"Wichtig ist uns, besser als der Markt zu sein"
Herr Kasten, wie wirkt sich die Coronakrise auf die VGH Versicherungen aus?Für ein Fazit ist es noch zu früh. Was die kurzfristige Wirkung solcher Verwerfungen angeht: Unser Geschäftsmodell zeichnet sich durch ein hohes Maß an Trägheit aus. Anders als Unternehmen anderer Branchen sind wir von Liquiditätsabflüssen nicht unmittelbar betroffen. Wir werden aber mit den Folgen der Krise wie andere Finanzdienstleister über Jahre hinweg zu tun haben, wenn andere Produktions- und Dienstleistungsunternehmen die Turbulenzen überstanden haben. Gibt es derzeit regulatorische Vorgaben für die VGH?Auflagen für unser Unternehmen gibt es nicht, weil wir als öffentlich-rechtlicher Versicherer, ähnlich wie Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, in der glücklichen Lage sind, Gewinne zu thesaurieren. Das unterscheidet uns auch von unseren Schwesterunternehmen: Wir müssen keine Ausschüttungserwartungen von Sparkassen oder anderen erfüllen. Gibt es Restriktionen in der Kapitalanlage?Wir müssen abwarten, wie die Pakete der Politik und Notenbanken zur Abfederung der Krise wirken. Wir fahren auf Sicht. Wir profitieren aber in der gegenwärtigen Situation von unserer hohen betriebswirtschaftlichen und bilanziellen Stabilität. Unsere Ergebnis- und Substanzkennziffern sind sehr gut, so dass wir davon ausgehen, die Herausforderungen der Krise besser zu bewältigen als viele andere Marktteilnehmer. Spezifische Risiken und Herausforderungen sehe ich in unseren Risikopositionen nicht. Müssen Sie im Zuge der Krise Sparanstrengungen verstärken? Das bis 2020 angestrebte mittelfristige Ziel einer Verwaltungskostenquote von 24 % haben Sie noch nicht erreicht.Wir haben 2019 nach sieben Jahren erstmals einen leichten Kostenanstieg verbucht – um zwei Zehntel auf 24,6 %. Zum einen haben wir den kleinen Versicherungsbestand der Öffentlichen Versicherung Bremen mit einer etwas höheren Kostenquote übernommen. Zum anderen haben wir ein großes Spartenreorganisationsprojekt umgesetzt, zum Teil mit Unterstützung externer Berater. Insofern haben Einmalkosten zum Anstieg der Verwaltungskostenquote beigetragen. Kostenreduzierung ist nicht einfach, wenn das Beitragswachstum nicht allzu groß ist.Das stimmt. Das Ziel von 24 % in diesem Jahr zu erreichen, wird schwierig. Wir haben uns aber neue Einsparungen, vor allem bei den Sachkosten, vorgenommen. Wichtig ist uns vor allem, besser als der Markt zu sein. Den Vorsprung haben wir wieder mit gut einem Prozentpunkt erreicht. Den wollen wir halten, wobei nun die Coronakrise zu berücksichtigen ist und wir auf Basis der Aprilzahlen neu planen werden. Vor sieben Jahren lag die Kostenquote noch über 26 %. Der Trend bei unseren Kosten wird – auf unspektakuläre Weise – weiter rückläufig sein. Eine Zeit lang stand bei Ihnen Ertrag vor Wachstum, 2018 haben Sie auf “kontrollierte Offensive” umgeschaltet. Achten die VGH Versicherungen infolge der Coronakrise wieder mehr auf Ertrag?Nein. Wir wollen weiter kontrolliert wachsen, auch stärker wachsen. Wir haben in den vergangenen Jahren einige bilanzielle Lasten abgearbeitet, so die Ausfinanzierung der Pensionsrückstellungen. Wir haben zusätzlich einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag in die Pensionsrückstellungen gepackt. Wir haben mittlerweile in der Kalkulation einen negativen Realzins bei der Bewertung unserer Pensionsrückstellungen. Wir haben ausreichend Vorsorge getroffen, haben alle Reservepositionen gut ausgestattet. Wir glauben, dass wir uns gezielt stärkeres Wachstum auch in Marktphasen wie der jetzigen erlauben können. Müssen Sie Investitionspläne im Zuge der Coronakrise ändern?Aus heutiger Sicht macht die Krise keine Einschränkungen bei unseren Investitionen nötig, weil wir ausreichend finanziert und kapitalisiert sind. Unsere beiden großen IT-Projekte etwa treiben wir weiter voran, ebenso die Erneuerung unseres Inkassosystems und den Aufbau eines neuen Vertragssystems. Wir reden hier insgesamt über mehrjährige Investitionen im hohen zweistelligen, möglicherweise dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Die beiden Provinzial Versicherungen in Nordrhein-Westfalen wollen sich zusammenschließen. An Appellen aus der Sparkassengruppe, das Lager der öffentlichen Versicherer weiter zu bereinigen, fehlt es nicht. Wie sieht die VGH-Position für die kommenden Jahre aus?Ich kenne keine anderen Planungen unserer Träger, als die Eigenständigkeit der VGH zu bewahren. Es gibt ein hohes Maß an Zuversicht, dass das bestehende Geschäftsmodell und die bestehende Struktur der VGH wettbewerbsfähig sind. Wir sind in großen Teilen Niedersachsens, in Bremen und Sachsen-Anhalt und damit in einem Geschäftsgebiet mit rund 10 Millionen Einwohnern als VGH-Verbund Marktführer. Unser Anspruch muss es sein, in diesem Geschäftsgebiet bei Privatkunden, mittelständischen und großgewerblichen Firmenkunden, bei Kommunen und der Landwirtschaft über die Sparten Leben, Kranken und Komposit Marktführer zu bleiben. Für diesen Anspruch haben wir eine ausreichende Größe mit – einschließlich der drei Beteiligungsunternehmen – knapp 3,5 Mrd. Euro Beitragsvolumen. Das versetzt uns in die Lage, Skaleneffekte, die wir in unserem Geschäft benötigen, zu heben. Das Interview führte Carsten Steevens.