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Wichtigste Weichen für Lebensversicherer sind gestellt

Von Antje Kullrich, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 10.5.2019 Die Lobbyisten rund um die Lebensversicherung haben in den vergangenen Wochen hart gearbeitet. Es galt, den Unmut über den geplanten Provisionsdeckel für die Lebensversicherung kundzutun....

Wichtigste Weichen für Lebensversicherer sind gestellt

Von Antje Kullrich, DüsseldorfDie Lobbyisten rund um die Lebensversicherung haben in den vergangenen Wochen hart gearbeitet. Es galt, den Unmut über den geplanten Provisionsdeckel für die Lebensversicherung kundzutun. Vermittler sollen nach dem Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium künftig höchstens 2,5 % der Bruttobeitragssumme als Abschlussprovision erhalten. Wenn bestimmte qualitative Kriterien wie eine geringe Stornoquote des Unternehmens, wenig Verbraucherbeschwerden in der Vergangenheit und gute Beratung erfüllt sind, können es auch maximal 4 % sein. Der Vorschlag entspricht dem Konzept, für das sich bereits die BaFin vor geraumer Zeit ausgesprochen hat.Am vergangenen Montag ist die Konsultationsphase zu Ende gegangen. Die eingegangenen Stellungnahmen aus der Branche sind eindeutig: Die Branche lehnt eine Deckelung der Vermittlervergütungen, die in der Krankenversicherung im Übrigen schon länger existiert, strikt ab. Immerhin konnte sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft aber noch nach viel Kritik zu einem kleinen Lob durchringen: Positiv sei der Ansatz, Rechtssicherheit zu schaffen und alle Anbieter im Markt gleich zu behandeln.Weniger Widerstand wäre durchaus angebracht: Die Branche sollte die Regelung lieber als Chance und vertrauensbildende Maßnahme begreifen. Denn ihr ramponiertes Image, das sich trotz mehrheitlich individueller Zufriedenheit mit dem eigenen Vertreter hartnäckig hält, resultiert zu einem erheblichen Teil aus den Vertriebsexzessen der Vergangenheit. Der vorgeschlagene Deckel von 4 % schnürt dem Vertrieb außerdem nicht die Luft ab. Denn auch oder gerade die Vermittler können durch Effizienzgewinne durch die Digitalisierung kostengünstiger arbeiten. Diverse Lebensversicherer, die schon heute vergleichsweise schlank unterwegs sind, haben mit dem Deckel überhaupt kein Problem.Ohnehin ist die Debatte um die Abschlussprovisionen eines der letzten Gefechte am Ende einer aufreibenden Übergangsphase. Doch jetzt sind die wichtigsten Weichen für die vom Zinstief geplagten Lebensversicherer gestellt. Sie selbst haben ihr Geschäftsmodell umgestellt, und ihre abgespeckten Garantien sind vom Markt akzeptiert worden. Vor allem Marktführerin Allianz ist in den vergangenen beiden Jahren in der Lebensversicherung erheblich gewachsen und der Konkurrenz enteilt.Doch auch durch Gesetzgeber und Regulierer sind die Lebensversicherer unterstützend begleitet worden. Die neue Formel für die Berechnung der Zinszusatzreserve (ZZR) im vergangenen Jahr hat den Unternehmen die nötige Luft zum Atmen auf der Ertragsseite verschafft. Das war nötig, da einigen Gesellschaften sonst vielleicht schon in diesem oder im nächsten Jahr das Wasser bis zum Hals gestanden hätte. Die eigentlich sinnvolle langfristige Vorsorge hätte dann für kurzfristige Probleme gesorgt. Mit der modifizierten Berechnung musste die Branche im vergangenen Jahr 5,9 Mrd. Euro für die ZZR zurücklegen – 20 Mrd. Euro wären es nach alter Kalibrierung geworden.Auch beim Aufreger externer Run-off sind die Wogen mittlerweile geglättet und haben sich die Gemüter beruhigt. Vor wenigen Tagen meldeten Generali Leben und die Abwicklungsplattform Viridium Vollzug, nachdem die BaFin im April die bislang mit Abstand größte Run-off-Transaktion auf dem deutschen Markt durchgewunken hatte. Die mehrheitlich dem Finanzinvestor Cinven gehörende Viridium hat 89,9 % an der Generali Leben und damit die Verwaltung von vier Millionen Policen sowie 42 Mrd. Euro Kapitalanlagen übernommen. Ob der von Abwicklern und Beratern erwartete Boom bei Run-off-Transaktionen jetzt tatsächlich kommt, ist jedoch offen. Denn zahlreiche große deutsche Lebensversicherer wie Allianz, R+V oder die Debeka haben Abgaben an externe Plattformen ausgeschlossen. Run-off-Signal für den MarktDennoch war die BaFin-Freigabe des Generali-Deals für den Markt ein wichtiges Signal: Denn die Aufsicht hat damit deutlich gemacht, dass Transaktionen in nahezu jeder Größenordnung unter geeigneten Rahmenbedingungen genehmigungsfähig sind. Auch der Aufschrei in der Öffentlichkeit blieb aus. Ende 2017 hatte die Ergo, deren Run-off-Pläne bekannt geworden waren, noch unter erheblichen Druck aus Politik und Öffentlichkeit einen Rückzieher gemacht und die Pläne begraben.Auch die Statistik belegt, dass die Lebensversicherer trotz anhaltend angespannter Zinssituation etwas ruhigere Gefilde erreicht haben. Die BaFin zog vor wenigen Tagen in ihrem Jahresbericht eine einigermaßen positive Bilanz zur Risikoklassifizierung der Branche: So sei der Anteil der mit “C”, also eher schwachbrüstig bewerteten Lebensversicherer um 5 % gesunken, und zwar in dem Maß, in dem sich der Anteil der mit “B” eingestuften Unternehmen vergrößert habe. Auch die Solvenzquoten der Branche sind noch einmal im Durchschnitt deutlich gestiegen.