IM PORTRÄT

Wie der Vater, so der Sohn

DJE-Chef Jens Ehrhardt lässt seinem Vize und Sohn Jan viele Freiheiten. Das prägt die Firma.

Wie der Vater, so der Sohn

Von Jan SchraderDer Großvater von Jan Ehrhardt ist allgegenwärtig. Am Stammsitz der DJE Kapital in Pullach nahe München hängen die Fotografien von Alfred Ehrhardt in etlichen Fluren und Räumen. Der bekannte Fotograf und Filmemacher hatte einen Sinn für klare Muster und Strukturen. Muscheln und Wellenspuren im Sand zählen zu den typischen Motiven in der hellen und modernen Villa mitten in einem Wohngebiet. Der Künstler verantwortete damals eine Filmproduktion und führte seinen Sohn Jens, der im Krieg in Hamburg geboren wurde, an die Geschäfte heran – doch dem sagte eine allzu künstlerische Tätigkeit offenbar nicht zu. Unter der Führung seines Vaters habe er zu wenige Freiheiten gehabt, sagt der 74-jährige DJE-Chef heute. Neue WegeEin Fehler, wie Jens Ehrhardt meint, den er bei seinem Sohn Jan nicht wiederholen wolle. “Die Übergabe funktioniert im Grunde nur, wenn man rechtzeitig Verantwortung teilt und der Nachfolger auch Spaß an der Aufgabe hat.” Gezwungen habe er seinen Sohn nie. Das bestätigt auch der Junior, der sich schon in der Schule für Mathematik und Wirtschaft interessierte und später Betriebswirtschaftslehre studierte, nach kurzem Aufenthalt in den USA 2003 in die Firma einstieg, später wie auch sein Vater promovierte und 2010 in den Vorstand aufrückte. “Ich hatte nie das Gefühl, dass ich das machen muss, sondern ich konnte mich selbst dabei entwickeln”, sagt der 41-Jährige.Als stellvertretender Vorstandsvorsitzender setzt Jan Ehrhardt heute eigene Akzente. Hatte sein Vater bereits 1974 die damalige Dr. Jens Ehrhardt Vermögensverwaltung gegründet und insbesondere Wert auf geldpolitische Kenngrößen sowie Stimmungsindikatoren für die Aktienanlage gelegt, trieb sein Sohn in den vergangenen Jahren den Ausbau einer umfassenden Datenbank der rund 100 Mitarbeiter zählenden Gesellschaft voran. Zwar ist der Senior formal der Firmenchef und sein Sohn der Vize, doch im Gespräch mit rendite lässt Jens Ehrhardt seinem Spross den Vortritt. Eigene Datenbank aufgebautAuf einer Leinwand zeigt der Junior mit erkennbarem Stolz das über Jahre aufgebaute Datensystem. Die Mitarbeiter der Gesellschaft führen und protokollieren etliche Gespräche mit Unternehmenslenkern und speisen die Informationen in das System ein. Auch ihre Geschäftsberichtsanalysen hinterlassen sie dort. Die Fondsmanager und Analysten haben Zugang zu allen möglichen Daten rund um Unternehmen und Konjunktur. Häuserpreise und die Zahl der Baubeginne in den USA zählen dazu, deren Verlauf aus Sicht von Jan Ehrhardt bereits vor der Finanzkrise auf Risiken hingedeutet haben. Auch über den Absatz der Automobilbranche in China, die gefallenen Strompreise in Deutschland, die Öl- und Gasförderanlagen in den USA und andere Daten referiert der Sohn kurz – und eilt dabei mit spielerischer Leichtigkeit durch die Datenbanken. Das Papierarchiv, das die Firma noch immer im Dachgeschoss des Gebäudes aufbewahrt, ist weitgehend obsolet geworden. Den Fokus richtet der Sohn auf die Analyse von Unternehmen. Rund vier Fünftel seiner Zeit verbringe er ähnlich wie viele seiner Kollegen damit, sich die Firmen genau anzusehen. Die Gespräche mit Unternehmen findet er wichtig, weil sie einen tieferen Einblick gewährten als Zahlen allein. Da die DJE Kapital mittlerweile rund 10 Mrd. Euro verwaltet und somit auch als Investor Gewicht hat, kommen Konzernvertreter aus den oberen Führungsetagen nicht selten auch mal nach Pullach. Regelmäßig reise er auch nach Asien und in die USA, wo ebenfalls führende Köpfe gesprächsbereit seien. “Es geht darum, ein Unternehmen