Wie die Genossen ihre Idee vermarkten

Von Carsten Steevens, Rastede Börsen-Zeitung, 31.1.2018 Wenn es mit Begriffen wie Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung um die Prinzipien ihrer Organisation geht, berufen sich die Genossenschaften auf zwei Gründerväter: Hermann...

Wie die Genossen ihre Idee vermarkten

Von Carsten Steevens, RastedeWenn es mit Begriffen wie Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung um die Prinzipien ihrer Organisation geht, berufen sich die Genossenschaften auf zwei Gründerväter: Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Aus ihrer Sicht stehen beide als deutsche Gesellschaftsreformer der vergangenen zwei Jahrhunderte auf einer Stufe mit Otto von Bismarck, Wilhelm Emmanuel von Ketteler, Karl Marx und Ludwig Erhard.Auch der Genossenschaftsverband Weser-Ems (GVWE) sieht es so. Der kleinste der vier regionalen Prüfungsverbände in Deutschland hat jetzt anlässlich des Geburtstags von Raiffeisen, der sich am 30. März zum 200. Mal jährt, an Wurzeln und Werdegang der Gruppe erinnert. Weitere Verbundmitglieder werden es dem Verband, der 1890 – zwei Jahre nach dem Tode Raiffeisens – als Verband oldenburgischer landwirtschaftlicher Genossenschaften entstand, noch gleichtun.Die Genossen feiern 2018 das “Raiffeisen-Jahr”. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft übernommen. Aus Anlass des Geburtstags des aus dem Westerwald stammenden Vordenkers der Genossenschaftsidee sind zentrale Feste in Mainz (11. März) und Berlin (22. September) geplant.Das Jubiläum will die Gruppe mit ihren rund 8 000 Unternehmen, einer Million Beschäftigten und 22,6 Millionen Mitgliedern dazu nutzen, die Genossenschaftsidee weiter ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Luft nach oben gibt es offenbar: Viele Menschen, die täglich die etwa 1 500 Raiffeisenstraßen in Deutschland nutzten, wüssten nicht, woher der Name komme, heißt es.Um nicht nur an den Reformer Raiffeisen zu erinnern, sondern noch mehr Menschen von der Genossenschaftsidee zu überzeugen, hat sich die Gruppe anlässlich des runden Raiffeisen-Jubiläums reichlich Kampagnen ausgedacht. Eine gewisse Diskrepanz fällt auf: Als vor zehn Jahren der 200. Geburtstag von Hermann Schulze-Delitzsch anstand, fielen Feten und Projekte doch mindestens eine Nummer kleiner aus.Zwar richtete der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) Ende September 2008 einen Festakt aus, den der damalige Bundespräsident Horst Köhler kurz nach der Lehman-Pleite nutzte, um zur Stärkung von Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Gemeinsinn aufzurufen. Ansonsten blieb es aber vergleichsweise ruhig. In der Weser-Ems-Region etwa wurde nicht gefeiert.Im Nordwesten, wo der Verband 1949 vorübergehend den Namen Raiffeisen-Genossenschaftsverband Weser-Ems annahm, beruft man sich auf den Reformer aus dem Westerwald. Raiffeisen und Schulze-Delitzsch hatten unterschiedliche Ansätze: Während dem einen die Unterstützung der ländlichen Bevölkerung am Herzen lag, hatte der andere vor allem kleine Handwerker und Händler im Blick. Unterschiedlich waren die Vorstellungen über die Höhe von Mitgliedsbeiträgen, die Rückzahlungsfristen und die Verankerung christlich-ethischer Grundwerte in den Genossenschaften.Doch in ihrem Ziel, das Leben der Menschen zu verbessern, seien sie sich einig gewesen, betont man im Genossenschaftsverbund. Dass der eine für die genossenschaftliche Gruppe heute insgesamt bedeutsamer wäre als der andere, diese Meinung ist nicht zu vernehmen. Mit der Aufnahme der Genossenschaftsidee in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco sei 2016 das Lebenswerk beider Reformer gewürdigt worden. Raiffeisens Ideen seien aktueller denn je, heißt es nun zum diesjährigen Jubiläum. Die von Schulze-Delitzsch aber auch, sollte man wohl noch hinzufügen. ——–Raiffeisens Ideen seien aktueller denn je, heißt es derzeit. Die von Schulze-Delitzsch wohl auch.——-