Wie die Bankenunion untergraben wird
Gastbeitrag
Wie die Bankenunion untergraben wird
Als 2005 die staatliche Gewährträgerhaftung für die deutschen Sparkassen und Landesbanken auf Druck der Europäischen Union fiel, erschien dies wie ein großer Sieg für den Wettbewerb und die Marktkontrolle im europäischen Bankenmarkt. Mit Beginn der Finanzkrise musste man jedoch feststellen, dass man dabei den eigentlichen Elefanten im Raum übersehen hatte. Die großen Kreditinstitute waren unverändert too-big-to-fail, und einige mussten mit vielen hundert Milliarden Euro staatlichem Geld und staatlichen Garantien gerettet werden.
Keine risikogerechten Refinanzierungskosten
Der Kern des Problems ist, dass diese systemischen Kreditinstitute keine risikogerechten Refinanzierungskosten zahlen müssen. Die Investoren rechnen – in richtiger Antizipation – die Staatshilfe aus Steuergeldern in die Einschätzung des Risikos und Wertes ihrer Investition ein. Studien aus der Zeit der Finanzkrise zeigen, dass ein erheblicher Anteil des Marktwertes der systemischen Institute in diesem Sinne allein auf ihrer Größe beruht. Entsprechend leichtfertig können diese Institute Risiken eingehen und noch größer und komplexer werden. Wenn es schief geht, zahlt der Steuerzahler.
Der SRM hat ein Problem
Eine Antwort auf diese Problematik findet sich in dem 2014 als zweite Säule der Europäischen Bankenunion eingerichteten einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM). Das Prinzip ist ebenso einleuchtend wie konsequent: Große Banken werden nicht mehr vom Staat gerettet, sondern kontrolliert abgewickelt oder liquidiert. Ineffiziente Managementteams verlieren die Kontrolle. Investoren tragen zumindest Teile der Verluste. Das bringt die Investoren dazu, sich besser zu informieren, vorsichtiger zu agieren und bei einem Fehlverhalten ihr Geld rasch abzuziehen. Diese Rückgewinnung der Marktkontrolle erzeugt einen Anreiz für die Manager von Banken, effizienter zu arbeiten und keine übermäßigen Risiken einzugehen. So helfen die Marktkräfte, das Bankensystem zu stabilisieren.
Leider hatte der SRM von Anfang an ein Glaubwürdigkeitsproblem: Waren die europäischen Staaten wirklich bereit, wichtige Kreditinstitute einfach abzuwickeln? Waren sie willens, Investoren durch einen Bail In zu verärgern? Und war der komplexe Prozess der Bankenabwicklung in der Krise überhaupt anwendbar?
Noch kurz vor der Einführung der SRM hatte man in Griechenland und Zypern Kreditinstitute einfach herausgehauen, und auch danach wurde man kaum prinzipientreuer. In Italien war es die traditionsreiche Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS), die nach wiederholten Krisen und Skandalen auch noch 2016/17 mit massiver Staatsbeteiligung gerettet wurde.
Die jüngste Entwicklung bei dieser Bank droht dieser Geschichte die Krone aufzusetzen. Die MPS ist zwar über die langen Krisenjahre massiv geschrumpft. Nun aber hat sie ein feindliches Übernahmeangebot für die nur etwas kleinere italienische Mediobanca abgegeben. Darin wird sie durch den Staat unterstützt, der in Italien eine weitere große Bankengruppe schaffen möchte. Italiens Regierung steht der MPS gerade wegen der langjährigen Krise dieser Bank besonders nahe, und Italien ist immer noch mit 11,6% am Aktienkapital der MPS beteiligt.
Bankenunion ernst nehmen
Man kann sich sicher fragen, ob der Staat überhaupt auf diese Weise in den Wettbewerb eingreifen sollte. Wenn man aber die Idee der Europäischen Bankenunion ernst nimmt, dass wirtschaftliches Versagen auch bei den Banken Konsequenzen haben muss, dann dürfte Italien dafür jedenfalls nicht die MPS einsetzen. Diese Bank hat doch gerade erst nur mit staatlicher Hilfe ihre Probleme bewältigen können. Nun soll sie ein Kreditinstitut übernehmen, das ohne unmittelbare Staatshilfe erfolgreich durch die Krisen der letzten zwei Jahrzehnte gekommen ist. Damit wird das Konzept der Marktkontrolle bei Banken ad absurdum geführt.
Schon die Rettung der MPS durch den Staat hat der Glaubwürdigkeit der zweiten Säule der Europäischen Bankenunion geschadet. Von dieser Glaubwürdigkeit wird wenig übrigbleiben, wenn die MPS nun zum Kern einer weiteren industriepolitisch gewollten Konsolidierung des italienischen Bankenmarktes wird.