Widerrufsbutton für Online-Geschäfte wird Pflicht
Widerrufsbutton wird Pflicht
Etliche Neuerungen für Finanzgeschäfte via Internet, E-Mail und Telefon – Vielzahl von Unternehmen betroffen
Die Regeln für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen in der EU sind mehr als 20 Jahre alt. Eine nun beschlossene Reform sieht zahlreiche Neuerungen vor. Die wohl weitreichendste: Sämtliche Online-Anbieter müssen einen Widerrufsbutton für ihre Kunden einführen – nicht nur im Finanzsektor, sondern auch darüber hinaus.
rec Brüssel
Für Finanzgeschäfte über das Internet wird ein Widerrufsbutton Pflicht. Das haben Unterhändler von EU-Staaten und EU-Parlament beschlossen. Hintergrund ist das Ansinnen, veraltete Regeln für online oder telefonisch abgeschlossene Finanzdienstleistungen europaweit zu modernisieren. Im Zuge der vor einem Jahr eingeleiteten Reform fällt das sogenannte ewige Widerrufsrecht: Kunden haben künftig maximal ein Jahr Zeit, um einen per Internet oder Telefon geschlossenen Vertrag zu widerrufen.
EU-Justizkommissar Didier Reynders begrüßte die Einigung. Sie werde „sicherstellen, dass die Verbraucher beim Online-Abschluss von Finanzdienstleistungsverträgen angemessen geschützt sind, auch bei neuen Produkten, die möglicherweise auf den Markt kommen“. Nachholbedarf ist offenkundig: Die geltenden Regeln für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen sind mehr als 20 Jahre alt.
Betroffen sind beispielsweise Kredit-, Investment- und Versicherungsgeschäfte, aber nicht nur. Denn der angedachte Widerrufsbutton ist nach Ansicht von Experten für sämtliche Online-Plattformen vorgesehen. Für bestimmte Finanzdienstleistungen wie Verbraucherkredite oder Hypotheken gelten darüber hinaus spezifische Regelwerke. Sie bleiben von der Reform unberührt und gelten fort.
Verbraucherschützer zufrieden
Verbraucherschützer sind grundsätzlich positiv gestimmt. Für Lars Gatschke, Finanzexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), ist die Einführung eines Widerrufsbuttons „genau der richtige Weg“ für mehr Verbraucherschutz. Der Button soll Kunden in die Lage versetzen, einen Online-Vertrag genauso leicht zu widerrufen, wie sie ihn abgeschlossen haben. Dasselbe hätte Gatschke sich für die Kündigung von Verträgen gewünscht. Ein Kündigungsbutton für Finanzdienstleistungen ist allerdings nicht vorgesehen, bemängelt Gatschke.
Philipp Eckhardt, Finanzexperte des Forschungsinstituts CEP, sieht das etwas anders. Eine solche Widerrufsfunktion hält er lediglich für die zweitbeste Lösung. „Zielgerichteter“ fände er deutliche Hinweise an den Kunden auf dem Weg zum Vertragsabschluss, um das Risiko von Fehlentscheidungen von vornherein zu minimieren. Der Kompromiss sieht einen Widerrufsbutton für jegliche Fernabsatzverträge mit Verbrauchern vor, betont Eckhardt. „Der Rechtsakt ist damit für eine Vielzahl weiterer Unternehmen außerhalb des Finanzsektors von Relevanz.“
Widerrufsrecht begrenzt
Positiv bewertet Eckhardt die zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts. „Dies stärkt die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sowohl für Verbraucher als auch für den Anbieter der Finanzdienstleistung und könnte über die Zeit für sinkende Preise sorgen.“ Derzeit können Kunden Kreditverträge auch noch nach Jahren widerrufen, sofern sie bei Vertragsabschluss falsch oder unzureichend über ihre Rechte informiert worden sind. Für mehr Klarheit haben die Schlussverhandlungen Eckhardt zufolge auch gesorgt, was das Zusammenspiel mit bestehenden Vorschriften für Finanzdienstleister angeht. Mehrere Finanzverbände hatten hier auf den letzten Metern Nachbesserungen angemahnt.
Gesellschaft für den Chatbot
Das Gesetz umfasst eine Reihe weiterer Neuerungen. So müssen Online-Anbieter Kunden künftig die Möglichkeit geben, menschliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie mit Chatbots oder anderen digitalen Verkaufsassistenten zu tun haben. Außerdem sind strengere Vorschriften vereinbart, damit Kunden nicht zum Vertragsabschluss gedrängt oder verleitet werden. Zudem müssen dem Kunden „rechtzeitig“ alle relevanten Informationen vorliegen – eine Formulierung, die bewusst gewissen Spielraum lässt. Die EU-Staaten haben zweieinhalb Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und anzuwenden.