besser kennenzulernen”, sagt der Sohn. “In Krisenzeiten verkauft man oft nicht sofort, da man die Situation besser einschätzen kann und sich an der langfristigen Firmenentwicklung orientiert.”Sein Vater Jens Ehrhardt wiederum hat einen starken Fokus auf die gesamte Volkswirtschaft und auf die Märkte. In der “Finanzwoche”, einer zugehörigen Publikation, äußert sich der Senior im Detail zur allgemeinen Entwicklung der Kapitalmärkte. Die Texte diktiert er dabei auf Band, die dann, weitgehend unverändert, Eingang in die Publikation finden. Diese Aufgabe lasse er sich nicht nehmen, selbst aus dem Urlaub heraus liefert er seine Einschätzung ab, wie es heißt. Ergänzt wird das Werk durch Einschätzung zu Einzelaktien, für die dann aber andere aus dem Firmengeflecht die Verantwortung tragen. Bereits 1987 erster FondsDer Blick auf einzelne Unternehmen wie auch auf das große Ganze – dieser auffällig breite Ansatz wird nicht nur durch das Duo Jens und Jan Ehrhardt verkörpert, sondern prägt das offizielle Konzept der Gesellschaft: Das Credo FMM, Akronym für “fundamental, monetär, markttechnisch”, umfasst den Blick auf Unternehmen, auf die Wirkung der Geldpolitik und auf Trends der Börsenkurse. Bereits 1987 habe die Gesellschaft einen FMM-Fonds aufgelegt und war damit der erste unabhängige Vermögensverwalter mit einem eigenen Fonds, wie Jens Ehrhardt betont. Bereits vor vielen Jahrzehnten habe man damit begonnen, die Stimmung an den Märkten etwa anhand von Börsenbriefen zu ermitteln. Die Politik der Bundesbank, die in den 1970er Jahren die Inflation mit höheren Leitzinsen bekämpfte, habe die Märkte stärker beeinflusst, als viele damals erwartet hätten, erzählt er. Noch größer sei der Einfluss der Notenbanken heute, die bekanntlich nicht nur mit niedrigen Leitzinsen, sondern auch mit Wertpapierkäufen in großem Stil die Märkte beeinflussen. “Das Monetäre ist unglaublich wichtig”, sagt Jens Ehrhardt. “Die Notenbankpolitik der letzten Jahre hat das noch verstärkt.” Handwerk und KunstAuch wenn der Vater und sein Sohn Jan das Fondsmanagement der Kunst vorgezogen haben – gänzlich abseits vom Stamm sehe er sich nicht, sagt der Senior. So stamme seine Mutter aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie, die etwa als Schiffsmakler und Reeder agierten. “Da habe ich von der kaufmännischen und von der künstlerischen Seite etwas mitbekommen.” Geldanlage basiere zwar auf nüchternen Daten und nicht so sehr auf Bauchgefühl. “Die künstlerische Seite liegt vielleicht darin, dass man manchmal um die Ecke denken muss an der Börse.” Auch sein Sohn kann dieser Sichtweise etwas abgewinnen, denn Daten allein garantieren kein gutes Fondsmanagement, betont er. “Menschliche Erfahrung ist wichtig, um Daten zu interpretieren.”Auch wenn über die Übergabe der Firmenleitung von dem Vater an dem Sohn nicht offiziell gesprochen wird – der Vater deutet jedenfalls an, dass der Sohn einmal die Lenkung übernehmen wird. Sei doch zwischendurch auch der Verkauf der Gesellschaft möglich gewesen, so überzeuge nun die Perspektive, dass die Firma als bankunabhängiger Vermögensverwalter fortbestehe, betont Jens Ehrhardt. Über seinen Sohn wird gesagt, dass er nicht zuletzt auch jungen Fondsmanagern die Chance gibt, sich in der Geldanlage zu bewähren, so wie er sich kurz nach dem Einstieg in der Firma mit dem Aktienfonds Dividende & Substanz ab 2003 behaupten musste. “Es war eine tolle Herausforderung”, sagt er dazu. Wie der Vater, so der Sohn.—– Rund 10 Mrd. Euro verwaltet die DJE Kapital eigenen Angaben nach in diversen Fonds und Mandaten zur Jahresmitte. Sie ist demnach der zweitgrößte unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland, nach der Kölner Flossbach von Storch.