Problems sind. Für offene Fonds sehe ich im Bereich Schifffahrt kaum eine Chance. Was wir brauchen, sind echte börsengelistete Schifffahrtsunternehmen.- Welches sind die drei wichtigsten Faktoren, auf die es in Zukunft für eine erfolgreiche Schiffsfinanzierung ankommen wird?Wichtiger Faktor ist der Zugang zu substanziellem Eigenkapital. Dazu muss ich die entsprechende Unternehmensstruktur haben. Womit wir beim zweiten Punkt sind: Das Unternehmen sollte selber als Corporate organisiert sein. Und drittens: Jedes Unternehmen, das Schifffahrt betreibt, muss sich vor dem dramatischen Wandel des Marktes ein eigenes, neues Geschäftsmodell geben. Das ist neben dem Eigenkapital das zweite Nadelöhr.- Welche Rendite- beziehungsweise Margenpotenziale halten Sie in der Schiffsfinanzierung künftig für realistisch?Schwieriges Thema. Langfristig wird man in der Schifffahrt kaum eine höhere Eigenkapitalverzinsung als etwa 10 % erreichen. Wenn wir das wieder erreichen, sind wir schon ein großes Stück weiter. Bei den Margen wird es so sein wie in vielen anderen Bereichen. Die sehr guten Kreditnehmer werden heiß umworben sein und wieder niedrige Margen wie in der Vergangenheit bekommen. Bei allen anderen werden die Margen eher steigen.—-Die Fragen stellte Carsten Steevens.